Geduldsprobe für ProSiebenSat.1-Aktionäre
jh München – Der Vorstandsvorsitzende von ProSiebenSat.1, Max Conze, hat auf der Hauptversammlung des Unternehmens die Aktionäre um Geduld gebeten. Seit seinem Arbeitsbeginn vor einem Jahr in der Konzernzentrale in Unterföhring bei München sank der Aktienkurs weiter von rund 25 auf 15,50 Euro. Das sei selbstverständlich nicht zufriedenstellend, sagte Conze. “Aber Sie müssen erst die Transformationsarbeit machen.” Er warb für seine Strategie, um den rasanten Wandel der Fernsehbranche zu bewältigen, den die Digitalisierung mit neuen Wettbewerbern wie Netflix, Amazon und Facebook forciert.Aktionäre kritisierten vor dem Hintergrund schwacher Geschäftszahlen mit einem gesunkenen Gewinn im vergangenen Jahr die um 60 % gestiegene Vergütung von 21 Mill. Euro für den Vorstand (vgl. BZ vom 25. Mai). Besonders die stolze Antrittsprämie von 3 Mill. Euro für Conze sei nicht nachvollziehbar, sagte Elisa Haralampides von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Ähnlich äußerte sich Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz: “Was ich nicht verstehen kann, sind die erheblichen Zahlungen, die geflossen sind.” Dem Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Brandt hielt sie vor, Geld zu locker an die Vorstände zu verteilen. Dabei sei ProSiebenSat.1 kein Unternehmen, das aus dem Vollen schöpfen könne. “Lernen Sie schon Italienisch?”Der Aktionär Johannes Witt wandte sich mit einem Gegenantrag gegen eine Wiederwahl Brandts: “Nur ein neuer Aufsichtsratsvorsitzender wird in der Lage sein, die Weichen neu zu stellen.” Witt, ein ehemaliger Aufsichtsrat der Deutschen Börse, plädierte auch dafür, alle Aufsichtsratsmitglieder nicht zu entlasten. In der Abstimmung erhielten diese gemeinsam eine Ja-Quote von 92,4 %. Brandt wurde mit 82,5 % als Aufsichtsrat wiedergewählt. Dies war das schlechteste Ergebnis aller Kontrolleure. Auffällig waren auch die weit unterdurchschnittlichen 84,8 % für die stellvertretende Vorsitzende Marion Helmes.Nach dem Einstieg von Mediaset vor zwei Wochen fragte Bergdolt: “Herr Conze, lernen Sie schon Italienisch?” Der niedrige Aktienkurs von ProSiebenSat.1 habe dazu geführt, “dass wir nun einen italienischen Großaktionär haben”. Conze wiederholte, das Engagement sei ein Vertrauensbeweis für das Unternehmen und die Arbeit des Managements, und fügte hinzu: “Wir sehen den Einstieg von Mediaset als Investment.” Sein Stellvertreter Conrad Albert ergänzte, angesichts eines Anteils von 9,6 % könne man nicht von einem Großaktionär sprechen. Er wies darauf hin, dass beide Unternehmen seit fünf Jahren zusammenarbeiteten. “Das ist unabhängig von der Gesellschafterstruktur”, betonte Albert.Redner unter den rund 950 Aktionären, die gut 51 % des Grundkapitals repräsentierten, fragten auch nach den Erfolgsaussichten der Streaming-Plattform Joyn, die ProSiebenSat.1 am kommenden Dienstag mit dem US-Partner Discovery starten will. Unter den zu Beginn mehr als 50 frei empfangbaren Sendern sind auch die von ARD und ZDF, nicht aber die der RTL-Gruppe. Conze bekräftigte, er sei offen für eine Zusammenarbeit mit dem Konkurrenten. “Wir werden immer mal wieder in Gesprächen sein”, kündigte er an. In vier bis fünf Jahren solle Joyn die Gewinnschwelle erreichen.Dieses Geschäft, an dem ProSiebenSat.1 und Discovery jeweils 50 % der Anteile halten, werde nicht konsolidiert, sondern zum Finanzergebnis gerechnet. Für dieses Jahr erwartet Conze einen anteiligen Verlust von 50 Mill. Euro und netto von 30 Mill. Euro. Für 2023 erhofft er sich von Joyn Werbeumsätze in dreistelliger Millionenhöhe. Kooperation mit FacebookAm Mittwoch verkündete das Management den Aktionären eine Zusammenarbeit mit Facebook. Für die Plattform Facebook Watch liefert ProSiebenSat.1 kurze Videos von Shows der Sender und produziert eigens Inhalte für den Partner. “Damit steigern wir unsere digitale Reichweite signifikant”, versprach Wolfgang Link, der Co-Chef der Unterhaltungssparte.