"Größte Herausforderung ist die Digitalisierung"
– Herr Tomaszewski, nach starken Zuwächsen im ersten Quartal hat Ihr Geschäft in Europa im zweiten Quartal stagniert. In Amerika, wo Sie fast genauso viel umsetzen, war die Entwicklung umgekehrt. Welche Erklärung gibt es dafür?Die Entwicklung in Europa ist auf drei Gründe zurückzuführen. Erstens sind die Wachstumsraten im ersten Quartal in Europa numerisch recht hoch ausgefallen, weil wir 2013 sehr schwache Vergleichszahlen hatten. Zweitens hat die Konjunktur in Europa an Fahrt verloren. Das liegt unter anderem auch an den bekannten geopolitischen Auseinandersetzungen. Drittens lag Ostern 2013 am Ende des ersten Quartals, dieses Jahr hingegen vollständig im zweiten Quartal, was einen nennenswerten Effekt auf die veröffentlichten Zahlen in Europa gehabt hat.- Geht die negative Entwicklung in Europa so weiter?Wir sind gut in das dritte Quartal gestartet und mit dem Juli sehr zufrieden. Ich kann aber noch keine abschließenden Aussagen für das gesamte dritte Quartal oder gar für den Rest des Jahres machen.- Wie stark sind Sie in Russland engagiert?Wir sind dort vertreten, erzielen aber noch keine für die Konzerngruppe relevanten Umsätze. Eine weitere Eskalation des politischen Russland-Konflikts könnte allerdings auch negative Auswirkungen auf unser Europageschäft haben.- Warum wächst dann das Nordamerikageschäft so stark?Da hatte der strenge Winter das Geschäft im ersten Quartal gedämpft. Außerdem ist das Geschäft mit den bundesstaatlichen Einrichtungen zurückgekommen, welches im Vorjahr im Zuge der US-Haushaltskrise eingebrochen war. Dieser Bereich macht immerhin fast 10 % unseres Amerika-Umsatzes aus. Und unsere in 2012 erworbene Gesellschaft GPA wächst nun zum dritten Mal in Folge um 20 %.- In Europa erzielen Sie den größten Umsatzanteil im B2B-Geschäft mit Kunden, die Lager-, Betriebs- und Büroausstattungsgegenstände über Sie beziehen. In Nordamerika ist Ihre erfolgreichste Geschäftseinheit der Bereich Food Service Equipment. Sie beliefern dort zum Beispiel Caterer, Hotelketten und Fast-Food-Ketten. Wie kommt das?In der Tat beliefern wir in den USA und Kanada unsere Kunden auch mit Küchenöfen, Kühlschränken, kompletten Buffetaufbausets und so weiter. Das läuft sehr gut. Mit GPA verkaufen wir unter der Marke Displays2Go zudem auch Verkaufsförderprodukte aller Art, vorzugsweise über das Internet. Wir investieren gerne in Geschäfte, die eine fragmentierte Kunden- wie Lieferantenstruktur sowie eine sehr auskömmliche Marge aufweisen und im Distanzhandel von Gebrauchsgütern oder Spezialartikeln tätig sind. Wir sehen Takkt hier als ein Portfolio von Direct-Marketing-Spezialisten mit Fokus auf Geschäftskunden.- Da gibt es doch kaum Synergien mit Europa! Sie könnten doch Ihr europäisches Geschäft auch in den USA aufziehen und umgekehrt Ihr Food Service Equipment in Europa anbieten.Das tun wir zum Teil. In Europa bieten wir zum Beispiel unter der US-amerikanischen Marke Hubert auch unsere Dienstleistungen im Food-Service-Equipment-Bereich an. Andererseits ist unser Büromöbelgeschäft aus Europa nicht einfach so eins zu eins in die USA übertragbar. Unsere angebotene Produktpalette für Büromöbel in Amerika unter der Marke National Business Furniture ist aufgrund der unterschiedlichen Gewohnheiten und Trends deutlich anders.- Die Gewinnmargen in Europa sind höher als in Nordamerika. Hat das regionale Gründe, oder liegt es daran, dass die Geschäfte völlig unterschiedlich sind?Dies liegt in erster Linie daran, dass die Ertragskraft der sehr unterschiedlichen Geschäftsbereiche nicht direkt miteinander vergleichbar ist. Es hat aber auch mit Größenvorteilen zu tun. Desto mehr Umsatz über die gleiche Geschäftsinfrastruktur gemacht werden kann, umso höher fällt tendenziell die Profitabilität des entsprechenden Geschäfts aus.- Sie haben ja vor einiger Zeit mit Ratioform einen großen Versandhändler für Verpackungslösungen erworben. Auch damit planen Sie keine Expansion nach Nordamerika und bleiben in Europa?Ratioform ist derzeit in Deutschland und fünf weiteren europäischen Ländern vertreten. Wir haben in Europa noch viel Platz zu wachsen. Das ist in Nachbarländern leichter als bei einem Sprung über den großen Teich.- Sind für Sie Wachstumsmärkte wie China nicht interessant?Doch, mit unserer Marke Kaiser + Kraft sind wir zum Beispiel in China tätig. Die Umsätze sind aber noch aus Gruppensicht niedrig, die Infrastruktur etwa für den Erwerb oder die Miete von Firmenadressen noch nicht so ausgeprägt. Das ist ein langer Weg. Der Schwerpunkt unserer Entwicklung liegt woanders!- Wo denn?Unsere größte Herausforderung ist die Digitalisierung und das damit einhergehende Kundenverhalten. Der Anteil der E-Commerce-Aufträge am Gesamtvolumen liegt aktuell knapp unter 30 %. Hier können wir noch deutlich zulegen.- Welche Pläne haben Sie da?Vor dem Hintergrund der neuen Marktherausforderungen haben wir vor einem Jahr das “Dynamic”-Programm konzernweit ins Leben gerufen, das alle Sparten zu einem Multi-Channel-Plus-Unternehmen entwickeln soll. Multi Channel Plus bedeutet dabei für uns vor allem die Integration von vier verschiedenen Marketing- und Vertriebskanälen. Unser wichtigstes Instrument ist noch immer der gedruckte Katalog. Dessen Rolle wird sich im Zeitablauf jedoch ändern. Dazu kommen der Web-Shop, der Verkauf über Telefon und ein klassischer Außendienst, der sich vor allem um die Betreuung von Projekten oder Großkunden kümmert.- Das sind dann große Aufträge!In unserem Geschäft beginnt ein sogenannter Großauftrag bereits ab 50 000 Euro. Die Erstausstattung macht aber nur 10 % unseres Volumens aus. Der größte Teil unseres Geschäfts bleibt das Ersatzgeschäft. Das sind zum Beispiel ein Palettenhubwagen, ein Stahlschrank oder ein einzelner Bürostuhl. Der durchschnittliche Auftragswert liegt in unserem Geschäft knapp unter 500 Euro.- Und diese Waren werden heute im Vergleich zum Internet noch überwiegend aus dem Katalog bestellt?Ja, im B2B-Geschäft schon. Künftig wollen wir diese Nachfrage aber stärker integrativ bedienen und die für die Kunden bestmögliche Lösung anbieten. Bis 2016 soll “Dynamic” in allen Sparten umgesetzt sein. Das ist unsere Antwort auf die zunehmende Digitalisierung, die dazu führt, dass unsere Kunden über das Internet schon sehr gut informiert sind, bevor sie zum Beispiel die Bestellung nach kurzer Beratung über das Telefon aufgeben.- Welche Vorteile hat das für Sie? Ist hier die Kostenersparnis Ihr Hauptantrieb?Nein, ganz klar nicht. Multi Channel Plus bedeutet für uns auch, unser Sortiment auszubauen. Die Aufnahme weiterer Produkte ist im Web einfacher als im Katalog. Insgesamt ist die Multi-Channel-Plus-Initiative in erster Linie nicht ein Effizienz-, sondern ein Wachstums- und Modernisierungsprogramm.- Bei Ihrer Tochter Topdeq, die Designmöbel anbietet, gehen aber die Lichter aus. Sie schließen sie. Kommen da noch hohe Belastungen auf Sie zu?Ursprünglich hatten wir bis zur endgültigen Aufgabe des Geschäfts noch einmal mit Kosten von 2 Mill. bis 4 Mill. Euro im Gesamtjahr 2014 gerechnet. Nun werden es vermutlich weniger als 2 Mill. Euro sein, weil wir die noch vorhandenen Vorräte zu besseren Preisen verkauft haben als erwartet. Am 1. September ist Schluss. Der Großteil der Belastungen ist verdaut. Im dritten Quartal kommen allenfalls noch sehr geringe Kostenbelastungen dazu.- Haniel ist mit mehr als 50 % an Takkt beteiligt, hat den Anteil 2013 aber reduziert. Bei Celesio ist Haniel ganz ausgestiegen. Haben Sie Kenntnis von weiteren Ausstiegsplänen Haniels bei Takkt? Wie wichtig ist ein Ankeraktionär für Sie?Ich habe keine Kenntnis, dass sich hier etwas ändern soll. Für uns ist ein Ankeraktionär ein optimales Set-up, denn er unterstützt uns bei der Umsetzung unserer langfristigen Strategie. Gleichzeitig könnten wir, wenn nötig, über die Börsennotierung auch den Kapitalmarkt anzapfen. Wir haben das Beste von beiden Welten.- Gibt es Pläne für eine Kapitalerhöhung? Planen Sie einen größeren Kauf?Nein, ein größerer Kauf ist nicht in Sicht. Generell sind wir an Unternehmen interessiert, die zu uns passen und eine gewisse Erfolgsgeschichte aufweisen. Sie sind häufig familiengeführt. In der Regel haben Sie, so wie GPA in Amerika oder Ratioform in Deutschland, ein Umsatzvolumen von 50 Mill. bis 100 Mill. Euro. Für eine solche Größenordnung halten wir 100 Mill. bis 150 Mill. Euro an nicht genutzten Kreditlinien bereit und sind somit jederzeit handlungsfähig, wenn sich etwas ergeben sollte.- Bei Akquisitionen schließen Sie aber Größenordnungen, die darüber hinausgehen, nicht vollständig aus?Nicht grundsätzlich. In einem solchen Fall müssten wir wahrscheinlich parallel eine Kapitalerhöhung vornehmen. Das ist eine Möglichkeit, die wir bisher noch nie nutzen mussten, die wir aber aufgrund der Börsennotierung theoretisch haben.- Wozu dient der ausgegebene Schuldschein?Das ist ein Schuldschein über 140 Mill. Euro, den wir nach der Ratioform-Akquisition aufgenommen haben. Den Kauf haben wir zunächst über Kreditlinien finanziert. Wir wollten anschließend unser Finanzierungsportfolio über die Platzierung des Schuldscheines bewusst diversifizieren und neue Investoren für die Takkt gewinnen. Generell haben wir guten Zugang zu Fremdkapital, da unser Geschäftsmodell sehr cash-flow-stark ist. Wir können deshalb schnell tilgen.- Wozu nutzen Sie Ihren Cash-flow?Wir investieren generell 1 bis 2 % vom Umsatz in die Erhaltung, Erweiterung und Modernisierung des bestehenden Geschäftsbetriebs. Da unsere Cash-flow-Marge rund 10 % beträgt, bleibt noch eine Menge freier Cash-flow übrig. Hieraus bedienen wir unsere Dividende und tilgen die Finanzschulden, die derzeit bei 250 Mill. Euro liegen und aus den beiden letzten Akquisitionen stammen. Unsere Finanzschuld können wir innerhalb von drei bis fünf Jahren tilgen. Unsere Verschuldung atmet stark mit den getätigten Unternehmensübernahmen.- Für 2013 hatten Sie eine Ausschüttungsquote von 40 %. Ist das Ihr Zielwert?Unser Zielwert für die Dividende liegt bei rund 30 % des Periodenergebnisses. Wir wollen aber nie weniger Dividende zahlen als im Vorjahr. Vor der Finanzkrise hatten wir beim Ergebnis nach Steuern unseren Höchstwert. Die Dividende haben wir aber auch in den folgenden Jahren, als das Ergebnis aufgrund der Finanzkrise zurückging, nicht gesenkt.- Wollen Sie beim Ergebnis wieder das Vorkrisenniveau erreichen?Das muss mittel- und langfristig unser Ziel sein. Aber da gibt es viele Unbekannte. Wie stark kann die Dynamik in Nordamerika das weniger stark wachsende Europageschäft kompensieren? Wann ist Europa wieder nachhaltig stabil, wann haben wir die Auswirkungen der Schuldenkrise wirklich überstanden?- Haben Sie eigentlich, so wie andere Unternehmen, einen strategischen Plan, in dessen Rahmen Sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Zielumsatz beziehungsweise eine Zielrendite erreichen wollen?Unser Ziel ist es, bis 2016 Multi-Channel-Plus-fähig zu sein und wie auch bisher auf Basis eines organischen Wachstums von 4 bis5 % pro Jahr eine Rendite über den Kapitalkosten und damit signifikante Wertbeiträge zu erwirtschaften. Darüber hinaus wollen wir im langfristigen Durchschnitt auch circa 5 % pro Jahr durch Akquisitionen wachsen. Außerdem wollen wir bis 2016 Vorreiter in unserer Branche in puncto Nachhaltigkeit sein. So versenden wir heute schon Pakete in vielen europäischen Ländern CO2-neutral und bieten CO2-neutrale Produkte zum gleichen Preis wie vergleichbare Waren an.—-Das Interview führte Gerhard Bläske.