Frontalangriff auf chinesische Apps
Die US-Regierung geht mit immer härteren Bandagen gegen chinesische Technologiefirmen vor. Nun sollen Chinas wichtigste soziale Medien Tiktok und Wechat vom US-Markt ausgeschlossen werden. Den Betreibern Bytedance und Tencent bereitet dies auf unterschiedliche Weise Kopfzerbrechen. Von Norbert Hellmann, Schanghai In einem weiteren Eskalationsschritt der Technologie- Streitigkeiten zwischen China und den USA hat Washington weitreichende Beschränkungsmaßnahmen für die Nutzung der beiden populärsten chinesischen Soziale-Medien-Apps, nämlich der Videosharing-Plattform Tiktok und des Messengerdienstes Wechat angeordnet. Eine von US-Präsident Donald Trump erlassene Verfügung (Executive Order), die binnen 45 Tagen in Kraft treten wird, soll nun dafür sorgen, dass die beiden chinesischen Internetriesen Bytedance und Tencent als jeweilige Betreiber von Tiktok und Wechat vom US-Markt gänzlich ausgeschlossen werden.Die präsidentielle Verfügung geschieht unter dem International Emergency Powers Act, der es ermöglicht, US-Bürgern und Unternehmen geschäftliche und finanzielle Transaktionen mit ausländischen Firmen zu verbieten. Derzeit ist noch nicht ganz klar, welche Tragweite die neue Verfügung hat, in jedem Fall aber müssen sich nach dem Telekomausrüster Huawei und anderen chinesischen Technologiefirmen, die mit Zulieferbeschränkungen konfrontiert sind, nun auch Internetdienstleister mit einer US-Blockade befassen. Ernste HerausforderungNachdem sich die US-Administration bereits gegen die in den USA mit 100 Millionen Nutzern äußerst populäre Tiktok-App wegen vermeintlicher Sicherheitsprobleme bei der Verwendung von US-Nutzerdaten warmgeschossen hatte, ist sie nun auch die in den USA praktisch nur unter chinesischstämmigen Nutzern verbreitet, die Wechat vor allem als Bindeglied zur Heimat und entsprechend wichtiges Kommunikationsinstrument ansehen. Die Betreiber Bytedance und Tencent stehen nun vor sehr unterschiedlichen Herausforderungen an ihr jeweiliges Geschäftsmodell.Bytedance sieht sich durch die US-Avancen in ihrer internationalen Expansionsstrategie schwer beeinträchtigt. Anfang August hatte Washington dem bislang nicht börsennotierten Start-up-Unternehmen die Pistole auf die Brust gesetzt. Trump verfügte, dass die Tiktok-Plattform nur dann einer sicherheitspolitisch motivierten Sperre entkommt, wenn sie bereit ist, den Tiktok-Dienst in den USA und eventuell einer Reihe von anderen Ländern an eine US-Adresse zu verkaufen. Hier wurde ebenfalls eine Frist von 45 Tagen gesetzt, damit laufende Übernahmeverhandlungen zwischen Microsoft und Bytedance in trockene Tücher gebracht werden können.Eine von Bytedance im Zweifelsfall präferierte Alternative könnte die Auslagerung von Tiktok an US-Finanzinvestoren sein. Dann wäre die Wachstumsstory von Bytedance künftig auf den chinesischen Markt beschränkt. Dort läuft Tiktok mit sehr ähnlichen Features unter dem Namen Douyin als eine von jungem Publikum rege genutzte und mittlerweile auch monetisierungsfähige Entertainment-App. Gleichzeitig betreibt Bytedance eine Reihe von weiteren Unterhaltungs- und Nachrichtenportalen.Während es schwerfällt, einzusehen, wie man mit der der von Tanzeinlagen, Tiervideos, Kochrezepten und anderen belanglosen Alltagsvergnügungen geprägten Tiktok-App sicherheitspolitisch anecken kann, untersteht die auf keinem Smartphone im Reich der Mitte fehlende Wechat-App Überwachungsmethoden, die für eine Säuberung von politisch sensiblen Themen und Offenlegung der Nutzeridentität sorgen. Inwiefern dies jedoch bei der geringen Verbreitung in den USA ein Sicherheitsrisiko darstellen soll, ist fraglich. Im Zweifelsfall geht es der Trump-Administration nicht darum, eine Sicherheitslücke zu stopfen. Vielmehr zielt man darauf ab, chinesische Internetdienstleister ihrer Globalisierungschancen und damit auch der Entfaltung von “Soft Power” zu berauben. Entsprechend wütend reagierte Chinas Außenministerium am Freitag und drohte damit, dass die “illegitime” Beschränkung von chinesischen Geschäftsinteressen Konsequenzen haben werde.Auch an Chinas Börsen zeigt sich die Stimmung von der neuerlichen Ausweitung des Technologiestreits am Freitag gedrückt. Die Aktie von Tencent rutschte in der Spitze um 10 % ab und erlitt einen Tagesverlust von 5 %. Tencent, die zur Wochenmitte als Nummer acht in der Welt auf einen Marktwert von 686 Mrd. Dollar kam, hat durch den US-Bann 35 Mrd. an Marktwert eingebüßt.