Gamesa ebnet Weg zur Komplettübernahme
Die Minderheitsaktionäre von Siemens Gamesa machen die vollständige Integration des Windturbinenbauers in den Mutterkonzern Siemens Energy möglich. In einer außerordentlichen Hauptversammlung in Madrid habe der Streubesitz, der noch 2,21% der Aktien hält, einer Kapitalherabsetzung zugestimmt, teilte Siemens Energy mit. Dies führt nach spanischem Recht zum Einziehen der Anteilscheine. Als Kompensation erhalten die Minderheitsaktionäre jene 18,05 € pro Aktie, die Siemens Energy auch im freiwilligen Kaufangebot 2022 offeriert hatte. Es seien 38,9% des Kapitals der Minderheitsaktionäre anwesend gewesen, hieß es. Die Kapitalherabsetzung sei von 98,2% gebilligt worden. Insgesamt hat Siemens Energy 4,05 Mrd. Euro für die Übernahme ausgegeben.
Gamesa ebnet Weg zur Komplettübernahme
Minderheitsaktionäre ermöglichen Integration in Siemens-Energy-Konzern – Gamesa-Chef Eickholt rechnet mit länger andauernden Verlusten der Branche
Siemens Energy kann die Tochter Gamesa komplett übernehmen. Die vollständige Integration sei möglich, weil die Minderheitsaktionäre in Madrid einer Kapitalherabsetzung nach spanischem Recht zustimmten, teilte der Konzern mit. Der künftige Alleineigentümer betont die Bedeutung des Turnaround-Programms.
mic München
Siemens-Energy-Vorstandsvorsitzender Christian Bruch bezeichnete die Entscheidung als wichtigen Schritt, um die vollständige Integration von Siemens Gamesa weiter voranzutreiben. Zugleich mahnte er weitere operative Fortschritte an: „Absolut wichtig bleibt aber auch die konsequente Umsetzung von Mistral, dem Turnaround-Programm von Siemens Gamesa, auch wenn sich bereits erste Erfolge abzeichnen.“ Gamesa-Chef Jochen Eickholt wird mit der Ankündigung zitiert, nun könne man sich voll und ganz darauf konzentrieren, die Performance zu verbessern und profitabel zu werden.
Die Profitabilität allerdings ist für Siemens Gamesa im laufenden Geschäftsjahr (30. September) noch kein Thema. Der Windturbinenhersteller rechnet mit einer Ergebnismarge vor Sondereffekten in der Größenordnung von −11%. Die Windkraftbranche bewege sich in einem schwierigen Umfeld, erklärte Eickholt vor kurzem vor Journalisten in Cuxhaven: „Alle Windturbinenhersteller schreiben rote Zahlen, manchmal mehr, manchmal weniger stark.“ Er persönlich glaube nicht, dass diese Zeit der Verluste von heute auf morgen vorbei sein werde.
Inflation frisst Marge
Für Siemens Gamesa habe die Kompensation von Inflation eine große Bedeutung, sagte Eickholt. Der Konzern sei stark im Bereich Offshore-Windturbinen engagiert. Da die Umsetzung derartiger Projekte für Anlagen auf dem Meer ein halbes Jahrzehnt dauern könne, seien sie häufig schon vor dem Jahr 2021 und damit vor Anspringen der Inflation vereinbart worden. Wie in der gesamten Branche üblich, seien auch von Siemens Gamesa Festpreise vereinbart worden: „Dies trifft uns angesichts der Preissteigerungen sehr.“
Die Probleme, die Siemens Gamesa in den vergangenen Quartalen immer wieder hatte, hätten vielerlei Ursachen, ist Eickholt überzeugt. Die Probleme seien zum Teil struktureller Art und spielten sich häufig auf der Arbeitsebene ab, wo sie nicht leicht zu erkennen seien. Die Arbeitsstandards in der Entwicklung seien zu oft nicht hoch genug gewesen. Außerdem seien die Unternehmensteile Gamesa und das Siemens-Windkraftgeschäft unmittelbar nach der Fusion 2017 nicht wirklich integriert worden.
Ein Beispiel für die Probleme auf der Arbeitsebene: In den Turbinen gebe es viele Schraubverbindungen, so Eickholt; sie seien an einigen Stellen nicht richtig dimensioniert gewesen. Dies sei nicht leicht zu erkennen, werde nun aber korrigiert – mit spürbaren finanziellen Folgen. „Ein Verzug im Projektgeschäft kann große Auswirkungen haben“, betonte Eickholt.
Das Fazit des Siemens-Gamesa-Chefs: „Wir haben vieles gemacht, aber wir müssen weiter unsere Hausaufgaben machen.“ Bruch sieht ebenfalls erhebliche Fortschritte: „Da werde ich nicht bei jedem Schlagloch nervös.“
Eickholt erkennt zugleich Handlungsbedarf für die Politik. Während die Regierungen ihre Ziele für den Ausbau der Windenergie immer weiter nach oben setzten, harrten zahlreiche angekündigte Vorhaben der Umsetzung. Beispielsweise sei die Zusage der EU im Herbst 2022, die Genehmigungsprozesse auf eine Maximaldauer von einem Jahr zu beschränken, noch nicht Realität geworden. Aktuell seien es weiterhin sieben Jahre für Offshore-Windparks. Landgestützte Anlagen benötigten drei bis vier Jahre. „Es ist an allen Stellen Bewegung erkennbar, aber noch sind wir nicht da, wo wir hinmüssen“, erklärte der Siemens-Gamesa-Chef mit Blick auf die Veränderungen der Verfahren auch in Deutschland.
Blick auf China
Die Folgen seien erheblich, betonte Eickholt. Bis vor kurzem seien in der EU Projekte mit einer Gesamtleistung von knapp 80 GW im Genehmigungsprozess gewesen. Man habe also Investoren, Lieferanten und Kunden, könne aber noch nicht bauen: „Das ist signifikant.“
Eickholt fordert auch, dass sich der alte Kontinent eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt: „Wir sollten Kompetenz und Kapazität in Europa halten.“ Bruch streicht heraus, dass der Windmarkt in China der größte der Welt sei. Momentan gilt zwar aus seiner Sicht: „Die chinesischen Firmen werden eine Weile dort gebunden sein, um den heimischen Markt aufzubauen.“ Trotzdem sehe man sie mittlerweile als Wettbewerber vor allem in Zentralafrika, in Asien und in Lateinamerika. Darüber hinaus sei in Europa zu erwarten, dass sich chinesische Anbieter im Südosten des Kontinents Marktanteile sicherten, ergänzte Eickholt. Verträge über Windanlagen von 1 GW seien in Europa bereits geschlossen. In Spanien entstehe gerade eine neue Batteriefabrik made in China.
Die chinesischen Turbinenhersteller funktionierten nach komplett anderen Prinzipien als die Unternehmen in Westeuropa, betonte Eickholt. Auch börsennotierte Unternehmen würden vielfach gefördert. Sie erhielten Innovationsfinanzierungen und würden beim Export unterstützt: „Das ist kein Level Playing Field.“
Insofern werde das Schicksal der hiesigen Fotovoltaikbranche von der Politik ein Stück weit als Bedrohungsszenario gesehen, sagte Eickholt. Bruch betonte ebenfalls, dass die Lehren aus der Fotovoltaikerfahrung, als chinesische Firmen die europäischen Anbieter vom Markt verdrängten, lauten müssten: „Augen auf.“ Trotzdem sei das Bild in der Windkraftbranche etwas anders als bei Fotovoltaik. Die Chinesen seien sehr gut darin, neue Fabriken aufzubauen und Lieferketten zu organisieren. Die Errichtung von Windrädern sei aber teils Anlagenbau vor Ort.