NOTIERT IN PARIS

Französische Leidenschaft

Der rote Teppich in Cannes ist wieder eingerollt, die Goldene Palme vergeben. Die Leidenschaft der Franzosen für Filme bleibt aber auch nach dem Ende des berühmtesten Filmfestivals der Welt erhalten. Kino, das ist für sie die siebte Gattung der...

Französische Leidenschaft

Der rote Teppich in Cannes ist wieder eingerollt, die Goldene Palme vergeben. Die Leidenschaft der Franzosen für Filme bleibt aber auch nach dem Ende des berühmtesten Filmfestivals der Welt erhalten. Kino, das ist für sie die siebte Gattung der schönen Künste. Entsprechend gehören Kinobesuche und Wissen über die neuesten Filme zur Allgemeinkultur. Mit 5 981 Leinwänden ist Frankreich in Europa die Nummer 1. Insgesamt 1 814 herkömmliche Kinos gibt es hierzulande, die Übersee-Départements nicht mitgerechnet. Dazu kommen 226 Multiplex-Kinos mit jeweils mindestens acht verschiedenen Sälen. Mit 84 Kinos und ihren 412 Sälen ist Paris auch die Hauptstadt Frankreichs, was Lichtspielhäuser angeht.Doch die Eröffnung von immer mehr Multiplex-Kinos in den Vororten von Paris hat dazu geführt, dass der Anteil der Kinos in der Hauptstadt an den Filmbesuchen landesweit abgenommen hat. Das ist nicht die einzige negative Auswirkung der riesigen Filmpaläste mit ihren zahlreichen Kinosälen. So sind die Multiplex-Kinos eine der beiden einzigen Kategorien an Lichtspielhäusern, die im vergangenen Jahr weiter zugelegt haben. Während kleinere Kinos schließen mussten, wurden 62 neue Multiplex-Kinos eröffnet und acht in der Kategorie mit sechs bis sieben Sälen. Dagegen wurden 19 Kinos mit vier bis fünf Sälen geschlossen, elf mit zwei bis drei Sälen und 71 Kinos mit nur einem einzigen Vorführsaal.Zwar machen Multiplex-Kinos nach Angaben des Zentrums für Kinokunst und bewegte Bilder gerade mal 11,1 % der französischen Lichtspielhäuser aus, aber sie konzentrieren 58,8 % der Besucher und rund 65 % der Einnahmen auf sich. Allerdings ist ähnlich wie bei den riesigen, Hypermarchés genannten Supermärkten zu beobachten, dass die Wachstumsraten der Kinobesucher denen der Eröffnungen neuer Multiplex-Kinos hinterherhinken. Schlimmer noch, die Zahl der dort verkauften Eintrittskarten ist sogar rückläufig: Wurden 2014 in den französischen Multiplex-Kinos noch insgesamt 125,1 Millionen Tickets verkauft, waren es im zurückliegenden Jahr nur noch 118,34 Millionen.Dennoch gelten die Multiplex-Kinos noch immer als hochrentabel. So kamen sie nach Angaben des Statistikamts Insee 2015 auf eine Gewinnmarge von 44 %. Zu verdanken haben sie das vor allem den Verkäufen von Snacks und Getränken sowie Werbeanzeigen. Der Umsatz der Multiplex-Kinos hat aber auch wegen der Erhöhung der Eintrittspreise zwischen 2005 und 2015 um 44 % auf 1,45 Mrd. Euro zugelegt. Um die Filmverleiher zu unterstützen, hat das Kulturministerium die Multiplex-Kinos dazu gezwungen, kostenlos Trailer für kommende Filmstarts zu zeigen.Die französische Filmindustrie war mit 300 Filmproduktionen und 200,5 Millionen Kinobesuchern im vergangenen Jahr europaweit ebenfalls führend. Dabei kamen die heimischen Produktionen auf einen Marktanteil von 40 %. Doch das Filmfinanzierungssystem ist nach Ansicht von Beobachtern nicht mehr zeitgemäß und müsste dringend überarbeitet werden. Denn die Fernsehsender haben immer weniger Interesse, Kinofilme zu finanzieren. Trugen sie 2017 im Schnitt noch 35 % zum Budget von Spielfilmen bei, waren es 2018 nur noch 28,6 %. Die Probleme, mit denen einige Fernsehsender wie Canal+ kämpfen, sind einer der Gründe dafür.In Frankreich werden deshalb immer mehr Stimmen laut, die fordern, amerikanische Streamingdienste, Netflix und Amazon höher zu besteuern, um mit den Einnahmen französische Filmproduktionen zu finanzieren. Anne Flament, die bei der Bank Neuflize OBC für die Abteilung Kino und Filme zuständig ist, glaubt jedoch nicht, dass dies das Finanzierungsproblem lösen wird. Allerdings werden ihrer Ansicht nach Privatinvestoren bei der Filmfinanzierung in Frankreich keine so große Rolle spielen wie etwa in den USA. Denn sie investieren lieber in englischsprachige Filme, die sich leicht exportieren lassen. Dazu kommt ein anderes Problem: Nur sehr wenige Kinofilme sind rentabel. Präsident Emmanuel Macron hat gerade die Gründung eines Fonds von 225 Mill. Euro angekündigt, der zur Finanzierung von Kulturprojekten bestimmt ist. Die Kinoindustrie hofft, davon 80 Mill. bis 100 Mill. Euro abzubekommen.