Rote Zahlen

Geschichtsträchtiger Verlust der Swatch Group

Der Schweizer Uhrenhersteller verzeichnet das erste Minus seit 37 Jahren. Die Digitalisierung des Handels erzwingt viele Ladenschließungen

Geschichtsträchtiger Verlust der Swatch Group

dz Zürich –

Das erste Coronajahr hat der Swatch Group mächtig zugesetzt. Die Verkäufe des Schweizer Uhrenherstellers sind als Folge der weltweiten Zwangsschließungen im Einzelhandel, der weitreichenden Reisebeschränkungen und anderer Faktoren um fast ein Drittel auf 5,6 Mrd. sfr eingebrochen. Wenig hilfreich ist auch die Aufwertung des Franken, in dem der Konzern seine Rechnung ablegt.

Als Folge muss die Swatch Group nun den ersten Verlust in ihrer jüngeren Geschichte ausweisen, ein Minus von 53 Mill. sfr. Das letzte Mal hatte das Unternehmen 1983 ein negatives Ergebnis gezeigt. Das war ein Verlust von 173 Mill. sfr, wie sich der 60-jährige Finanzanalyst René Weber von der Zürcher Bank Vontobel erinnert.

Die frühen 1980er Jahren waren eine schlimme Zeit für die Schweizer Uhrenhersteller. Die japanische Konkurrenz drohte mit ihren billigen Quarzuhren die Schweizer Traditionsbranche zu überrollen. Doch der damalige Firmenpatron Nicolas G. Hayek, der verstorbene Vater des aktuellen Konzernchefs Nick Hayek, parierte die Bedrohung mit Hilfe seiner talentierten Ingenieure mit noch mehr Innovation und Kreativität. Am 1. März 1983 wurde die erste Swatch den Schweizer Medien vorgestellt. Die Plastikuhr mit dem hippen Design und dem auf nur noch 52 Teile reduzierten Uhrwerk entpuppte sich als eine einzige Erfolgsgeschichte.

Dutzende von Millionen Swatches hat die Schweizer Fabrik an der deutsch-französischen-Sprachgrenze am Fuß eines markanten jurassischen Kalksteinhügelzuges in den vergangenen 37 Jahren ausgespuckt. Zwar verflachte der steile Aufstieg schon vor 20 Jahren, und bald darauf gingen die Verkaufszahlen sogar zurück. Doch so richtig gefordert wird die Swatch erst mit dem Siegeszug der Smartwatches.

Die digitale Revolution verändert auch den Handel. Das zeigt sich mit aller Deutlichkeit auch in den soeben veröffentlichten Swatch-Group-Zahlen. Der Konzern hat im zurückliegenden Jahr 384 Geschäfte geschlossen. Gemäß der Information von Finanzanalyst Weber zählte das eigene Ladennetz des Konzerns Ende 2019 noch rund 1800 Geschäfte. Weber schätzt, dass etwa ein Drittel dieser Läden spezifisch auf die Marke Swatch zugeschnitten war.

Der Handel mit solchen Uhren wandert nun zunehmend ins Internet ab. Die Swatch Group schreibt in ihrer gestrigen Mitteilung, der Umsatz aus Online-Verkäufen sei 2020 um 70% gestiegen und erreiche im mittleren und unteren Preissegment inzwischen einen Anteil von 20% bis 30%. Doch Weber schätzt, dass die Swatch Group bis vor kurzem noch um die 60% aller Verkäufe ihrer berühmten Plastikuhr über den stationären Handel realisiert hat. Deshalb geht er davon aus, dass von den 2020 geschlossenen Läden die meisten sogenannte „Swatch Stores“ betreffen.

Für das laufende Jahr gibt sich der Konzern wie gewohnt zuversichtlich. Es bestehe ein starker Nachholbedarf, der durch eine Aufhebung der Reisebeschränkungen zusätzlich gesteigert werden sollte. Es bestünden deshalb „gute Chancen“, dass sich die Verkäufe 2021 unter Ausklammerung von Wechselkurseffekten jenen aus dem Jahr 2019 „annähern“ könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste die Swatch Group 2021 allerdings weit über einem Drittel mehr Umsatz erzielen.

Die Hayeks wären freilich nicht die Hayeks, wenn sie bei aller optimistischen Rhetorik nicht doch auch vorsichtig blieben. Die Ausschüttung an die Aktionäre soll angesichts des Verlustes um ein Drittel auf 3,50 sfr pro Inhaberaktie beziehungsweise um rund 150 Mill. sfr auf noch etwa 260 Mill. sfr sinken. Zu berücksichtigen gilt es dabei, dass der Konzern auch in dem miserablen Jahr netto noch immer 819 Mill. sfr aus der operativen Geschäftstätigkeit eingenommen hat und so den Bestand an liquiden Mitteln um 24% Prozent auf 1,7 Mrd. sfr zu steigern wusste.

Wertberichtigt Seite 8

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