Googles Spielwiese wird eingezäunt
Von Sebastian Schmid, Frankfurt”Die Moonshot-Fabrik ist ein chaotischer Ort”, hat Astro Teller, Leiter von Alphabets X-Sparte, Anfang des Jahres bekannt. Teller dürfte die Beschreibung seiner Spielwiese als dickes Eigenlob verbuchen. In Interviews betont der “Captain of Moonshots” gerne, wie wichtig es sei, bei seinen Mitarbeitern das Denken “outside the box” anzuregen. Je kindischer und glücklicher sie seien, desto eher kämen innovative Ideen.Allerdings kann wohl auch der Zopfträger, der zuweilen auf Rollerblades durchs Büro rollt, nicht verhindern, dass sein chaotischer Ort eine neue Ordnung erhält. Nicht durch ihn, aber offenbar durch Finanzchefin Ruth Porat. Die 2015 von Morgan Stanley zu Alphabet gewechselte Zahlenexpertin soll sich bereits einen Spitznamen erworben haben. Die “unbarmherzige Ruth” sei bekannt dafür, jedes Projekt zu “killen”, das CEO Larry Page nicht begeistere, berichtete Bloomberg unlängst mit Verweis auf einen ehemaligen Topmanager des Konzerns. Der über Jahre ignorierte Pfad zur Profitabilität erhält unter Porat angesichts des hohen Verlusts (siehe Grafik) der unter “Sonstige Wetten” summierten Projekte neue Aufmerksamkeit.Viele Projekte erweisen sich als Fantastereien, und Googles neue Finanzchefin ist offenbar nicht gewillt, diese länger auf Kosten des Gewinns zuzulassen. Im Februar hatte Teller noch das Projekt Loon angepriesen, es könne 4 Milliarden Menschen das Internet bringen. Mittlerweile hängt das Projekt in den Seilen. Loon-Chef Mike Cassidy hat den Konzern im Sommer verlassen. Es war einer von vielen Rücktritten in kurzer Zeit. Tony Fadell von der Tochter Nest ging und nahm die Chefs von Anwenderdesign und Engineering des Datenbrillenprojekts Glass mit. Beim Drohnen-Projekt “Wing” wurden Projektleiter Dave Vos und seine Nummer 1 Sean Mullaney vor die Tür gesetzt. Auch Chris Urmson, Googles Chef des Projekts für autonomes Fahren, verließ den Konzern. Die Sparte X erlebt einen wahren Exodus.Für Urmsons überraschenden Abschied – er leitetet das Projekt seit 2009 – ist eine Erklärung diese Woche nachgeliefert worden. Googles autonomes Fahrgeschäft wird in eine Gesellschaft namens Waymo ausgelagert. Dem Vernehmen nach soll der Internetsuchdienst die physische Produktion eines Autos endgültig aufgegeben haben und nur autonome Fahrleistungen für Dritte anbieten wollen. Larry Page hat sich für das Fahren in einem Auto ohne Pedale und Lenkrad angeblich nie erwärmen können. Ein klassischer Fall für die “unbarmherzige Ruth”. Die Spielwiese wird weiter eingezäunt.