Autonomes Fahren

GM kommt bei Robotaxi-Ambitionen vom Kurs ab

Die GM-Tochter Cruise soll nach dem Lizenzverlust für ihre Robotaxis in Kalifornien mit engerem Fokus den Neustart wagen. Für die einst hochfliegenden Zukunftspläne des Detroiter Konzerns beim autonomen Fahren bedeutet die Entwicklung einen schweren Schlag.

GM kommt bei Robotaxi-Ambitionen vom Kurs ab

GM kommt bei Robotaxi-Ambitionen vom Kurs ab

Tochter Cruise soll nach Unfällen und Lizenzentzug mit engerem Fokus den Neustart wagen – Produktion von neuem selbstfahrenden Modell auf Eis

xaw New York

Amerikas Automobilriesen werden beträchtlich kleinlauter. Auf den Vorstandsetagen in Detroit mussten hochfliegende Ambitionen in Bezug auf Elektroautos zuletzt weit nüchterneren Produktionszielen weichen – und General Motors erfährt auch auf einem anderen Zukunftsfeld herbe Rückschläge. Denn die Robotaxi-Tochter Cruise, mit der das Traditionsunternehmen einst um die Pole-Position im potenziellen Milliardenmarkt für autonomes Fahren mitfuhr, ist vom Kurs abgekommen.

Betrieb ausgesetzt

Die Krise braute sich nach mehreren Unfällen schon länger zusammen, vor genau einem Monat spitzte sie sich dann zu. Das kalifornische Department of Motor Vehicles (DMV) entzog Cruise die Erlaubnis zum fahrerlosen Betrieb, das Unternehmen setzte seinen Robotaxi-Service daraufhin in den gesamten Vereinigten Staaten aus. Nun die ernüchternde Botschaft: Cruise strebt zwar den Relaunch an, aber mit deutlich engerem Fokus.

War das Unternehmen, an dem GM mit rund 80% beteiligt ist, zuvor unter anderem in den Metropolen San Francisco, Phoenix, Austin, Houston und Miami am Start, will es sich nun auf eine einzelne Stadt konzentrieren. In einer Mail an Mitarbeiter vom Mittwoch legte sich Mo Elshenawy, der gerade angetretene Präsident und Chief Technology Officer von Cruise, laut Insidern weder auf einen genauen Einsatzort noch auf einen Zeitplan für die Wiederaufnahme des Betriebs fest.

Mitgründer und CEO Kyle Vogt hat Cruise verlassen. Foto: The Yomiuri Shimbun via AP Images.

Elshenawy stieg in dem Unternehmen auf, nachdem sich die Gründer Kyle Vogt und Dan Kan am Sonntag verabschiedeten. Vogt ist nach dem ehemaligen GM-Präsidenten Dan Ammann bereits der zweite CEO binnen zwei Jahren, der Cruise verlässt. Neben Elshenawy soll bei dem Start-up nun erneut ein Mann aus Detroit nach dem Rechten sehen: Der oberste GM-Rechtsberater Craig Glidden übernimmt die Rolle des Co-Präsidenten und die administrative Leitung des Start-ups.

Der Mutterkonzern betont, er halte an Cruise und der Kommerzialisierung der Robotaxi-Technologie fest. Das Start-up war seit 2016, als GM 1 Mrd. Dollar in den damaligen 40-Mann-Betrieb investierte, integraler Bestandteil der Bemühungen des Autoriesen, sich als Tech-Konzern aufzustellen und Eindringlinge in den US-Automarkt abzuwehren. Seine Beteiligungen an Cruise baute er durch Finanzierungsrunden und einen Deal mit dem japanischen Mischkonzern Softbank in den Folgejahren noch einmal um 3,5 Mrd. Dollar aus.

Doch es entbrannte ein Positionskampf beim autonomen Fahren, bei dem GM nun ins Hintertreffen gerät: Die Google-Mutter Alphabet hat das Angebot ihrer Tochter Waymo in den vergangenen Monaten auf neue Städte und größere Gebiete ausgeweitet. Die Amazon-Einheit Zoox testet ihre Robotaxi-Dienste seit Juni in Las Vegas. Und Volkswagen schickt in Austin seit Juli autonome Modelle des E-Mikrobusses ID Buzz auf die Straße – ab 2026 sollen diese kommerziell unterwegs sein.

Autonome ID Buzz von Volkswagen sind bereits in Austin unterwegs. Foto: picture alliance/dpa | Marcus Brandt.

Die Beratungsgesellschaft McKinsey geht davon aus, dass Hersteller über autonome Fahrzeuge bis 2035 einen jährlichen Umsatz von 300 bis 400 Mrd. Dollar generieren können, nachdem die Erlöse im Segment 2022 noch bei 40 bis 50 Mrd. Dollar gelegen hatten. Die Technologie entwickelt sich rasant, nach Visionen von Ingenieuren wird der Mensch eines Tages nur noch in Extremsituationen gefragt sein. Das Robotaxi-Geschäft bietet Unternehmen dabei die Chance, ihre Präsenz im Markt für autonomes Fahren insgesamt zu stärken.

Von der Euphorie, die der GM-Aktie nach dem Einstieg bei Cruise eine Rally bescherte, ist zumindest in Detroit aber nicht mehr viel übrig. Die finanzielle Belastung durch die Tochter ist laut Analysten nicht mehr zu vernachlässigen: 2023 sammelte GM mit Cruise bis Ende September Verluste von 1,9 Mrd. Dollar an und damit so viel wie im gesamten Vorjahr. Die kumulierten Fehlbeträge seit 2017 belaufen sich auf über 8 Mrd. Dollar.

Konzern hält an Bolt fest

Infolge der Krise liegt nun auch der US-Start des bei GM gebauten fahrerlosen Taxis Cruise Origin auf Eis. Das Vehikel soll ab 2026 auch bei einem gemeinsam mit Honda in Japan lancierten Fahrdienst zum Einsatz kommen – Pläne, die nach Konzernangaben angeblich nicht gefährdet sind. Cruise soll nach dem angepeilten Neustart indes weiter umgebaute Chevrolet Bolt auf die Straße schicken.

Das Modell ruft bei Aktionären düstere Erinnerungen an die Elektro-Historie von GM wach. Ein 2021 erzwungener Rückruf lastete bis ins laufende Jahr auf den Finanzen, die Produktion des Bolt wollte der Autoriese bis Ende 2023 einstellen. Nach starken Verkaufszahlen soll der Bolt aber doch nicht in den Sonnenuntergang fahren – eine Wende, wie sie Cruise derzeit nur wenige Analysten zutrauen.

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