MITARBEITERAKTIEN

"Handlungsbedarf der Politik"

Lobbyorganisationen forcieren ihre Forderung nach verstärkter Unterstützung für die Belegschaftsaktie

"Handlungsbedarf der Politik"

mic München – Der Druck auf die Bundesregierung wächst, die Beteiligung von Mitarbeitern am Kapital ihres Unternehmens stärker zu fördern. Nachdem die Zahl der Belegschaftsaktionäre im vergangenen Jahr stark gesunken ist, soll der Nachholbedarf am 20. November in Berlin mit einem “Tag der Teilhabe” thematisiert werden – organisiert ist die Tagung auch von Interessengruppen. Bereits im Mai hatten zehn Verbände in einer Erklärung einen “klaren Handlungsbedarf der Politik” diagnostiziert. Das Signal ist zumindest in der Börsen-Arbeitsgruppe des Bundeswirtschaftsministeriums angekommen. Sie fordert in ihrem im September endgültig veröffentlichten Abschlussbericht, Beteiligungen attraktiver zu gestalten. Dramatischer EinbruchBelegschaftsaktien haben zuletzt an Attraktivität für die Arbeitnehmer verloren. Dies legt die Statistik des Deutschen Aktieninstituts (DAI) nahe. Demnach ist die Zahl dieser Aktionäre innerhalb eines Jahres von 1,2 Millionen auf 818 000 im vergangenen Jahr gesunken (siehe Grafik). Eine Erklärung für diesen eklatanten Einbruch gibt es beim Aktieninstitut nicht. Es ist von einem statistischen Ausreißer die Rede.Klar ist allerdings: Der Rekordwert von 1,7 Millionen Mitarbeiteraktionären im Jahr 1998 scheint unerreichbar hoch. Viele Beschäftigte haben keine Option, sich finanziell einzubringen: Nur 2 % aller Unternehmen in Deutschland offerieren ihrem Personal – so die Daten aus dem Jahr 2011 – die Option einer Kapitalbeteiligung. Die Schlussfolgerung von DAI-Leiterin Christine Bortenlänger: “Ohne die Unterstützung seitens der Politik wird die Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland weiterhin ein Nischendasein führen.”Was getan werden kann? Eine Verringerung des bürokratischen Aufwands haben zehn Verbände in ihrem Appell “Für eine Agenda Mitarbeiterkapitalbeteiligung” an erste Stelle gesetzt. Die Regeln zur Beschaffung der Anteile seien ebenso zu entschlacken wie die Vorgaben zu ihrer Verwahrung, ist sich eine große Bandbreite von Lobbyorganisationen einig: Die Liste reicht vom Bundesverband der Deutschen Industrie und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände über den Bundesverband Investment und Asset Management bis zur Global Equity Organization. Sie setzen sich für eine Harmonisierung der Regeln zur Kapitalbeteiligung in Europa ein, fordern bessere Informationen der Politik für die Unternehmen und eine stärkere Förderung, die aber nicht zulasten der betrieblichen Altersvorsorge gehen dürfe. Primus SiemensDie Förderung zu erhöhen: Darauf zielt auch der runde Tisch, den Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Dezember 2014 angestoßen hatte (vgl. BZ vom 30. Juni). Unter dem Titel “Mehr Börsengänge von jungen Wachstumsunternehmen in Deutschland” kommt eine der Arbeitsgruppen unter Leitung von Andreas Preuß, dem stellvertretenden Vorstandschef der Deutschen Börse, unter anderem zu dem Schluss: Zu einer Stärkung könne die signifikante Anhebung des steuer- und sozialabgabenfreien Betrags von derzeit 360 Euro jährlich beitragen. Ein Zielbetrag wird nicht genannt, aber das Deutsche Aktieninstitut schlägt regelmäßig einen Förderbetrag von mindestens 1 000 Euro vor. Letztmals war der Posten im Jahr 2009 erhöht worden, damals ausgehend von 135 Euro.Ungebrochenen Zuspruch erfährt die Mitarbeiteraktie dagegen beim Münchnern Konzern Siemens, der mit einem neuen Programm potenziell fast jeden seiner Arbeitnehmer zum Aktionär machen kann (siehe Artikel auf dieser Seite). Mit rund 144 000 Belegschaftsaktionären ist das Unternehmen, das im Jahr 1969 sein erstes Mitarbeiteraktienprogramm hierzulande auflegte, der Primus in Deutschland. Die Mitarbeiter erhielten – allerdings ist hier das Top-Management enthalten – im Geschäftsjahr 2013/2014 knapp 3,6 Millionen Aktien. Das Gewicht der Münchner zeigt auch die Relation zur Gesamtzahl der Belegschaftsaktionäre in Deutschland: Siemens stellt rund jeden sechsten (siehe Grafik).Kern der Aktienprogramme ist das Share-Matching-Programm für jeden Mitarbeiter mit seinem Versprechen, für den Kauf von jeweils drei Aktien nach dreijähriger Haltefrist ein weiteres kostenloses Papier in das Depot des Beschäftigten einzubuchen. Für das vergangene Jahr wurden rund 550 000 Aktien auf diesem Weg an 78 000 Mitarbeiter ausgegeben. Die Treue zum Depot ist hoch: Drei Jahre zuvor hatten 95 000 Beschäftigte Siemens-Aktien innerhalb des Programms gekauft, so dass inklusive der ausgeschiedenen Mitarbeiter nur rund 18 % nicht an Bord blieben. Die Daten zeigen darüber hinaus, dass – bei hoher Streubreite – durchschnittlich mehr als 36 Aktien im Depot liegen. Vorstände müssen kaufenWesentlich mehr Aktien werden allerdings auch bei Siemens an die leitenden Angestellten verteilt durch das Programm “Siemens Stock Awards”. Hinzu kommt ein kleines Bonusprogramm (“CEO Special Allocation”). Auf Vorschlag des jeweiligen Vorgesetzten kann Vorstandschef Joe Kaeser Dividendentitel zuteilen. 550 Top-Führungskräfte sind darüber hinaus verpflichtet, zwischen 50 % und 300 % ihres Grundeinkommens dauerhaft in Siemens-Aktien zu halten (“Share Ownership Guidelines”). Bei einem Kursverfall müssen sie daher unter Umständen zukaufen.