WER GEHT, WER KOMMT

Frau am Steuer? Das wird!

Von Walther Becker, Frankfurt Börsen-Zeitung, 21.12.2019 Angela Merkel hatte sie einst ins Kanzleramt geholt. Künftig kämpft sie für die Interessen der deutschen Autoindustrie: Hildegard Müller geht bei der Branchenlobby VDA ans Steuer. Frauen ist...

Frau am Steuer? Das wird!

Von Walther Becker, FrankfurtAngela Merkel hatte sie einst ins Kanzleramt geholt. Künftig kämpft sie für die Interessen der deutschen Autoindustrie: Hildegard Müller geht bei der Branchenlobby VDA ans Steuer. Frauen ist im abgelaufenen Jahr auf breiter Front gelungen, in den obersten Etagen der Wirtschaft verstärkt Fuß zu fassen – aber noch nicht so stark in börsennotierten Unternehmen. Im ablaufenden Jahr stehen für den Aufstieg der Frauen Christine Lagarde bei der EZB, Kristalina Georgiewa, ihre Nachfolgerin beim IWF, oder Ursula von der Leyen als neue EU-Kommissionspräsidentin. Aber auch in anderen Bereichen macht das weibliche Geschlecht Boden gut: ob Silvia Schmitten-Walgenbach (Barclays) als Vorstandschefin des Verbandes der Auslandsbanken in Deutschland oder in der Männerdomäne der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, wo EY Julie Teigland zur Europachefin machte und Ute Benzel die Leitung des Geschäfts im deutschsprachigen Raum übertrug.Bei börsennotierten Gesellschaften ist in der Top-Liga mit Jennifer Morgan dieses Jahr ein Meilenstein gesetzt worden. Sie führt im Doppel mit Christian Klein SAP. Und Martina Merz wechselte vom Thyssenkrupp-Aufsichtsrat an die Vorstandsspitze. Ansonsten aber geben Männer weiterhin den Ton an. Bei Siemens scheidet Janina Kugel als Personalvorstand aus. Der Technologiekonzern hat aber angedeutet, dass Lisa Davis nicht die einzige Frau in der Führungsriege bleibt. Damit wäre Siemens eines von gerade fünf Dax-Unternehmen, die zwei Managerinnen im Vorstand zählen. Zwei sind bei der Telekom an Bord mit Claudia Nemat und Arbeitsdirektorin Birgit Bohle, bei der Allianz mit Jacqueline Hunt und Dr. Helga Jung, bei Daimler mit Renata Jungo Brüngger und Britta Seeger sowie bei SAP mit Adaire Fox-Martin und Morgan. Gerade drei Unternehmen werden von weiblichen CEOs geführt: Antje Leminsky ist Chefin von Grenke Leasing (MDax), Sonja Wärntges leitet den SDax-Wert DIC Asset und Angela Titzrath steht bei der ebenfalls im SDax geführten HHLA an der Spitze. Der Karrierenetzwerkbetreiber New Work, ehemals Xing, bekommt Ende Mai 2020 mit der bisherigen Lotto24-Chefin Petra von Strombeck eine neue Vorstandsvorsitzende. Sie löst im Mai 2020 Thomas Vollmoeller ab.Mehr als 60 % der Dax-Vorständinnen verantworten mittlerweile operative Einheiten, Regionen oder Finanzen. Vier Dax-Vorstandsfrauen sind inzwischen für Finanzen verantwortlich: Dessi Temperley (Beiersdorf), Melanie Kreis (Deutsche Post), Rachel Empey (Fresenius) und Helene von Roeder bei Vonovia.In Rage bringt männliche Manager und Politiker die Vorstellung einer gesetzlich vorgeschriebenen Frauenquote. Sie fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt, ungezwungen über Führungskräfte entscheiden zu können. Zwar ist der Frauenanteil in den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen seit 2005 von 1 % auf heute etwa 14 % gestiegen, doch in vielen anderen Industrieländern ist er deutlich höher: In den USA sind es 28 %, in Großbritannien 22 %. Im MDax sind weniger als 9 %, im SDax nicht einmal 5 % der Vorstände weiblich. Und die Vergütungen der Frauen legen stärker zu als die der Männer, wie die Berater von Odgers Berndtson berichten. Das Jahresgehalt einer Vorständin legte binnen fünf Jahren um 24 % auf im Schnitt 2,75 Mill. Euro zu, das der männlichen Kollegen um 8 % auf 3,68 Mill. Spitzenvergütungen erhielten 2018 Helga Jung von der Allianz mit 6,7 Mill. Euro und Belén Garijo (Merck) mit 6,1 Mill. Euro.——Weibliche Führungskräfte machen Boden gut, doch Börsenunternehmen haben Nachholbedarf.——