RECHT UND KAPITALMARKT

Gesetz gegen Überhitzen des Immobilienmarkts

Referentenentwurf sieht Instrumentarium zur Beschränkung der Wohnimmobilienkreditvergabe vor

Gesetz gegen Überhitzen des Immobilienmarkts

Von Martin Heuber und Elmar Günther *)Die Tinte unter dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ist gerade getrocknet und die Diskussion um dessen Reformbedürftigkeit in vollem Gange. Schon plant der Gesetzgeber den nächsten, letztlich noch weitreichenderen Eingriff: Das Bundesfinanzministerium hat am 31. Oktober 2016 das Aufsichtsrechtsergänzungsgesetz – abgekürzt “FinErg Wohn” – im Referentenentwurf vorgelegt. Das Ministerium reagiert damit auf eine Empfehlung des Ausschusses für Finanzstabilität (AFS) der Bundesregierung, wonach zusätzliche Instrumente für die Bankenaufsicht mit Blick auf die Vergabe von Wohnimmobiliendarlehen eingeführt werden sollten.Ziel dieses Gesetzes ist, bei einer vom Wohnimmobilienmarkt ausgehenden Bedrohung der Finanzstabilität mit den Mitteln des Aufsichtsrechts reagieren zu können. Dafür soll der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Instrumentarium zur Regulierung der Wohnimmobilienkreditvergabe durch Kreditinstitute, Versicherungen und Investmentvermögen an die Hand gegeben werden. Keine der Maßnahmen – insbesondere nicht das im Entwurf vorgesehene Set neuer Kennzahlen – soll nach dem Willen des Gesetzgebers sofort gelten, sondern erst im Krisenfall durch die BaFin aktiviert werden können.Was scheinbar als trockenes Aufsichtsrecht daherkommt, betrifft den Eigenheimerwerber und jeden, der mit dem Kauf einer kreditfinanzierten Wohnimmobilie für das Alter vorsorgen will, ebenso wie die Branche der professionellen Immobilieninvestoren. Selten hatte ein aufsichtsrechtliches Gesetzesvorhaben das Potenzial, Lebensentscheidungen des Einzelnen derart unmittelbar zu beeinflussen, berührt es doch grundlegende Fragen: Wie viel Eigenkapital muss der Immobilienerwerber mitbringen? Wie hoch hat das Einkommen im Verhältnis zur Annuität zu sein? Welche maximale Laufzeit darf eine Immobilienfinanzierung haben? Zudem betreffen die Regelungen nicht nur jeden Käufertyp, sondern erstrecken sich auf jede Finanzierungsquelle und gelten neben Banken für Versicherungen und bestimmte Fonds. Auch ausländische Kreditinstitute sollen von den Regelungen erfasst werden, wenn sie grenzüberschreitend Geschäft betreiben oder mittels einer Zweigniederlassung in Deutschland tätig werden.Auch wenn es sich um einen Referentenentwurf handelt und die künftige Rechtslage noch in vielen Aspekten ausfüllungsbedürftig ist, gibt der Entwurf bereits Anlass für drei Forderungen:1. Eindeutige Ausnahme für Refinanzierungen nötigBeschränkungen der BaFin müssen einer eindeutigen Refinanzierungsausnahme unterliegen. Die Refinanzierung bestehender Immobilienfinanzierungen darf durch Maßnahmen der BaFin nicht beschränkt werden. Der Referentenentwurf sieht zwar eine mögliche Ausnahme für Anschlussfinanzierungen vor. Er lässt aber offen, ob damit nur Refinanzierungen beim selben Kreditgeber oder auch mit einem neuen Kreditgeber möglich sein sollen. Die Ausnahme ist derzeit außerdem als “Kann”-Regelung vorgesehen – die BaFin kann im Eingriffsfall für Refinanzierungen Ausnahmen erlauben oder aber auch davon absehen.Der Gesetzgeber muss sich bewusst sein, dass ohne eine klare Refinanzierungsausnahme das Gesetz Gefahr läuft, schon jetzt – also nicht erst dann, wenn die BaFin Maßnahmen ergreift – unmittelbare Auswirkungen auf das Finanzierungsverhalten der Kreditwirtschaft zu haben. Keine Bank wird Darlehen ausreichen, die sich nicht refinanzieren lassen. Auch wenn der Gesetzgeber dies erklärtermaßen nicht beabsichtigt, werden Banken unter Umständen frühzeitig auf die eigentlich für den Krisenfall bestimmten Grenzwerte schauen, um sicherzustellen, dass der Kreditnehmer bei Fälligkeit am Markt einen Anschlusskredit erhält. Dies hätte zur Folge, dass die Begrenzungen nicht erst in der Krise wirken, sondern bereits heute Auswirkungen auf die Kreditvergabepraxis haben. Schon heute wäre mancher Immobilienkauf nicht mehr ohne weiteres finanzierbar oder nur mit mehr Eigenkapital, einem höheren Einkommen oder einer kürzeren Laufzeit.Nur eine eindeutige Refinanzierungsausnahme, die nicht von einer Ermessensentscheidung der BaFin abhängt, vermag die nötige Sicherheit für das erwünschte Marktverhalten zu erreichen. Eine solche Ausnahme fügt sich durchaus in die Systematik des Referentenentwurfs ein, der etwa auch Darlehen für den Aus- und Umbau von Wohnimmobilien vollständig aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausnimmt.2. Kennzahlen für die Kreditvergabe verwirrenDer Kern des Vorhabens, die bei der Kreditvergabe zu beachtenden Kennzahlen, bedarf einer näheren Abstimmung auf die bestehende Darlehensvergabepraxis der Kreditwirtschaft, will man nicht unerhebliche Friktionen vermeiden. Zu dem Kennzahlen-Instrumentarium, das der BaFin an die Hand gegeben wird, zählen die Vorgabe eines Zeitraums, binnen dessen ein Bruchteil des Darlehens getilgt sein muss, sowie maximale Laufzeiten bei endfälligen Darlehen (sogenannte Amortisationsanforderung). Weiterhin soll eine Obergrenze für das Verhältnis von Darlehensmitteln zum Marktwert der zu finanzierenden Immobilie gesetzt werden entsprechend der bekannten Loan-to-Value-Ratio, also ein begrenzter Beleihungsauslauf.Als weitere Kennzahl soll das Verhältnis aller fällig werdenden Zins- und Tilgungsleistungen aus Verbindlichkeiten zum Einkommen im identischen Zeitraum als sogenannte Schuldendienstfähigkeit nach oben begrenzt werden, wenn es sich beim Darlehensnehmer um eine natürliche Person handelt. Für juristische Personen soll eine Untergrenze des Verhältnisses von Mittelzufluss zu Zins- und Tilgungsleistungen als sogenannter Schuldendienstdeckungsgrad vorgegeben werden können. Zudem soll das Verhältnis von allen Tilgungsverbindlichkeiten zum Einkommen beziehungsweise zum Mittelzufluss, gerechnet auf den identischen Zeitraum, gedeckelt werden.Alle diese Kennzahlen sind in der einen oder anderen Form in der Praxis der Kreditwirtschaft schon heute bekannt, werden allerdings in sehr unterschiedlicher Häufigkeit und von dem Entwurf abweichender Ausprägung eingesetzt. Nach dem Referentenentwurf soll nun etwa bei endfälligen Darlehen der Schuldendienstdeckungsgrad unter Hinzurechnung eines auf die Darlehenslaufzeit verteilten fiktiven Tilgungsbetrages berechnet werden – eine Regelung, die mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Gerade im Krisenfall wird es darauf ankommen, dass die Kreditvergabe nicht durch unerprobte und in ihren Einzelheiten unübliche Berechnungsmethoden zusätzlich verzögert und erschwert wird. Dem Ziel des Gesetzes ist am meisten dadurch gedient, ein für die Kreditwirtschaft handhabbares, weil grundsätzlich bekanntes Instrumentarium bereitzustellen. Ob dafür ein Nebeneinander von vier Kennzahlen erforderlich ist, erscheint mehr als fraglich.3. Gefahr der Verknappung von WohnimmobilienNicht adressiert wird durch den Gesetzesentwurf, dass eine Beschränkung der Finanzierungen für Bauträger und Projektentwickler zu einer nachhaltigen Verknappung von neu errichteten Immobilien führen könnte und die Überhitzung des Immobilienmarktes oder einiger Segmente durch Preissteigerungen womöglich geradezu befördert. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass das Verhältnis zwischen Bankenregulierung und Lenkung des Wohnimmobilienmarktes durch das Vorhaben womöglich noch nicht zu Ende gedacht ist. Angesichts fehlenden Wohnraums muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Gesetz nicht die Wohnraumknappheit befördert.Der Referentenentwurf geht selbst davon aus, dass derzeit keine Krise im Wohnimmobilienmarkt bevorsteht. Warum man daher nicht abwarten wollte, wie sich die erst im März dieses Jahres in deutsches Recht umgesetzte Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf die Finanzierung von Wohnimmobilien auswirkt, leuchtet kaum ein. Es bleibt zu hoffen, dass im Gesetzgebungsverfahren eine enge Abstimmung mit der Praxis stattfindet und eine eindeutige Refinanzierungsausnahme aufgenommen wird, um zu vermeiden, dass sich das Finanzierungsumfeld für Wohnimmobilien nachhaltig eintrübt.—-*) Dr. Martin Heuber ist Partner, Elmar Günther Of Counsel der Kanzlei Mayer Brown in Frankfurt.