Größe ist im Anlagenbau Trumpf

Chinesen dürften in drei Jahren auf Europas Märkte drängen - Etablierte Anbieter müssen kooperieren

Größe ist im Anlagenbau Trumpf

Die wachsende Konkurrenz aus China stellt die westlichen Hersteller von Großanlagen, zu denen Linde, Siemens und ThyssenKrupp gehören, auch in ihren Heimatmärkten vor Herausforderungen. Für global tätige Anlagenbauer geht der Trend zur Größe.ds Mannheim – Chinesische Anlagenbauer, die durch den Boom im eigenen Land Jahr für Jahr an Technologiekompetenz gewinnen, dürften bald die Weltmärkte aufrollen. Zunächst würden die neuen Angreifer Indonesien, Thailand und Australien “mit chinesischen Anlagen überschwemmen”, sagte Reinhold Festge, der Präsident der Branchenlobby VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau), auf dem Engineering Summit in Mannheim. Dort treffen sich die Hersteller von Großanlagen zur Nabelschau.Danach dürften sich die Konkurrenten aus Fernost, die dafür bekannt sind, bei niedrigen Preisen mittlerweile auch hohe Qualität zu liefern und bei der Projektabwicklung höhere Risiken als die Europäer einzugehen, auf den Alten Kontinent stürzen. “Ab 2017 ist Europa dran”, sagte Festge. China sei gezwungen, im Ausland nach Wachstumsmöglichkeiten zu suchen – allein schon, um die Vielzahl der heimischen Fachkräfte zu beschäftigen. Die Volksrepublik bringt jährlich gut eine halbe Million neue Ingenieure hervor, in den USA sind es weniger als 100 000 pro Jahr. Lob für den AngreiferZudem treibe die Chinesen die Sorge an, dass das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts unter 7 % rutsche; die Regierung befürchte, dass dann die Wirtschaft mit dem Bevölkerungswachstum nicht mehr Schritt halte. “Wir müssen uns darauf einstellen, dass das Geschäft mit China noch härter wird”, so der VDMA-Präsident, der im Hauptberuf geschäftsführender Gesellschafter des Maschinenbauers Haver & Boecker ist. Auch dadurch, dass chinesische Maschinenbauer deutsche Konkurrenten übernehmen, spitze sich die Lage zu. “Es ist eine sehr intelligente Politik der Chinesen, deutsche Unternehmen aufzukaufen”, lobte der oberste deutsche Branchenlobbyist die Strategie des aufstrebenden Wettbewerbers. Um dem zu begegnen, müssten sich die Anbieter aus dem Westen verbünden. “Wir sollten Kooperationen mit Leuten aus der gleichen Region eingehen”, rief er den gut 300 Konferenzteilnehmern zu, die auch von französischen Konzernen wie Technip oder Alstom nach Mannheim kamen.Der Gasekonzern Linde ist einen anderen Weg gegangen. Die Münchner haben sich mit Koreanern verbündet. Der Dax-Wert hat bislang zusammen mit Samsung sechs Ethylenanlagen errichtet. Dass diese Strategie riskant ist, dessen ist sich Linde-Vorstand Aldo Belloni bewusst. “Ein solcher Partner ist in seiner Rolle sehr ehrgeizig”, umschrieb er die Tatsache, dass sich die Koreaner die Technik von den Deutschen abschauen und selbst die Nähe zum Kunden suchen. “Je häufiger Sie mit einem Partner in Konsortien arbeiten, desto mehr wächst er bei Technologiekompetenz und Kundenbindung”, so Belloni. Deshalb sei dieses Modell mit der Zeit nicht unproblematisch. Chancen im ServiceGrund zum Schwarzmalen sieht der Linde-Vorstand nicht. “Mir ist um die Zukunft des deutschen und westeuropäischen Anlagenbaus nicht bange”, erklärte er. Die zentrale Stärke der Westeuropäer im Allgemeinen und der Deutschen im Besonderen sei die Technologiekompetenz. Chancen hätten die Deutschen auch bei einem Ausbau des Servicegeschäfts. Erstens ließe sich dadurch der Bestelleingang in der hoch volatilen Branche über den Konjunkturzyklus stabilisieren, und zweitens bekomme man einen tiefen Einblick in den künftigen Anlagenbedarf des Kunden.Belebend wirkt für die Deutschen auch der Schiefergasboom in den USA. Gerade die Erfolge von deutschen Anlagenbauern in Nordamerika zeigten, dass sich Technologiekompetenz auszahle, sagte Belloni. “Es wird entscheidend darauf ankommen, dass wir schnell Abwicklungskapazitäten aufbauen, um am Schiefergasboom zu partizipieren.” Petrochemie stark umkämpftDas ist nicht ganz einfach, denn wegen der Vielzahl der Projekte sind in den Südstaaten der USA die Baukosten stark gestiegen. Im Petrochemieanlagenbau drängen zudem Ölfeldservice- und Bauunternehmen auf den lukrativen Markt. So hat der britische Ölfeldservice-Spezialist Amec Anfang des Jahres den US-amerikanischen Großanlagenbauer Foster Wheeler für 3,2 Mrd. Dollar gekauft, um vom Schiefergasboom in den USA und dem florierenden Petrochemiegeschäft im Mittleren Osten zu profitieren. “Schiere Größe wird auch im Großanlagenbau immer wichtiger”, konstatierte Belloni. Auch die Deutschen müssten die kritische Masse erhöhen. Daher müsse man sich nach Vertriebs- oder Kooperationspartnern oder gar Übernahmezielen umsehen.