Autonomes Fahren

GM-Tochter Cruise stoppt fahrerlose Robotaxis

Mit den Robotaxis von Cruise hat es sich nach mehreren Unfällen und einem Verbot in Kalifornien erstmal erledigt. Man müsse das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherstellen, so die Firma. Das wird nicht gerade einfach.

GM-Tochter Cruise stoppt fahrerlose Robotaxis

GM-Tochter Cruise stoppt fahrerlose Robotaxis

Entscheidung folgt auf Verbot fahrerloser Fahrzeuge durch kalifornische Verkehrsbehörde – Vorwurf der Zurückhaltung von Videomaterial nach Unfall

Mit den Robotaxis von Cruise hat es sich erstmal erledigt. Nach mehreren Unfällen und einem Verbot in Kalifornien hat das US-Start-up entschieden, den Betrieb fahrerloser Autos vorerst komplett einzustellen. Man müsse das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherstellen, so die Firma. Das wird nicht gerade einfach.

kro Frankfurt

Die zu General Motors gehörende Robotaxi-Firma Cruise zieht nach diversen Unfällen ihrer selbst fahrenden Autos und einem darauffolgenden Verbot durch die kalifornische Verkehrsbehörde DMV vorerst die Reißleine. Man habe entschieden, "den fahrerlosen Betrieb bei sämtlichen Flotten proaktiv zu pausieren", teilte das Unternehmen mit, dessen autonom fahrende Autos zuletzt in San Francisco, Phoenix, Houston, Austin, Dallas und Miami unterwegs waren.

General Motors hatte Cruise im Jahr 2016 und damit drei Jahre nach der Gründung übernommen. Der US-Autobauer soll damals 1 Mrd. Dollar für das Start-up in die Hand genommen haben. 2019 hatte er sich an einer milliardenschweren Finanzierungsrunde bei Cruise beteiligt und im vergangenen Jahr eine Beteiligung des Tech-Investors Softbank an Cruise gekauft, wobei der Konzern nochmal insgesamt 3,5 Mrd. Dollar in das Start-up gesteckt hatte. Insgesamt hat Cruise bislang mehr als 8 Mrd. Dollar an Wagniskapital eingesammelt.

24/7-Betrieb hielt keine drei Monate

In diesem Jahr hatten das Unternehmen sowie Alphabets Robotaxi-Tochter Waymo im August von den kalifornischen Aufsichtsbehörden die Erlaubnis erhalten, ihren kommerziellen Betrieb in San Francisco auszubauen. Die Fahrgäste durften seitdem dort rund um die Uhr von den Robotaxis befördert werden.

Seitdem kam es allerdings zu einer Reihe von Unfällen mit den fahrerlosen Autos von Cruise. In einem Fall wirft das kalifornische Kraftfahrzeugministerium (DMV) der Firma vor, den entscheidenden Teil eines Videobeweises zurückgehalten zu haben. Cruise selbst weist das jedoch von sich und behauptet, das vollständige Video mehrfach gezeigt zu haben.

Das DMV sieht in den fahrerlosen Fahrzeugen von Cruise dennoch eine Gefahr für die Öffentlichkeit und hat dem Unternehmen zu Beginn der Woche die Lizenz für den Betrieb und weitere Tests in San Francisco entzogen. Am gleichen Tag hatte General Motors mitgeteilt, mit Cruise bislang im laufenden Jahr einen Verlust von fast 2 Mrd. Dollar eingefahren zu haben.

Die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA hatte ihrerseits im Zuge einiger Unfälle Untersuchungen gegen Cruise eingeleitet. Dabei sollen insgesamt fast 600 Fahrzeuge geprüft werden.

Skepsis in der Bevölkerung nimmt zu

Cruise selbst erklärte am Donnerstagabend, es sei "nun für uns das Wichtigste, Schritte einzuleiten, um das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederherzustellen". Man wolle sich jetzt "Zeit nehmen, unsere Prozesse, Systeme und Werkzeuge zu überprüfen". Die Entscheidung, den Robotaxi-Betrieb zu stoppen, habe nichts mit den jüngsten Unfällen zu tun, betonte das Unternehmen. Der Betrieb mit Fahrzeugen, in denen ein menschlicher Fahrer sitzt, soll zudem fortgesetzt werden.

Die Wiederherstellung des öffentlichen Vertrauens dürfte kein leichtes Unterfangen sein. Die Erlaubnis für die Ausweitung des Betriebs hatte im August Proteste ausgelöst. Kritiker halten die fahrerlosen Fahrzeuge nach wie vor für zu unsicher, in der Vergangenheit kam es immer wieder zu Zwischenfällen, in denen etwa Rettungseinsätze behindert wurden.

Unter Verbrauchern wächst entsprechend die Skepsis. Eine im Juli durchgeführte Umfrage des Marktforschungsunternehmens J.D. Power unter 3.000 US-Amerikanern hatte ergeben, dass das Vertrauen in vollautomatisierte, fahrerlose Fahrzeuge zum zweiten Mal in Folge gesunken ist. Auch hierzulande ist die Bereitschaft, in ein solches Fahrzeug zu steigen, noch nicht sehr ausgeprägt. Von gut 1.000 im Juli befragten Deutschen finden gerade mal 18% ein selbst fahrendes Auto reizvoll, wie aus einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Verbands der Automobilindustrie (VDA) hervorgeht. 64% können der Technologie bislang nichts abgewinnen.

Die Hersteller selbst weisen in dem Zusammenhang wiederum auf Statistiken hin, denen zufolge Robotaxis sicherer sein sollen als menschlich gesteuerte Autos. Mit Blick auf eine Million gefahrener Meilen durch fahrerlose Cruise-Autos habe sich etwa gezeigt, dass die Unfallwahrscheinlichkeit um 50% geringer sei, wie das Start-up Ende April mitgeteilt hatte. Die Studie hatte es in Zusammenarbeit mit dem University of Michigan Transportation Research Institute und dem Virginia Tech Transportation Institute erstellt. Eine ähnliche Studie hatte Waymo Anfang September präsentiert.


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