PUSH-OUT SCORE

Harter Jahresschluss für CEOs

Unfreiwillige Revirements überwiegen - Ungeschliffener Abgang bei Jack in the Box - Brillanter Abtritt bei United Airlines - Steiniger Exit bei Expedia

Harter Jahresschluss für CEOs

Jack in the Box, United Airlines und Expedia gehören zu den US-Unternehmen, die im Dezember einen Chefwechsel angekündigt haben. Nicht alle Top-Manager gehen freiwillig. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass zum Jahresschluss erzwungene CEO-Wechsel überwogen haben. ds Frankfurt – Der Druck auf CEOs in den USA hat im Dezember 2019 ein leicht erhöhtes Niveau erreicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Forschungsdienstleisters Exechange*, der 305 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle).Exechange weist Chefwechseln einen Push-out Score von 0 bis 10 zu. Ein Wert von 0 zeigt an, dass der Abtritt mit ziemlicher Sicherheit freiwillig ist, während 10 Punkte einen offen erzwungenen Abgang bedeuten. Push-out Scores über 5 zeigen eine hohe Wahrscheinlichkeit für erzwungene Wechsel an und gehen einher mit erhöhter Aktienkursvolatilität, wie Forscher der Universität Stanford gezeigt haben (siehe ssrn.com/abstract=2975805).Der Score berücksichtigt Faktoren wie Alter, Amtszeit oder Abtrittsgeschwindigkeit des Managers, den Aktienkurs sowie die Sprache der Abtrittsmeldung. Eine hohe Punktzahl ergibt sich etwa, wenn ein CEO Anfang 50 nach knapper Amtszeit kurzfristig und ohne klare Begründung geht und wenn dazu der Aktienkurs schwach, die Nachfolgeplanung undurchsichtig und das Lob des Unternehmens für den scheidenden Chef lauwarm ist. Zehn Monate hoher DruckDer CEO Push-out Index, der monatlich berechnet wird und den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Austritte in den USA widerspiegelt, sank im Dezember 2019 auf 5,5 nach 6,7 im November (siehe Grafik). Der Index zeigte den stärksten Rückgang in fünf Monaten. Im zehnten Monat in Folge lag er über der kritischen Marke von 5. Indexwerte über 5 signalisieren, dass offenbar unfreiwillige CEO-Abgänge vorherrschen.Es war ein hartes Jahresende für CEOs. Im Dezember wurde das Barometer von vielen offensichtlich erzwungenen Fluktuationsereignissen und Führungswechseln mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Austritte bei Boeing, Expedia, Continental Resources, Jack in the Box, Green Dot, Resideo und Upwork. Freiwillige Führungswechsel und Ereignisse mit niedrigen bis mittleren Push-out Scores hatten im Dezember einen etwas geringeren Einfluss auf den Index, darunter die CEO-Abgänge bei Alphabet, United Airlines, American Water, FMC Corp. und Santander Consumer USA.Mit einem Push-out Score von 7 liegt der CEO-Abgang bei Jack in the Box im oberen Drittel der Skala und sieht ungeschliffen aus. Wie am 11. Dezember 2019 angekündigt, verlässt Leonard A. (Lenny) Comma sein Amt als CEO des Fast-Food-Restaurantbetreibers. Die allermeisten Datenpunkte deuten darauf hin, dass er unter beträchtlichem Druck stand, seinen Posten zu räumen.Comma ist 49 Jahre jung, und seine Zukunftspläne lagen zunächst im Dunkeln. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Die Ankündigung folgt auf einen Kursverfall von 27 % seit Januar 2017. Punkt Nummer 2. Der Grund für den Führungswechsel ist nicht transparent. Punkt 3. Jack in the Box erklärte lediglich: “Obwohl Herr Comma keinen konkreten Zeitpunkt für den Austritt aus dem Unternehmen festgelegt hat, hat er den Board darüber informiert, dass er glaubt, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für das Unternehmen ist, um einen Nachfolger zu finden.” MisstrauensvotumDerweil sind die Umstände des Führungswechsels problematisch. Punkt 4. Die Ankündigung kommt ein Jahr nachdem die “National Jack in the Box Franchise Association” (NFA), die mehr als 2 200 Filialen und fast 90 % der Franchisenehmer vertritt, die Entfernung von Comma aus dem Amt und eine Umstrukturierung der Unternehmensführung gefordert hat. Das Misstrauensvotum resultierte laut NFA unter anderem aus der Besorgnis über rückläufige Umsätze und einem Mangel an Ressourcen für die Franchisenehmer.Der Nachfolgeplan wirft Fragen auf. Punkt 5. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht, und nun soll mit Hilfe der Personalberatung Spencer Stuart intern und extern ein neuer CEO gesucht werden. Form und Sprache der Meldung führen zu den Punkten 6 und 7. In der Ankündigung von Jack in the Box mit Sitz in San Diego, Kalifornien, erhält Lenny Comma Lob und Dank, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche.Der scheidende CEO macht unterdessen viele Worte (119 an der Zahl), hebt Erfolge während seiner Amtszeit selbst hervor und erklärt: “Ich bin stolz auf das, was das Unternehmen während meiner Amtszeit als Chairman und CEO erreicht hat.” Fazit: Alter, Aktienkursentwicklung, offizieller Grund, Umstände, Nachfolgeplan, Form der Bekanntmachung und Sprache in der Mitteilung heben sieben rote Fahnen. Nur die angemessene Mitteilungsfrist und die ausreichend lange Amtszeit von Comma als CEO von sechs Jahren verhinderten eine höhere Punktzahl. Abschied zur HVMit einem Push-out Score von 0 liegt der Abtritt des CEO von United Airlines am unteren Ende der Skala und erscheint brillant. Wie am 5. Dezember 2019 angekündigt, verlässt Oscar Munoz sein Amt als CEO der Airline-Holding am 20. Mai 2020, dem Tag der Hauptversammlung. Sein Schritt folgt dem klassischen Muster exzellent vorbereiteter Managementwechsel. Erstens passt sein Alter von 60 Jahren zu dem Schritt. Zweitens ist die Vorlaufzeit von 167 Tagen zufriedenstellend. Drittens ist Munoz` Amtszeit als CEO von vier Jahren und neun Monaten (per 20. Mai 2020) ausreichend lang. Viertens hat sich die United-Aktie besser als die Konkurrenz entwickelt. Während Munoz` Amtszeit stiegen die United-Papiere um 53 % und somit deutlich stärker als der Nyse-Airline-Index, der um rund 24 % zulegte. Der richtige Zeitpunkt?Fünftens ist der offiziell genannte Grund für den Führungswechsel plausibel. Munoz selbst sagt in der Mitteilung: “Da United in einer stärkeren Position als je zuvor ist, ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um die Stabübergabe einzuleiten.” Bei der Interpretation von Unternehmensmeldungen gilt die Maxime: vertrauen, hinterfragen, überprüfen. “Der richtige Zeitpunkt? Stärkere Position als je zuvor?” Diese kühne Behauptung kann den Tatsachen standhalten. Der Führungswechsel folgt auf eine Verbesserung der Leistung von United und ein aggressives Wachstum, das das Unternehmen zum zweitgrößten US-Carrier gemacht hat. United hat die Gewinnerwartungen der Analysten in elf der vergangenen zwölf Quartale übertroffen.Sechstens sind die Umstände des Managementwechsels insgesamt positiv. Die fundamentalen Aussichten des Unternehmens erscheinen grundsolide. Siebtens ist die Nachfolgeplanung ein Zeichen für Kontinuität. Die Aufgaben von Oscar Munoz als CEO werden von J. Scott Kirby, dem derzeitigen President von United Airlines, übernommen. Kirby wurde im August 2016 von Munoz persönlich nach einer drei Jahrzehnte währenden Karriere im zivilen Fluggeschäft zu United geholt. Munoz selbst wird im Mai 2020 in die Rolle des Executive Chairman wechseln. Achtens ist die Form der Ankündigung schwer zu kritisieren. In der Meldung von United Airlines mit Sitz in Chicago, Illinois, erhält Oscar Munoz Lob und Dank.Neuntens ist die Sprache in der Ankündigung das Tüpfelchen auf dem i. Jane Garvey, Chairman von United, sagte zu dem scheidenden CEO: “Im Namen des Boards kann ich Oscar gar nicht genug für seine hervorragende Führung und sein Engagement für United danken.” Munoz kann auf Eigenlob verzichten und preist stattdessen seinen Nachfolger. Fazit: Alter, Ankündigungsfrist, Amtsdauer, Aktienkursentwicklung, offizieller Grund, Umstände, Nachfolgeplan, Form der Bekanntmachung und Sprache in der Meldung sind konsistent, angemessen und frei von roten Fahnen.Mit einem Push-out Score von 10 ist der Exit des CEO von Expedia an der Spitze der Skala und wirkt steinig. Wie am 4. Dezember 2019 angekündigt, verlässt Mark D. Okerstrom sein Amt als CEO des Reiseunternehmens – zusammen mit dem Finanzchef. Expedia erklärte: “Chief Executive Officer Mark Okerstrom und Chief Financial Officer Alan Pickerill sind auf Wunsch des Boards mit sofortiger Wirkung aus dem Unternehmen ausgeschieden.” Der Wortlaut lässt keinen Zweifel an einem erzwungenen Abgang zu, und zudem kann selbst ein oberflächlicher Beobachter die Vielzahl der weiteren Warnsignale schwerlich übersehen. Okerstroms Alter von 46 Jahren ist sehr niedrig. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Wechsel wird sofort wirksam. Punkt Nummer 2. Die Amtszeit Okerstroms als CEO von zwei Jahren und vier Monaten ist sehr kurz. Punkt 3. Die Ankündigung folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von Expedia um 28 % seit November 2019. Punkt 4. Streit über StrategieVor allem der offiziell genannte Grund für den Führungswechsel ist ein Zeichen für enormen Druck. Punkt 5. Chairman Barry Diller sagte: “Letztendlich waren sich das Top-Management und der Vorstand über die Strategie nicht einig.” Im Gegensatz zum Vorstand sei der Board überzeugt, dass man das Wachstum im Jahr 2020 beschleunigen könne. Die Umstände des Führungswechsels sind herausfordernd. Punkt 6. Expedia steht im zunehmenden Wettbewerb mit Airbnb und Booking.com sowie Google. Okerstrom stieg 2017 vom Chief Financial Officer zum CEO auf, als der damalige CEO Dara Khosrowshahi das Unternehmen verließ, um Chef von Uber zu werden. Die Nachfolgeplanung wirft Fragen auf. Punkt 7. Die Position des CEO blieb vorerst vakant, und Okerstroms Aufgaben wurden umverteilt. Chairman Barry Diller und Vize-Chairman Peter Kern leiten zunächst das Tagesgeschäft.Form und Sprache der Bekanntmachung ergeben die Punkte 8 und 9. In der Ankündigung von Expedia mit Sitz in Seattle, Washington, erhält Mark Okerstrom Lob und gute Wünsche, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein ausdrückliches Wort des Dankes und kein Wort des Bedauerns. Mark Okerstrom schweigt in der Mitteilung beredt. Beim Push-out Score werden 10 Punkte vergeben, wenn der Manager offen herausgedrängt wurde oder wenn kein begründeter Zweifel besteht, dass er unter höchstem Druck abtreten musste. Daher wird der Punktwert auf 10 erhöht. *) Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Börsen-Zeitung und Exechange sind voneinander unabhängig. Die Inhalte dieser Seite basieren auf einer Studie von Exechange (exechange.com/news).