GASTBEITRAG

Handlungsbedarf bei Geschäften mit nahestehenden Unternehmen

Börsen-Zeitung, 22.11.2019 Am 14.11.2019 ist das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom Bundestag verabschiedet worden. Es tritt voraussichtlich am 1.1.2020 in Kraft. Einer der zentralen Regelungsbereiche des ARUG...

Handlungsbedarf bei Geschäften mit nahestehenden Unternehmen

Am 14.11.2019 ist das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) vom Bundestag verabschiedet worden. Es tritt voraussichtlich am 1.1.2020 in Kraft. Einer der zentralen Regelungsbereiche des ARUG II zielt darauf ab, die Kontrolle bei Geschäften einer börsennotierten Gesellschaft mit sogenannten Related Parties, also mit Unternehmen und Personen, die der Gesellschaft nahestehen, zu verbessern.Bei Geschäften mit Related Parties fehlt es häufig an einem natürlichen Interessengegensatz zwischen fremden Geschäftspartnern. Das kann dazu führen, dass Geschäfte zu unangemessenen Bedingungen abgeschlossen werden, welche die börsennotierte Gesellschaft und ihre Aktionäre benachteiligen. Um solche Vermögensschädigungen zu vermeiden, ordnen die neuen Paragrafen 111a-111c Aktiengesetz – flankierend zu dem bereits bestehenden Schutzsystem, etwa dem Abhängigkeitsbericht – bei Überschreiten eines Schwellenwerts einen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats zum Abschluss und eine Pflicht zur Veröffentlichung der Geschäfte an. Unmittelbar anzuwendenDie neuen Zustimmungs- und Publizitätspflichten sind unmittelbar mit Inkrafttreten des Gesetzes anzuwenden. Allerdings dürften Geschäfte unseres Erachtens erst ab Inkrafttreten des Gesetzes als Related-Party-Geschäfte im Sinne der neuen Regelungen des Aktiengesetzes qualifizieren. Bei dieser Lesart (sogenannter “fresh start”) müssen Geschäfte, die vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurden, bei der Ermittlung des Schwellenwerts für das laufende Geschäftsjahr nicht berücksichtigt werden.Der Gesetzgeber definiert Related-Party-Geschäfte als Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen, durch die ein Gegenstand oder ein anderer Vermögenswert entgeltlich oder unentgeltlich übertragen oder zur Nutzung überlassen wird und die mit nahestehenden Unternehmen oder Personen im Sinne des internationalen Rechnungslegungsstandards IAS 24 getätigt werden. Von den Zustimmungs- und Publizitätspflichten ausgenommen sind Geschäfte, bei denen keine Gefahren durch Vermögenstransfers zu befürchten sind. Hierzu zählen beispielsweise Geschäfte mit 100-prozentigen Tochterunternehmen oder Geschäfte, die ohnehin der Zustimmung oder Ermächtigung der Hauptversammlung bedürfen.Um Unternehmen so weit wie möglich zu entlasten, werden auch diejenigen Related-Party-Geschäfte von den Zustimmungs- und Publizitätspflichten ausgenommen, die im ordentlichen Geschäftsgang und zu marktüblichen Bedingungen getätigt werden – also etwa typische und sich wiederholende Alltagsgeschäfte. Hierunter können auch konzerninterne Geschäfte, etwa das Cash-Pooling, fallen. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ist in Anbetracht von Inhalt, Umfang und Häufigkeit der Geschäfte im Einzelfall zu beurteilen. Um regelmäßig zu bewerten, ob ein Geschäft die Voraussetzungen erfüllt, haben die betroffenen Unternehmen ein angemessenes internes Verfahren einzurichten.Geschäfte mit Related Parties sind nach den neuen Vorschriften nur dann zustimmungspflichtig, wenn deren “wirtschaftlicher Wert” – entweder allein oder zusammen mit den Geschäften, die innerhalb des laufenden Geschäftsjahres mit derselben Related Party getätigt wurden – 1,5 % der Summe aus dem Anlage- und Umlaufvermögen der Gesellschaft im zuletzt festgestellten Jahresabschluss übersteigen. Ist die Gesellschaft zur Konzernrechnungslegung verpflichtet, ist die Summe der entsprechenden Vermögenswerte im IFRS-Konzernabschluss maßgeblich.Der Gesetzgeber definiert den “wirtschaftlichen Wert” als Zeitwert eines Gegenstands, der sich bei dessen Verkauf am Markt erzielen ließe. Fraglich bleibt indes, wie diese Definition der Vielfalt anderer Geschäfte in der Unternehmenspraxis (namentlich Dienstleistungen, Finanzierungen, die Gewährung von Bürgschaften oder Garantien etc.) gerecht werden kann. So bleibt beispielsweise bei einem Darlehen unklar, ob dessen wirtschaftlicher Wert der Darlehensvaluta oder den Darlehenszinsen entspricht. Folge der Einführung des unbestimmten Rechtsbegriffs des “wirtschaftlichen Werts” ist eine erhebliche Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen. SchwellenwerteEinem Zustimmungsvorbehalt unterliegt nur das Geschäft, mit dem der genannte Schwellenwert überschritten wird. Daher müssen die betroffenen Gesellschaften organisatorische Vorkehrungen treffen, um für jede Related Party im Geschäftsjahr die relevanten Geschäfte zu erfassen und ihren jeweiligen wirtschaftlichen Wert zu ermitteln. Ob auch alle – nach Überschreiten des Schwellenwerts – folgenden Geschäfte mit einer Related Party im laufenden Geschäftsjahr zustimmungspflichtig sind, bleibt zumindest nach dem Gesetzeswortlaut unklar. Wäre auch jedes folgende Geschäft zustimmungspflichtig, könnte dies bei häufigen Related-Party-Geschäften zu einer logistisch kaum handhabbaren Aufgabe für die betroffenen Aufsichtsräte ausufern. Wäre hingegen – der Gesetzesbegründung folgend – nur das überschreitende Geschäft zustimmungspflichtig, bestünden Gestaltungsspielräume im Hinblick auf das jeweils zustimmungspflichtige Geschäft, die die Schutzwirkung des Gesetzes aushöhlen könnten.Den Kreis publizitätspflichtiger Geschäfte hat der Gesetzgeber deutlich weiter gefasst als den der zustimmungspflichtigen Geschäfte. So müssen nach den neuen Regelungen zunächst alle zustimmungsbedürftigen Geschäfte unverzüglich veröffentlicht werden. Führen mehrere Geschäfte mit derselben Related Party zum Überschreiten des Schwellenwerts, sind auch diese Geschäfte, für die kein Zustimmungsvorbehalt galt, zu veröffentlichen. Damit soll für diese Geschäfte zumindest ein Ex-post-Schutz durch Transparenz erreicht werden. Darüber hinaus müssen auch bestimmte Geschäfte von Tochterunternehmen der betroffenen Aktiengesellschaft veröffentlicht werden, um Umgehungen zu vermeiden. Publizitätspflichtige Geschäfte müssen nach den neuen Regelungen für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren auf der Internetseite der Gesellschaft veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung muss alle wesentlichen Informationen enthalten, die erforderlich sind, um zu bewerten, ob das Geschäft aus Sicht der Gesellschaft und der Aktionäre, die keine Related Parties sind, angemessen ist. Dies umfasst mindestens Informationen zur Art des Verhältnisses zu der Related Party, deren Namen sowie das Datum und den wirtschaftlichen Wert des Geschäfts. Höherer AufwandMit den neuen Zustimmungs- und Publizitätspflichten geht der Gesetzgeber spürbar über die bestehenden Schutzvorschriften des Aktienrechts hinaus. Die neuen Anforderungen können den administrativen Aufwand betroffener Unternehmen signifikant erhöhen, da einige Geschäfte, die in den Anwendungsbereich der neuen Regelungen fallen, bislang nicht gesondert erfasst und beurteilt wurden. Hierzu müssen Maßnahmen getroffen werden, die eine lückenlose Aufzeichnung und Beurteilung (potenziell) zustimmungs- beziehungsweise publizitätspflichtiger Geschäfte sicherstellen. Da die neuen Regelungen bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes anzuwenden sind, besteht für die betroffenen Unternehmen dringender Handlungsbedarf. Peter Oser, Partner der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY und Alexander Eisele, Partner von EY