GFT Technologies stellt künstliche Intelligenz in den Fokus
Im Gespräch: Marco Santos
GFT Technologies legt Fokus auf künstliche Intelligenz
Der neue CEO über den Weg zum KI-zentrierten Unternehmen, Dämpfer für die Rentabilität und M&A-Aktivitäten
sar Frankfurt
Künstliche Intelligenz soll bei dem Softwareunternehmen GFT Technologies in den nächsten Jahren fester Bestandteil des Angebots werden. Um stärker als Wettbewerber von Entwicklungen zu profitieren, setzt CEO Marco Santos auf effiziente Organisationsstrukturen und will ein KI-zentriertes Unternehmen schaffen.
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt
Für Marco Santos stehen derzeit viele Veränderungen an. Im vergangenen Juli ist der 49-Jährige zunächst als Co-CEO von GFT Technologies in eine Doppelspitze neben Marika Lulay eingetreten, deren Vertrag zum Jahresende ausgelaufen ist. Seit Jahresanfang ist Santos alleiniger CEO des SDax-Mitglieds mit Hauptsitz in Stuttgart. Das Gespräch mit der Börsen-Zeitung führt der Brasilianer auf Englisch, beim Deutschlernen steht er nach eigenem Bekunden „noch ganz am Anfang“.
Wie bei vielen Unternehmen aus dem Technologie- und Softwareumfeld liegt auch bei GFT Technologies der Schwerpunkt zurzeit klar auf Anwendungen mit künstlicher Intelligenz. „Jeder arbeitet an KI-Lösungen“, sagt Santos. Um sich abzugrenzen, sei daher eine agile, rasch handlungsfähige Organisation entscheidend: „Wir müssen schneller in die Umsetzung kommen als der Wettbewerb.“
Neues Group Technology Office
GFT Technologies will bis 2029 „vollständig KI-zentriert“ werden. Dies bedeute, die operativen Vorteile von KI sowohl intern zu nutzen, als auch in den Lösungen für Kunden anzubieten, erklärt Santos. Den Erlös will das Unternehmen bis 2029 auf rund 1,5 Mrd. Euro steigern, davon sollen 9,5% als um Sondereffekte bereinigtes Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) hängen bleiben. Im Geschäftsjahr 2024 legte der Umsatz um 10% auf 871 Mill. Euro zu, das um Sondereffekte bereinigte Ebit stieg um 6% auf 77 Mill. Euro.
Neben den finanziellen Mittelfristzielen hat sich Santos auch strukturelle Veränderungen vorgenommen. Besonders wichtig ist ihm Anpassungsfähigkeit: „Wenn es spannende technologische Durchbrüche gibt, müssen wir umgehend eine Vorstellung davon entwickeln, wie wir diese für uns nutzen können.“ Dafür hat Santos ein „Group Technology Office“ (GTO) eingerichtet, in dem die Chief Technology Officers aus den verschiedenen Geschäftsregionen zusammenkommen. „Sie verfolgen die Entwicklungen bei generativer künstlicher Intelligenz, Sprachmodellen und vielen weiteren Themen“, erklärt Santos. Das GTO berichtet direkt an den CEO und hält auch die Führungsgremien des Unternehmens auf dem Laufenden.
Jeder spricht über KI. Aber es fehlt oft noch die Idee, wie man dadurch tatsächlich geschäftlichen Mehrwert generieren kann.
Marco Santos, GFT Technologies
Ein Hoffnungsträger von GFT Technologies ist das Produkt „AI Impact“, das auf generativer KI basiert und dabei helfen soll, den Prozess der Softwareentwicklung zu beschleunigen. Zum Angebot gehören beispielsweise automatisierte Prompts für Code-Analysen, Schwachstellenprüfungen und Programmdokumentationen.
Für Santos liegt ein Schlüssel zu Wachstum darin, für die Kunden konkrete KI-Anwendungsfälle bereitzuhalten. „Jeder spricht über KI. Aber es fehlt oft noch die Idee, wie man dadurch tatsächlich geschäftlichen Mehrwert generieren kann. Das ist eine unserer Stärken“, sagt der CEO.
Zur Person: Marco Santos
Marco Santos begann 2011 als Country Manager bei GFT Brasilien, 2020 wurde er in den Vorstand der GFT Gruppe berufen. 2023 stieg er zum CEO von GFT Americas auf und leitete die Geschäfte in Nord- und Lateinamerika. Von Juli 2024 an agierte er zunächst als Co-CEO gemeinsam mit Marika Lulay, seit Jahresbeginn ist er Global CEO. Vor seinem Wechsel zu GFT Technologies arbeitete Santos für Tata Consultancy Services, Oracle, CPM Capgemini und Organic Inc.
Die Aktionäre der Stuttgarter dürften sehnlichst auf Wachstumsimpulse warten. Anfang 2022 stand die Aktie noch über 40 Euro, zuletzt bewegte sie sich um 20 Euro. Laut dem Finanzdatendienstleister Bloomberg empfehlen derzeit sechs Analysten die Aktie von GFT Technologies zum Kauf, Halten- oder Verkaufsempfehlungen gibt es nicht. Der durchschnittliche Zielkurs der Analysten liegt bei 33,25 Euro.
Für das laufende Jahr haben die Stuttgarter die Investoren auf Genügsamkeit eingestimmt: Zwar sollen die Umsätze 2025 weiter steigen, die Profitabilität aber voraussichtlich sinken. Die kurzfristigen Belastungen begründet der CEO mit höheren Investitionen, etwa in das Group Technology Office, sowie mit Maßnahmen zur Effizienzsteigerung. Auch dabei soll KI helfen. „Künstliche Intelligenz kann dazu beitragen, dass mehr Aufgaben erledigt werden, ohne dass ich dafür mehr Beschäftigte abstellen muss“, erklärt Santos.
Einsatz KI-gestützter Agenten
In übergreifenden Funktionen wie dem Finanz-, Marketing- oder Personalbereich sollen KI-gestützte Agenten die Abläufe schlanker gestalten. Insgesamt soll der Personalbestand von derzeit 12.000 Beschäftigten nicht schrumpfen, betont Santos – er rechnet eher mit steigendem Headcount. Allerdings müsse man darauf achten, das Wachstum in den richtigen Bereichen anzusiedeln.
Von 2026 an erwartet GFT Technologies wieder eine Verbesserung der Rentabilität. Das durchschnittliche organische Wachstum soll über den Zeitraum 2024 bis 2029 bei jährlich rund 8% liegen. Für 2025 rechnet GFT derzeit mit einem Umsatzplus von 7% auf rund 930 Mill. Euro. Das bereinigte Ebit wird bei 68 Mill. Euro erwartet, das wäre ein Rückgang um 12% im Vergleich zum Vorjahr und entspräche einer Marge von gut 7%.
Sophos-Integration abgeschlossen
Zu dem für 2029 angepeilten Umsatzziel soll auch anorganisches Wachstum beitragen. Etwa 15% der bis dahin angestrebten 1,5 Mrd. Euro sollen aus Zukäufen und vorherigen Investments in Assets generiert werden. Im vergangenen Jahr hat GFT sich in Südamerika mit dem bislang größten Zukauf verstärkt. Den Markt kennt Santos gut, er verantwortete für GFT bereits die Märkte Brasilien und Lateinamerika und leitete von 2023 an als CEO von GFT Americas die Geschäfte in Nord- und Lateinamerika.
Die mit 95 Mill. Dollar bewertete Übernahme von Sophos Solutions mit Hauptsitz in Kolumbien bezeichnet Santos als Meilenstein für das Unternehmen. „Es war die größte investierte Summe, aber auch die größte Integrationsaufgabe bisher.“ Etwa 1.600 Beschäftigte kamen neu zu GFT Technologies, das Sophos-Geschäft umfasste Tochterfirmen in verschiedenen Ländern. Die Integration in die Unternehmensstrukturen sind Santos zufolge gut ein Jahr nach der Übernahme mittlerweile abgeschlossen.
Kernzielgruppe Banken
Durch Sophos hat GFT Technologies das Kerngeschäft mit Finanzdienstleistern weiter ausgebaut, die zugekaufte Einheit ist auf IT-Dienstleistungen für Banken spezialisiert. Das unter Vorgängerin Lulay ausgerufene Ziel, die Erlössäulen von GFT Technologies zwischen Banken, Industrieunternehmen und Versicherungen stärker zu diversifizieren, will Santos dennoch beibehalten. Zuletzt entfielen 75% des Umsatzes auf Banken, 15% auf Versicherungen und 10% auf Industrieunternehmen. „In fünf Jahren werden die Umsätze stärker verteilt sein. Der Großteil des Geschäfts wird aber auch dann auf die Bankenbranche entfallen“, sagt Santos.
Für weitere Zukäufe kommen dem CEO zufolge Unternehmen infrage, deren Produkte eine hohe Spezialisierung und Wertschöpfungstiefe vorweisen. Besonders hart ist der Wettbewerb um attraktive Übernahmeziele laut Santos in Nordamerika: „Die Multiples sind dort höher als in Lateinamerika und Europa.“
Bezahlen will GFT Technologies etwaige M&A-Investitionen aus dem Free Cashflow, um Spitzen abzufedern können Kredite genutzt werden. Die Nettoverschuldung soll jedoch nicht über das Zweifache des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) steigen. Der Free Cashflow liegt laut GFT zurzeit bei etwa 5 bis 6% des Jahresumsatzes. Gemessen an dem für 2025 erwarteten Umsatzziel stünden somit jährlich knapp 50 Mill. Euro für Zukäufe zur Verfügung.