RECHT UND KAPITALMARKT

Frankfurt als Tor zum Reich der Mitte

Errichtung einer Renminbi-Clearingbank in der Mainmetropole hat nicht nur politische Vorteile für China - Künftig Goethe-Bonds?

Frankfurt als Tor zum Reich der Mitte

Von Frank-Oliver Wolfund Robert Koller *)Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Staatspräsident Xi Jingpin haben jüngst in ihrer gemeinsamen Gipfelerklärung unter anderem vereinbart, dass Frankfurt Sitz einer Clearingbank für die chinesische Währung Renminbi (auch Yuan oder CNY) werden soll. Was auf den ersten Blick relativ technisch klingt, ist jedoch ein außerordentlicher Erfolg für das Finanzzentrum Frankfurt und die deutsche Wirtschaft. Spezielle KanäleDer Yuan ist auf Grund diverser Beschränkungen der chinesischen Behörden nicht frei konvertierbar und existiert in zwei Ausprägungen, einem Onshore-, also innerhalb Chinas verwendeten Renminbi und ebenso einem Offshore-Renminbi. Dieser wird außerhalb von Festlandchina genutzt. Jeder Zahlungsstrom zwischen China und dem Rest der Welt unterliegt daher besonderen Einschränkungen und muss über spezielle, von den Behörden vorgesehene, Kanäle fließen.Eine der wichtigsten Formen dabei sind die sogenannten Clearingbanken. Bisher gibt es derartige Abwicklungszentren für den Yuan in Hongkong, Singapur, Macao und Taiwan. Frankfurt am Main wäre das erste Zentrum in der Eurozone und abgesehen von London das einzige in Europa. Es ist ein weiteres Zeichen für eine graduelle Liberalisierung der Währung. Ziel der chinesischen Behörden ist es, den Renminbi als dritte Weltreservewährung neben dem Dollar und dem Euro zu etablieren – wobei der Prozess von China aus gesteuert wird.Dass Frankfurt den Zuschlag der chinesischen Zentralbank bekommen hat, ist natürlich gut zu begründen: Deutschland ist der mit Abstand größte Handelspartner Chinas in der EU und verfügt damit über eine realwirtschaftliche Basis, die in keinem anderen Land vorhanden ist. Eine Reservewährung muss schließlich auch in der Praxis genutzt werden, wofür sich der deutsche Mittelstand als einer der wesentlichen Träger des deutschen Außenhandels bestens anbietet.Daneben ist die Konzentration von Finanzwirtschaft und Aufsichtsbehörden in der Eurozone wohl nirgends so geballt wie am Bank- und Börsenplatz Frankfurt am Main. Die EZB hat bereits im Vorjahr ein Swap Agreement über 350 Mrd. Yuan mit der chinesischen Zentralbank abgeschlossen, das in bestimmten Situationen die Yuan-Liquidität in Europa bzw. die Euro-Liquidität in China sicherstellen soll. Ähnliche Vereinbarungen mit der US-Notenbank haben sich während der Finanzkrise bereits mehrfach als hilfreich erwiesen. Zudem wird üblicherweise eine chinesische Bank zur Clearingbank bestellt und die in Frage kommenden Banken wickeln ihr hausinternes Euro-Clearing für die Eurozone in Frankfurt ab, weshalb die erforderliche Infrastruktur für das Vorhaben in weiten Teilen bereits vorhanden ist.Die Errichtung einer Renminbi-Clearingbank in Frankfurt am Main hat nicht nur politische Vorteile für die Internationalisierung des Yuan, sondern auch Vorteile für die heimische und europäische Wirtschaft. Neben den durchaus praktischen Vorteilen über deutschsprachige Ansprechpartner in derselben Zeitzone mit denselben Feiertagen zu verfügen, besteht die Erwartung, dass die Clearingbank auch zu messbaren Kostenvorteilen im grenzüberschreitenden Zahlungs- und Handelsverkehr führt. Im- und Exporteure können ihren Handelspartnern nun noch einfacher anbieten, in Renminbi abzurechnen, was üblicherweise bei Importen nach Deutschland zu günstigeren Verkaufspreisen beim chinesischen Gegenüber führt.Wir sind davon überzeugt, dass ein zukünftiges Wachstum des deutsch-chinesischen Handels nachhaltig vor allem durch den deutschen Mittelstand getragen wird. Auch bei der Zahlung an sich, die bereits heute über andere Wege möglich ist, und den daran gebundenen Formalitäten darf auf eine schnellere Abwicklung und administrative Erleichterung gehofft werden, beispielsweise durch eine Vereinfachung des von der chinesischen Zentralbank vorgeschriebenen Systems mehrerer Konten oder gewisse Quotenregelungen.Das Abwicklungszentrum steht allen Banken, sonstigen Finanzdienstleistern und Unternehmen Europas offen, was dazu führen sollte, dass – insbesondere durch den deutsch-chinesischen Handel – noch mehr Liquidität in Offshore-Renminbi lokal zur Verfügung stehen wird. Dies kann wiederum dazu genutzt werden, den Zahlungsverkehr mit der Volksrepublik China auszubauen und die Brückenfunktion der Mainmetropole zwischen der Eurozone und China zu verstärken. Zudem kann man damit rechnen, dass eine erhöhte Liquidität von Yuan in Europa zu einer Ausweitung von Fremdwährungsderivaten (beispielsweise Swaps) und damit zu einer besseren Kostenstruktur für derartige Geschäfte führt.Die Schaffung einer Clearingbank für Renminbi in Frankfurt ist nur ein erster, jedoch ein besonders wichtiger Schritt. Die erwartete höhere Yuan-Liquidität in der Eurozone kann als Katalysator für die weitere Entwicklung wirken.Das Beispiel Hongkong zeigt, dass es eine Vielzahl an Produkten gibt, die in Deutschland noch nicht oder noch nicht in größerem Ausmaß verfügbar sind. Diese könnten bei verbesserter Liquiditätssituation auch hier eingeführt werden. Als Erstes denkt man hierbei an sogenannte Dim-Sum-Anleihen, das heißt Anleihen in Offshore-Renminbi, die außerhalb Chinas begeben werden. Jedoch wurden diese bisher immer in Hongkong begeben, woher sich auch der Name ableitet. Dies könnte sich nun ändern und die Begebung derartiger Anleihen auch in Deutschland unter vermehrter Ansprache europäischer Investoren stattfinden, vielleicht unter der für Frankfurt passenden Bezeichnung Goethe-Bonds.Hier sind jedoch auch mikro- und makroökonomische Aspekte wie das derzeitige Zinsniveau im Offshore-Renminbi-Markt oder die weitere Entwicklung des Yuan und seine erwartete Aufwärtsbewegung ausschlaggebend. Des Weiteren ist auch die Dokumentation dieser Anleihen anzupassen, um der Vereinfachung einer Abwicklung in Frankfurt am Main gerecht zu werden. ExportchancenFerner zeigt sich, dass es in Hongkong eine rege Tätigkeit im Bereich von in Renminbi denominierten Exchange Traded Funds (ETF) oder Kleinanlegerfonds gibt. Es spricht auch nichts dagegen, typisch deutsche Instrumente – wie etwa das Schuldscheindarlehen oder Zertifikate – in das Reich der Mitte zu exportieren. Vereinzelt wird daran bereits gearbeitet. Näherliegend sind dennoch Entwicklungen im Bereich der oben erwähnten Zahlungsdienste bzw. im Bereich das Cash-Management beziehungsweise Cash-Pooling und anderen Treasury-bezogenen Produkten, etwa auch durch eine vermehrte Nutzung von Repo-Geschäften oder einen bevorzugten Zugang zum chinesischen Interbankenmarkt. Abhängig vom weiteren Fortschritt können sich auch Vereinfachungen im grenzüberschreitenden M & A-Geschäft ergeben.Die oben erwähnten Entwicklungen hängen naturgemäß von der wirtschaftlichen Ausgestaltung der Clearingbank ab, aber auch von der Annahme durch die deutsche und europäische Realwirtschaft. Laut einer Studie der Commerzbank zu diesem Thema sieht eine überwältigende Mehrheit der Unternehmen Vorteile durch einen Renminbi-Hub in Frankfurt am Main. Finanzplatz in der PflichtDie Vorteile einer derartigen Einrichtung müssen auf den ersten Blick sowohl für Endkunden als auch Unternehmen klar erkennbar sein, um so die Akzeptanz bei den Endnutzern zu erhöhen. Dies muss mit einer verstärkten Aufklärung über die Vorteile und Möglichkeiten einhergehen. Hierzu sehen sich nicht nur die Verfasser in der Pflicht, sondern wohl alle Teilnehmer am Finanzplatz Frankfurt am Main. Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir sagte in diesem Zusammenhang kürzlich, dass es insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen beim Handel mit Geschäftspartnern in China deutlich einfacher werde, die Geschäfte in Renminbi abzurechnen. Das mache es für beide Seiten attraktiver. Die RMB-Initiative sei damit auch ein Beispiel für eine neue Ausrichtung der Finanzplatzförderung, weil sie auf gesamtwirtschaftliche Vorteile ziele, in dem Staat, Unternehmen und Finanzwirtschaft sinnvoll zusammenarbeiten.Daneben spielt die weitere Entwicklung in China eine wichtige Rolle für den Erfolg der Clearingbank. Faktoren wie ein neues internationales Zahlungssystem, die weitere Internationalisierung des Renminbi und auch der Ausbau der Handelsbeziehungen im Allgemeinen sind hier in Zukunft zu berücksichtigen.—-*) Frank-Oliver Wolf ist Global Head of Cash Management & International Business der Commerzbank. Robert Koller ist Partner der Anwaltssozietät Simmons & Simmons.