IM INTERVIEW: ROLF HABBEN JANSEN

Für Reedereien wird Tanken teurer

Der Hapag-Lloyd-Chef über die Folgen der Einführung neuer Emissionsgrenzwerte in der Schifffahrt

Für Reedereien wird Tanken teurer

Containerreedereien wird vorgeworfen, mit ihren Schiffen zu den Hauptverursachern klimaschädlicher Emissionen zu gehören. Von 2020 an müssen sie strengere Regularien einhalten: Im Treibstoff darf künftig statt 3,5 % nur noch 0,5 % Schwefel enthalten sein. Der Einsatz von schwefelarmem Kraftstoff treibt die Kosten, daher bereiten die Reedereien die Kunden auf neu berechnete Treibstoffzuschläge vor. Vorstandschef Rolf Habben Jansen erklärt den Ansatz von Hapag-Lloyd.- Herr Habben Jansen, wie viel Millionen Tonnen Treibstoff verbrennt die Schifffahrt pro Jahr auf hoher See?Die Schifffahrt insgesamt verbraucht weltweit in etwa 300 Mill. Tonnen Treibstoff pro Jahr. Was Hapag-Lloyd betrifft, so haben wir im letzten Jahr knapp 4 Mill. Tonnen Treibstoff getankt.- Wie viel Millionen Tonnen Schwefeloxid werden freigesetzt? Für welchen Anteil der klimaschädlichen globalen CO2-Emissionen ist der Schiffsverkehr auf den Weltmeeren verantwortlich?Was Schwefeloxid-Werte anbelangt, haben wir keine wirklich belastbaren Zahlen der Branche vorliegen. Allerdings betrug der durchschnittliche gewichtete Schwefelgehalt des von uns verwendeten Treibstoffs im letzten Jahr 2,26 % und lag damit unter dem zurzeit geltenden IMO-Höchstwert von 3,5 %. Was CO2-Emissionen insgesamt angeht, so beträgt der Anteil der Schifffahrt einer Hochrechnung zufolge weltweit weniger als 3 %.- Wie bewerten Sie die Umweltbilanz der Containerschifffahrt, etwa im Vergleich mit anderen Verkehrsträgern?Pro Tonnen-Kilometer stößt ein modernes Containerschiff der A19-Klasse von uns durchschnittlich 2,3 Gramm CO2 aus, ein Dieselzug mit etwa 35 Gramm CO2 gut 15-mal mehr und ein Lastkraftwagen mit 110 Gramm fast das 50-Fache dieses CO2-Wertes. Das sind schon sehr deutliche Unterschiede. Was den weltweiten Transport großer Mengen von Handelsgütern betrifft, gibt es keine Alternative zum Containerschiff: Es hat die beste ökonomische und ökologische Bilanz.- Einen Container von München nach Hamburg zu transportieren, kann teurer sein als der Frachttransport auf See von Hamburg nach China. Inwieweit kollidiert das Interesse der Exportnationen an einem funktionierenden günstigen Welthandel mit strengen Umweltschutzauflagen für die Schifffahrt?Der günstigere Preis ist im Wesentlichen ein Ergebnis des höheren Transportvolumens eines Containerschiffs im Vergleich zu einem Lastkraftwagen oder einem Güterzug und damit einer besseren Effizienz. Mit Blick auf einen funktionierenden Welthandel schaffen die regulatorischen Vorgaben der IMO (International Maritime Organization; die Red.) ja auch einheitliche Bedingungen für alle Marktteilnehmer. Das ist wichtig und macht die Schifffahrt zugleich umweltverträglicher.- Ende Oktober 2016 hat die IMO in London beschlossen, dass der Schwefelgehalt von Kraftstoffen für den internationalen Seeverkehr vom 1. Januar 2020 an nur noch bei höchstens 0,5 % liegen darf anstatt 3,5 %. Welche Bedeutung hat die Senkung dieses Grenzwerts für den Umweltschutz bzw. im Kampf gegen den Klimawandel?Die geringeren Schwefelgrenzen sind ein Teil von Umweltzielen, die durch die Internationale Schifffahrtsorganisation für die Schifffahrt definiert wurden. Sie zielen insbesondere darauf ab, den Feinstaubausstoß deutlich zu reduzieren. Den damit einhergehenden positiven und weitreichenden Einfluss auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen begrüßen wir sehr. Die erfolgreiche Umsetzung braucht jedoch auch funktionierende Kontrollmechanismen. Denn es muss gewährleistet sein, dass Marktteilnehmer auch angemessen sanktioniert werden, wenn sie sich nicht an die vorgegebenen Regeln halten.- Die Vorschriften bedeuten, dass Schiffe ihre Emissionen deutlich reduzieren müssen. Lässt sich der neue Grenzwert 2020 überhaupt branchenweit erreichen?Der Einsatz von Treibstoff mit niedrigem Schwefelgehalt wird die Schlüssellösung für die Schifffahrt und für Hapag-Lloyd sein. Denn kurzfristig ist es die umweltfreundlichste und praktikabelste Lösung, um die IMO-2020-Emissionsvorschriften zu erfüllen. Aktuell gehen wir davon aus, dass schwefelreduzierte Treibstoffe in ausreichender Menge verfügbar sein werden. Aus unserer Sicht war die Vorbereitungszeit ausreichend – eine Verschiebung des Einführungstermins oder die Einrichtung von Übergangsphasen halte ich nicht für zielführend.- Welche zusätzlichen Kosten für die Branche sind mit der Umstellung verbunden?Experten rechnen zurzeit mit anfänglichen jährlichen Mehrkosten von bis zu 60 Mrd. Dollar für die gesamte Schifffahrt.- Mit welchen zusätzlichen Kosten rechnen Sie für Ihr Unternehmen? Und über welchen Zeitraum?Ausgehend von einer Preisdifferenz zwischen schwefelreichem Treibstoff (HSFO) und schwefelarmem Kraftstoff mit 0,5 % Schwefelgehalt von 250 Dollar pro Tonne bis 2020, erwarten wir jährliche Mehrkosten für Hapag-Lloyd in Höhe von rund 1 Mrd. Dollar in den ersten Jahren.- Der einfachste Weg, die neuen Vorgaben einzuhalten, ist die Umstellung auf den schwefelärmeren Brennstoff, was aber die Kosten für den Bunkertreibstoff steigen lässt. Weitere Optionen sind der Einsatz eines Abgasreinigungssystems sowie die Umstellung auf Flüssiggas. Welchen Weg schlägt Hapag-Lloyd ein? Und welche Kosten sind mit den einzelnen Maßnahmen verbunden?Auf kurze Sicht ist die Umstellung auf den schwefelarmen Treibstoff die ökologisch und ökonomisch beste Lösung – dies gilt auch für Hapag-Lloyd. Darüber hinaus testen wir weitere Ansätze, wie Flüssiggas (LNG) oder Abgasreinigungssysteme. Die Kosten für den Einbau eines Abgasreinigungssystems liegen zwischen 7 und 10 Mill. Dollar pro Schiff. Die komplette Umrüstung eines großen und bereits auf die Nutzung von Flüssiggas vorbereiteten Schiffs kostet zwischen 25 und 30 Mill. Dollar. Insofern müssen wir auch hier mit deutlichen Mehrkosten kalkulieren.- Welche Rolle werden Entschwefelungsanlagen und LNG-getriebene Schiffe künftig für Hapag-Lloyd spielen, verglichen mit heute? Wie groß ist der Druck, Ihre Flotte umzurüsten?Umrüstungen auf Flüssiggas und Abgasreinigungsanlagen sind vergleichsweise komplex, zeit- und kostenintensiv, da die Schiffe dafür aus dem Betrieb genommen und in einer Werft umgebaut werden müssen. Darüber hinaus müssen sich diese Lösungen noch auf langen Strecken und im Langzeitbetrieb in der Containerschifffahrt beweisen. Die Nutzung des schwefelarmen Treibstoffs hingegen kann sofort und ohne Umbauten erfolgen. Insofern rechnen wir zurzeit damit, dass Flüssiggas und Abgasreinigungsanlagen nur für einen kleineren Teil unserer Flotte eine Rolle spielen werden.- Sie führen zur Berechnung des Bunkerzuschlags in der Seefracht einen neuen Mechanismus ein, der von 2019 an gelten soll. Was bewirkt er und wie unterscheidet er sich von bisherigen Zuschlägen?Die ursprünglichen Ansätze zur Berechnung von Treibstoffzuschlägen in der Schifffahrt passen nicht mehr in die heutige Zeit. Deshalb haben wir unser Vorgehen auf den Prüfstand gestellt und komplett überarbeitet. Herausgekommen ist ein Mechanismus, der alle bestehenden Treibstoffzuschläge ersetzt und der – wie wir finden – fair und verursachungsgerecht ist. Dieser Marine Fuel Recovery (MFR) Mechanismus ist im Kern eine einfache Kalkulation auf Basis von Treibstoffpreis, Verbrauch und transportierten Standardcontainern. Viele der dabei berücksichtigten Parameter leiten sich von einem repräsentativen Dienst im Markt für ein spezifisches Fahrtgebiet ab. Zugleich werden Preisschwankungen und Aufwärts- und Abwärtsbewegungen von Marktpreisen für Treibstoffe besser berücksichtigt. Den MFR-Mechanismus werden wir unseren Kunden jetzt im vierten Quartal vorstellen und dann ab dem 1. Januar 2019 schrittweise einführen.- Der dänische Branchenführer Mærsk ersetzt 2019 den Standard Bunker Factor (SBF) durch den Bunker Adjustment Factor (BAF). Wo liegen die Unterschiede zu Ihrem MFR-Mechanismus und warum passt dieser für Hapag-Lloyd besser?Bei unserem Marine-Fuel-Recovery-Mechanismus werden Rundreisen zugrunde gelegt anstelle von Einzelstrecken, da ein Dienst naturgemäß beide Richtungen fährt. Dadurch fallen für alle Container, die auf einem Dienst befördert werden, dieselben anteiligen Gesamtkosten an. Darüber hinaus berechnen wir nicht nur die Kosten für Treibstoff mit einem Schwefelgehalt von 0,5 %, sondern auch für Treibstoff mit 0,1 % Schwefelgehalt für den Betrieb von Schiffen in küstennahen Emissionskontrollzonen. So ist aus unserer Sicht in der Kalkulation genau ersichtlich, wofür unsere Kunden bezahlen. Insgesamt zielt die MFR auf eine transparente und einfach zu verstehende Kostenkalkulation ab.- Welche Auswirkungen ziehen die neuen IMO-Vorgaben für die Ertragslage von Hapag-Lloyd nach sich – 2018, aber vor allem auch in den kommenden Jahren?Unsere Ertragsziele für dieses Jahr gelten unverändert. Klar ist aber auch, dass unsere Treibstoffkosten gegen Ende des vierten Quartals 2019 steigen werden, sobald wir den teureren schwefelarmen Treibstoff tanken. Mit unserem Marine-Fuel-Recovery-Mechanismus haben wir ein System entwickelt, mit dem sich diese Kosten dann auch verursachungsgerecht in den Transportpreisen widerspiegeln können.- Mit welchen weiteren neuen Auflagen im Zusammenhang mit dem Klimawandel ist zu rechnen?Durch die IMO-Vorgaben für die Jahre 2030 und 2050 wurde ein anspruchsvoller Kurs für weniger CO2-Emissionen und eine umweltverträglichere Schifffahrt gesetzt. So möchte die IMO bis 2030 eine Senkung der Treibhausgase pro Einheit um 30 % erreichen. Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen um 50 % unter denen des Jahres 2008 liegen und zugleich 70 % alternative Treibstoffe verwendet werden. Vom Jahr 2100 an soll die Seeschifffahrt dann komplett emissionsfrei sein. Darüber hinaus wird erwartet, dass die Emissionskontrollzonen weiter ausgedehnt werden, also Küstengebiete, in denen Schiffe nur mit Treibstoffen betrieben werden, die einen maximalen Schwefelgehalt von 0,1 % haben.- Ist LNG langfristig als Hoffnungsträger oder Übergangslösung anzusehen? Welche Rolle könnten andere Technologien, zum Beispiel der Antrieb mit Wasserstoff-Brennstoffzellen, in Zukunft spielen?LNG hat einen vergleichsweise geringen Kohlenstoffanteil und scheint deshalb zurzeit sehr vielversprechend als Treibstoff. Auf lange Sicht könnten auch Wasserstoff oder Methanol Lösungsansätze bieten, allerdings stecken entsprechende Nutzungskonzepte mit Blick auf Marktreife und breite Anwendung in der Schifffahrt erst noch am Anfang. Hier zählen wir auf weitere Fortschritte in Forschung und Wissenschaft.—-Das Interview führte Carsten Steevens.