Insolvenzen

Gigaset versucht Neustart via Insolvenz

Der Schnurlostelefonhersteller Gigaset wagt mit einer Regelinsolvenz und einem Verfahren in Eigenregie einen letzten Rettungsversuch. Dem gingen mehrere gescheiterte Umbauprozesse voraus.

Gigaset versucht Neustart via Insolvenz

Gigaset versucht Neustart via Insolvenz

Regelverfahren für die AG des Telefonherstellers – Operative Einheit übt sich in Eigenregie

Von Stefan Kroneck, München

In der schwachen Konjunktur steigt die Zahl der Insolvenzen in Deutschland, wie zuletzt das Statistische Bundesamt feststellte. Zu den bekannten betroffenen Unternehmen gehört Gigaset. Dieser Tage teilte der Hersteller von Schnurlostelefonen und Smartphones ad hoc mit, dass das Amtsgericht Münster das Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen der Gigaset AG eröffnet habe. Die zuständige Justizbehörde bestellte als Insolvenzverwalter Markus Wischemeyer von der Kanzlei White & Case. Der Jurist verwaltete die börsennotierte AG bislang vorläufig.

Ende September vergangenen Jahres erreichte die Pleitewelle das Unternehmen. Die Firma mit Sitz in Bocholt beantragte seinerzeit wegen Zahlungsunfähigkeit die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens für die AG und eines Insolvenzverfahrens in Eigenregie für die operative Tochtereinheit Gigaset Communications GmbH. Letzteres ist eine Sanierung in Eigenregie. Gigaset versucht nach eigener Darstellung auf diese Weise, ihre wirtschaftliche Basis nachhaltig zu restrukturieren. Im zurückliegenden Herbst berichtete das Unternehmen hierzu über Fortschritte. Seit Ende Oktober sucht Vorstandschef Magnus Ekerot einen Investor, der frisches Kapital gibt. Das Beratungshaus Clearwater begleitet diesen Prozess. Wischemeyer und der Gläubigerausschuss unterstützen dies nach Unternehmensangaben. In ersten Gesprächen hätten mögliche Partner ein „deutliches Interesse“ bekundet. Für das Unternehmen könnte das wohl der letzte Hoffnungsschimmer sein.

Seit 2012 Penny Stock

Gigaset umfasste zuvor rund 850 Mitarbeiter mit Vertriebsaktivitäten in 50 Ländern. Nach der Pleitemeldung brach die Aktie von Gigaset um fast drei Viertel ein. Auf Tradegate notiert der Titel seitdem bei 3 Cent. Das entspricht einem Marktwert des Unternehmens von nur noch 4 Mill. Euro. Das Papier war 2012 auf Penny-Stock-Niveau abgerutscht. Gigaset gehörte zuvor mehrheitlich dem chinesischen Finanzinvestor Sutong Pan.

Als Hauptgrund der Zahlungsunfähigkeit bezeichnete die Gigaset-Führung im vergangenen Jahr einen „unerwarteten und erheblichen Umsatzrückgang im zweiten Halbjahr“. Die schwache Nachfrage habe sich „weiter zugespitzt“. Die Geschäftsführung berichtete von einer Kauf- und Konsumzurückhaltung in Europa. Das wirke sich negativ auf die Liquidität aus. Der Anfang 2023 von Bosch gekommene CEO Ekerot machte das frühere Management für die Misere mitverantwortlich: Gigaset sei es in den vergangenen Jahren nicht gelungen, den Rückgang im Kerngeschäft mit Schnurlostelefonen mit neuen Angeboten zu kompensieren. Ekerot folgte auf Klaus Weßing, der in den Ruhestand ging.

Mehrere Umbauten gescheitert

Vor drei Jahren verlegte die Gigaset AG ihren Sitz von München nach Bocholt. Die einst zu Siemens gehörende Firma schockierte die Anleger zuvor mit einer Serie von Erlös- und Ergebniswarnungen. Anfang September 2023 senkte Gigaset ihre Jahresprognose. Statt eines ursprünglich erwarteten Anstiegs bei Umsatz, operativem Ergebnis und freiem Cashflow warnte der Vorstand vor einem Rückgang. Nach zuletzt vorliegenden Zahlen verbuchte der Konzern im ersten Halbjahr 2023 bei einem Umsatz von 108 Mill. Euro einen operativen Verlust von 11 Mill. Euro und einen negativen freien Cashflow von 16 Mill. Euro.

Gigaset hat bereits mehrere gescheiterte Transformationsprozesse hinter sich. Jahrelang versuchten verschiedene Vorstände, die Firma ins Lot zu bringen. Die Resultate dieser Umbaustrategien waren jedoch mäßig. Das Smartphone-Konzept war angesichts der Dominanz von Apple und Samsung ohnehin ein Wagnis. Das Wegbrechen des Kerngeschäfts ging schneller voran, als neue Erlösbringer die Lage stabilisieren konnten. Immerhin schaffte es Gigaset, die Coronakrise zu überwinden. Allerdings setzten der Firma danach die hohe Inflation, steigende Zinsen und die Wirtschaftsflaute zu.

Der Schnurlostelefonhersteller Gigaset wagt mit einer Regelinsolvenz und einem Verfahren in Eigenregie einen letzten Rettungsversuch. Dem gingen mehrere gescheiterte Umbauprozesse voraus. Der Neustart dient dazu, den Fortbestand der als GmbH firmierenden operativen Tochtergesellschaft zu sichern.

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