IM BLICKFELD

Für BAE könnte die Fusion mit EADS die beste Option sein

Von Carsten Steevens, London Börsen-Zeitung, 9.10.2012 Seit knapp vier Wochen wird der am 12. September bekannt gemachte Plan für einen Zusammenschluss von EADS und BAE Systems nicht mehr nur hinter den Kulissen sondiert, sondern auch von Kunden,...

Für BAE könnte die Fusion mit EADS die beste Option sein

Von Carsten Steevens, LondonSeit knapp vier Wochen wird der am 12. September bekannt gemachte Plan für einen Zusammenschluss von EADS und BAE Systems nicht mehr nur hinter den Kulissen sondiert, sondern auch von Kunden, institutionellen Anlegern und der Öffentlichkeit gedreht und gewendet. Bis morgen nach Börsenhandelsschluss in Europa sollen sich der größte Luftfahrtkonzern Europas und das größte europäische Rüstungsunternehmen verbindlich und im Detail zu ihrem Vorhaben äußern – so schreibt es der britische Übernahmekodex vor. Voraussetzung wäre jedoch, dass bis dahin die Regierungen Deutschlands und Frankreichs, die de facto das Sagen bei EADS haben, sowie die Regierung Großbritanniens, die über eine sogenannte Goldene Aktie bei BAE Systems eine Übernahme oder Fusion aus nationalem Interesse verhindern kann, im Streit über künftige Anteile Einigung erzielen und den rund 35 Mrd. Euro schweren Zusammenschluss gemeinsam befürworten. Eine Verlängerung der Frist ließe der britische Kodex zwar zu, doch würden damit die Erfolgschancen in diesem Verhandlungspoker nicht zwangsläufig steigen.Mit politischer Rückendeckung ließen EADS und BAE Systems, die bei Projekten wie dem Eurofighter und dem Raketenhersteller MBDA schon seit langem kooperieren, ihren Fusionsplan publik werden, der vorsieht, dass beide Unternehmen unter dem Dach einer Holding mit dualer Börsennotierung bestehen bleiben. EADS-Aktionäre sollen, so sieht es der Interessenausgleich vor, mit 60 %, BAE-Anteilseigner mit 40 % beteiligt werden. Seit der Veröffentlichung des Plans wurde aber auch deutlich, dass der Zusammenschluss zu einem europäischen Luftfahrt- und Rüstungskonzern nur zustande kommen wird, wenn sich nationale Interessen in Fragen der Standort- und Arbeitsplatzsicherung sowie der Sicherheit ausbalancieren lassen.Deutschland und Frankreich, die bislang durch eine Staatsbeteiligung sowie durch Anteile der Industrieunternehmen Daimler und Lagardère mit jeweils 22,5 % bei EADS entscheidenden Einfluss auf die Strategie des Unternehmens und die Besetzung der Führungsposten nehmen können, sind ebenso wie Großbritannien an einem Ausgleich interessiert. Auch deshalb hielten sich die drei Regierungschefs persönlich bisher öffentlich mit Forderungen in den Verhandlungen zurück.EADS-Vorstandschef Tom Enders und BAE-Chief-Executive Ian King warben zwischenzeitlich mit dem Argument für die Fusion, zusammen könnten die Unternehmen mehr leisten als getrennt. Das “logische Prinzip” hinter der Transaktion sei “Wachstum, nicht Verschlankung”. Der Airbus-Mutterkonzern EADS bekäme einen breiten Zugang zum amerikanischen Militärmarkt, in dem BAE einer der führenden Anbieter ist. BAE wiederum würde bei absehbar weiter schrumpfenden Staatsausgaben im weltweit wichtigsten Rüstungsmarkt der Zyklizität ihres Geschäfts mit einem Zugang zum knapp 500 Mrd. Euro schweren Orderbuch von Airbus im zivilen Luftverkehrsmarkt begegnen. Euphorie FehlanzeigeIn Euphorie sind die Aktienmärkte seit Bekanntwerden des Fusionsplans dennoch nicht verfallen – bei EADS noch weniger als bei BAE Systems. Dabei registrierte der britische Konzern zumindest am Tag der Bestätigung noch ein Aktienplus von gut 10 %. Warum aber sollte EADS in einen Markt wollen, dessen höchste Wachstumsraten inzwischen schon einige Jahre zurückliegen? Signalisiert der in den vergangenen fünf Jahren um rund 40 % gestiegene Aktienkurs nicht, dass Anleger davon überzeugt sind, EADS könne Probleme in der Serienfertigung des Jumbos A 380 und in der Entwicklung anderer wichtiger Flugzeugtypen mittel- bis langfristig in den Griff bekommen und auch die mit 2,3 % vergleichsweise geringe Umsatzrendite – BAE Systems bringt es auf 5,9 % – steigern? Zeigen nicht umgekehrt der um rund ein Drittel seit 2007 gesunkene Börsenkurs von BAE Systems und ein Umsatzverhältnis von einem Drittel zu zwei Dritteln an, dass die vorgesehene Anteilsquote von 40 % für die BAE-Aktionäre schon als generös anzusehen ist? Muss nicht der britische Konzern, der inzwischen bedauert, 2006 seine 20-prozentige Beteiligung am Airbus-Konsortium verkauft zu haben, eher als EADS an einem Zusammenschluss interessiert sein?Offiziell erklären beide Unternehmen, es bestehe jetzt “die Möglichkeit, aber nicht die Notwendigkeit” für eine Vereinigung. Äußerungen wie die des britischen Verteidigungsministers, Großbritannien werde den Deal blockieren, sollten Deutschland und Frankreich zu starken Einfluss erhalten, lassen hartes politisches Ringen um die Durchsetzung von Interessen erkennen, deuten jedoch nicht darauf hin, ob BAE auf einen Zusammenschluss mit EADS verzichten könnte. Eher lassen öffentlich artikulierte Zweifel wie die von Invesco, dem größten Einzelaktionär von BAE, an der Sinnhaftigkeit der Vereinigung aufhorchen.Die strategische Logik der Verbindung sei nicht verständlich, denn diversifizieren könnten Investoren selbst einfacher und günstiger, heißt es beispielsweise. Ebenso bedrohe der Zusammenschluss die ” einzigartige und privilegierte” Position von BAE im US-Rüstungsmarkt. Vorteile, die diese Gefahr verdrängten, seien nicht zu erkennen. Das von den Vorstandschefs Enders und King betonte Wachstum als Fusionsmotiv sei zwar wichtig, so der von der M & A-Boutique Ondra Partners beratene Asset Manager, es dürfe aber nicht zulasten von Cash-flow und Renditen gehen. So weit, so gut. Die unglückliche Akquisitionshistorie von BAE bzw. dem Vorgängerunternehmen British Aerospace mag weiteren Anlass für Warnungen geben. Fakt ist aber auch: Bei Unternehmen wie BAE spielen – dafür ist die Goldene Aktie ein Beleg – staatliche Interessen eine besondere Rolle, nicht nur mit Blick auf die nationale Sicherheit. BAE ist auch der größte Arbeitgeber in der britischen Industrie.Nun lässt sich spekulieren, was denn die Folgen für BAE sein könnten, sollte der Zusammenschluss mit EADS scheitern. Zurück zu “business as usual”? Die Geschäfts- und Umsatzbasis erweitern wie der US-Rivale Lockheed Martin? Angesichts rückläufiger Erlöse, die bereits einen Stellenabbau nach sich ziehen, und eines sinkenden Aktienkurses könnte sich aber schnell auch die Frage stellen, mit wem BAE statt mit EADS anbändelt. Vielleicht könnte der Konzern aufgespalten, das amerikanische Geschäft an einen möglichen Interessenten wie Northrop Grumman verkauft und das britische mit Rolls-Royce zusammengeführt werden? Sollte das schnell und mit einer ordentlichen Prämie geschehen, könnten sich Investoren wie Invesco freuen. Potenzielle Partner – oder besser: Käufer – könnten aber auch abwarten, bis sich die Lage für BAE angesichts der Abhängigkeit von westlichen Verteidigungshaushalten weiter verschlechtert hat. Im Interesse der britischen Regierung dürfte das kaum sein.