RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MARC STÖRING

"Gretchenfrage" des Datenschutzes: Wann sind Daten personenbezogen?

Generalanwalt schlägt im EuGH-Verfahren einen Mittelweg ein

"Gretchenfrage" des Datenschutzes: Wann sind Daten personenbezogen?

– Herr Dr. Störing, vor dem EuGH wird eine der wichtigsten Fragen der Informationsgesellschaft verhandelt (Az.: C 582/14): Wann unterfällt eine Information dem Datenschutz? Was steckt dahinter?Der Datenschutzrechtler Patrick Breyer verklagt die Bundesrepublik Deutschland wegen der Speicherung von IP-Adressen der Besucher auf bestimmten Webseiten des Bundes. Er sieht darin einen Datenschutzverstoß. Entscheidend ist dabei die Bedeutung des Begriffs der personenbezogenen Daten nach der europäischen Datenschutzrichtlinie. Gilt eine dynamische IP-Adresse für einen Webseitenbetreiber als ein personenbezogenes Datum, auch wenn der Webseitenbetreiber selbst nicht die Person hinter der IP-Adresse identifizieren kann? Davon hängt ab, ob und wie eine Speicherung von dynamischen IP-Adressen erlaubt ist.- Warum ist die Entscheidung so bedeutsam?Zum einen entscheidet der EuGH, ob eine IP-Adresse überhaupt ein Fall für den Datenschutz ist. Jedes mit dem Internet oder einem anderen Netzwerk verbundene Gerät agiert auf Basis einer IP-Adresse – relevant ist dies für Hostanbieter, Tracking Provider, App-Anbieter, Homepage- oder Webshop-Betreiber. Auf der zweiten Ebene wird die Gretchenfrage des Datenschutzrechts geklärt: Ab wann unterfällt ganz allgemein eine Information dem Datenschutz?Das Datenschutzrecht greift immer dann, wenn sich Informationen auf Menschen beziehen lassen. Die große Frage dabei ist aber, wer diesen Bezug herstellen können muss.- Wie ist das zu verstehen?Das illustriert der zu entscheidende Fall besonders schön: Solange der Webseitenbetreiber keine Login-Funktion oder Ähnliches eingebaut hat, kann er anhand einer IP-Adresse einen Besucher nicht eindeutig identifizieren. Ob IP-Adressen nun für den Webseitenbetreiber datenschutzrechtlich relevant sind, hängt von der Frage ab, ob es allein auf seine Fähigkeiten zur Identifizierung der Nutzer ankommt (relativer Ansatz) oder ob das Wissen Dritter auch eine Rolle spielt, zum Beispiel des Netzanbieters (absoluter Ansatz). Um die Lösung wird in Europa schwer gestritten: Viele Daten wären beim relativen Ansatz nicht vom Datenschutzrecht und seinen Einschränkungen erfasst, andererseits würde der absolute Ansatz zu einer extrem weiten Anwendung des Datenschutzrechts führen.- Klärt die kommende Datenschutzgrundverordnung die Frage?Leider nein. Klarheit bringt nun hoffentlich die EuGH-Entscheidung. Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona hielt es in seinem Schlussantrag für erforderlich, Daten auch bereits dann zu schützen, wenn nur ein Dritter in der Lage wäre, den Bezug zu einer Person herzustellen. Damit schlägt er einen Mittelweg ein: Es sei nicht jedes Wissen eines Dritten relevant. Aber zu beachten sei zumindest das Wissen auch solcher Akteure, die “vernünftigerweise durchführbar oder praktikabel” die Zusatzinformationen zum Personenzug liefern könnten.- Welche Folgen hätte eine Entscheidung in diesem Sinne?Weder Unternehmen noch Betroffenen wäre geholfen: Die alte Unsicherheit wäre ersetzt durch die neue Unsicherheit hinsichtlich der reichlich abstrakten Frage, was denn nun im Einzelfall vernünftigerweise durchführbar oder praktikabel wäre. Jedenfalls wären wohl IP-Adressen als personenbezogene Daten anzusehen. Hostanbieter, Tracking Provider, App-Anbieter, aber letztlich auf jeden Fall Homepage- oder Webshop-Betreiber müssten ihren Umgang mit IP-Adressen kritisch hinterfragen und eigene Interessen genauer definieren.- Zusätzlich hat der Generalanwalt eine deutsche Vorschrift zur Datenspeicherung in Frage gestellt.Das deutsche Telemediengesetz erlaubt nur eine Speicherung für die Nutzung oder Abrechnung eines Online-Angebotes. Diese Einschränkung hält Sánchez-Bordona erstaunlicherweise für europarechtswidrig und verlangt eine im Detail völlig unklare Interessenabwägung.—-Dr. Marc Störing ist Rechtsanwalt und Counsel im Kölner Büro von Osborne Clarke. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.