Rechtsformwandel

Fresenius löst Familienbande

Der Gesundheitskonzern Fresenius will zur Ertragsstärkung die Konzernstruktur vereinfachen. Ein erster Schritt ist die Umwandlung der Dialysetochter Fresenius Medical Care von der KGaA in die Rechtsform der AG. Ein komplexes Vorhaben mit weitreichenden Folgen.

Fresenius löst Familienbande

Fresenius löst Familienbande

Dialysetochter Fresenius Medical Care wechselt zurück in die Rechtsform der Aktiengesellschaft – Komplexer Rechtsrahmen

Sabine Wadewitz, Frankfurt
Sabine Wadewitz, Frankfurt

Der Gesundheitskonzern Fresenius will zur Ertragsstärkung die Konzernstruktur vereinfachen. Ein erster großer Schritt ist die Umwandlung der Dialysetochter Fresenius Medical Care von der KGaA in die Rechtsform der AG. Ein komplexes Vorhaben mit weitreichenden Folgen.

Der Fresenius-Konzern steht vor einem folgenschweren Schritt. Mit dem geplanten Rechtsformwechsel der Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care (FMC) von der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) in die Aktiengesellschaft (AG) werden die Familienbande mit dem Dialysespezialisten gelockert. Es ist eine Rolle rückwärts nach 17 Jahren: Um im Dax zu bleiben und die Liquidität der Aktie zu fördern, hatte FMC im Jahr 2005 entschieden, die Vorzugsaktien in Stämme umzuwandeln. Über den Wechsel von der AG zur KGaA wurde damals garantiert, dass Fresenius ihren beherrschenden Einfluss mit Vereinheitlichung der Aktiengattung nicht verliert. Die KGaA ist traditionell eine Rechtsform, die vor allem deutsche Familienunternehmen schätzen – im Dax etwa Henkel und Merck.

Neue Satzung

Nachdem FMC in den vergangenen Jahren zunehmend zum Sorgenkind im Fresenius-Konzern geworden ist, soll nun die Abnabelung über den Rechtsformwechsel zurück zur AG eingeleitet werden. Es ist eines der ersten größeren Projekte des im vergangenen Herbst angetretenen neuen Fresenius-Chefs Michael Sen. Fresenius, mit 32% an der jüngst in den MDax abgestiegenen FMC beteiligt, will sich dadurch ein objektiveres Bilanzbild verschaffen. Gleichzeitig bleibt Fresenius Ankeraktionärin mit signifikantem Einfluss.

Der Rechtsformwechsel ist ein rechtlich sehr komplexer Vorgang, den Rahmen gibt das Umwandlungsgesetz vor. „Das Gesetz sieht einen klar definierten Weg vor, gepflastert mit vielen technischen Vorgaben“, sagt Tobias Greven, General Council von Fresenius, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Zentral ist der Beschluss der Hauptversammlung (HV), der „sorgfältig vorbereitet“ werden müsse.

Die Satzung von FMC muss grundlegend überarbeitet werden, erläutert Greven. Zudem verlange das Umwandlungsgesetz eine umfangreiche Information der Aktionäre. Hier geht es um einen breiten Adressatenkreis, zumal FMC auch in New York an der Börse notiert ist. So müssen die Beteiligten auch der US-Börsenaufsicht SEC die Thematik sauber erklären. Die vorzulegenden Unterlagen müssen teilweise von Wirtschaftsprüfern durchgesehen werden. „Das alles kostet Zeit. Bis zur ordentlichen Hauptversammlung im Mai wäre es nicht zu schaffen“, sagt der Chefjurist.

Dass Fresenius nach der im Juli geplanten außerordentlichen FMC-Hauptversammlung für den Abschluss des Formwandels noch einen Zeitraum bis zum Jahresende einräumt, liegt darin begründet, dass Anfechtungsklagen gegen den HV-Beschluss nicht ausgeschlossen werden. Das könnte die Eintragung des Formwechsels ins Handelsregister etwas verzögern, wird befürchtet. „Das haben wir selbstverständlich zeitlich eingeplant“, sagt Greven. Ziel sei, den Formwechsel spätestens im vierten Quartal 2023 zu vollenden.

Auf der außerordentlichen Hauptversammlung müssen die Aktionäre auch den neuen Aufsichtsrat genehmigen. Er ist in der Aktiengesellschaft mit größeren Rechten ausgestattet als in der KGaA. Im Aktienrecht ist für Unternehmen in der Größe von FMC ein Aufsichtsrat mit zwölf Sitzen vorgesehen, erklärt Greven. Davon sind jeweils sechs mit Vertretern von Aktionären und Arbeitnehmern besetzt. Wie viele Plätze die Großaktionärin Fresenius für sich reklamieren wird, dazu gibt es noch keine Aussage.

Die operative Herauslösung selbst stellt sich weniger komplex dar. „Anders als man vermuten könnte, ist der Verflechtungsgrad zwischen Fresenius und FMC nicht sehr hoch“, unterstreicht Greven. Die gesellschaftsrechtliche Veränderung an sich wirke sich somit nicht gravierend darauf aus, wie die beiden Unternehmen agieren. „Und dort, wo es Kooperationen gibt, werden wir Wege finden, diese zum Vorteil beider Unternehmen fortzusetzen“, fasst es Greven diplomatisch zusammen.

Im Konzern seien auch andere Wege der Entflechtung geprüft worden, erläutert Greven. „Das haben wir uns sehr genau angeschaut.“ Der Rechtsformwechsel habe sich aber als einzige Option herausgestellt, bei der FMC nicht gezwungen wird, ihre Verbindlichkeiten von heute auf morgen zu refinanzieren. Alle anderen Wege hätten Change-of-Control-Klauseln ausgelöst und es den Gläubigern erlaubt, ihre Kredite fälligzustellen – was im aktuellen Zinsumfeld sicherlich herausfordernd gewesen wäre. Somit habe es keine sinnvolle Alternative zum Formwechsel gegeben.

Cash-Pool getrennt

Neben der rechtlichen Problematik des Rechtsformwandels stehen bilanzielle Aspekte im Vordergrund. In der Finanzierung seien Fresenius und FMC schon immer eigene Wege gegangen, erläutert Christian Wagner, Head of Corporate Finance von Fresenius. „Es gibt keine gemeinsame Finanzierung und keine wechselseitigen Garantien“, sagt er. Allerdings hatten beide Unternehmen einen gemeinsamen Cash-Pool, der aber im März 2023 getrennt wurde. Das sei schon vor einiger Zeit angestoßen worden, um Strukturen und Prozesse zu vereinfachen. „Das hat sich zufällig mit den Entflechtungsplänen überschnitten“, sagt Wagner.

Fresenius hat FMC bislang voll konsolidiert, obgleich die Beteiligung über die Jahre auf 32% abgeschmolzen ist. In der Bilanz sieht man dennoch die Summe beider Teile. Nach der Entflechtung wird Fresenius die FMC-Beteiligung dann at equity, also nur noch anteilig, konsolidieren.

In der Gewinn-und-Verlust-Rechnung von Fresenius macht das Geschäft von FMC derzeit rund die Hälfte des Umsatzes und des operativen Ergebnisses aus, obwohl der wirtschaftliche Ergebnisanteil, der auf die Fresenius-Aktionäre entfällt, geringer ist. Das bedeutet, dass FMC überproportional im Zahlenwerk von Fresenius vertreten ist. „Das wird mit dem Rechtsformwandel und der entsprechenden Dekonsolidierung verschwinden. Stattdessen wird Fresenius den anteiligen Ergebnisbeitrag von FMC im Beteiligungsergebnis unterhalb des Ebit erfassen“, erklärt Wagner.

Nennenswerte steuerliche Effekte aus der Trennung werden bei Fresenius nicht erwartet. In der Fresenius-Bilanz wird die Beteiligung an FMC künftig in den langfristigen Vermögenswerten zu finden sein. Der anzusetzende Buchwert hängt unter anderem vom FMC-Aktienkurs zum Zeitpunkt der Dekonsolidierung ab. Zur Frage, ob es einen nennenswerten Buchgewinn aus der Dekonsolidierung geben wird, äußert sich das Unternehmen nicht.

Da die KGaA als Rechtsform nicht verbreitet ist, gibt es wenige bekannte Umwandlungsfälle. Ein Beispiel ist die in-
zwischen vollständig im britischen Finanzkonzern HSBC aufgegangene ehemalige Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus & Burkhardt. Sie wurde 2006 von der KGaA in die AG gewandelt, um den Durchgriff des Großaktionärs zu stärken.

Stärkung der Minderheit

Aus Investorensicht wird die Entflechtung im Fresenius-Konzern begrüßt. Kristina Kern, ESG-Analystin im Portfoliomanagement von Union Investment, hebt hervor, dass die Zuständigkeiten des Aufsichtsrats der FMC gestärkt werden, was den möglichen Einfluss auf die Geschäftsführung erhöhe. Künftig ist der Aufsichtsrat für Bestellung und Abberufung des Vorstands zuständig. Kern weist mit Blick auf Aktionärsrechte darauf hin, dass sich mit dem Rechtsformwandel auch der Einfluss der Minderheitsaktionäre über die Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat ausweiten wird.

Bildunterschrift