RECHT UND KAPITALMARKT

Härtere Zeiten für deutsche Konzerne in China

Die Neufassung des Antikorruptionsgesetzes bringt verschärfte Kontrollen und höhere Strafen bei Compliance-Verstößen

Härtere Zeiten für deutsche Konzerne in China

Von Mike Goldammer *)Mehr als zwei Jahre sind seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping vergangen. Zwei Jahre, in denen verschiedenste Maßnahmen beschlossen und umgesetzt wurden, welche ein klares Ziel haben: Eindämmung und Bekämpfung der Korruption. Dabei werden sämtliche Aktionen, selbst wenn diese lediglich durch regionale, parteiinterne Ermittlungskommissionen durchgeführt werden, zentral gesteuert. Allein eine solche zentrale Steuerung erlaubt ein koordiniertes und planvolles Vorgehen, was im Übrigen zur Vermeidung einer Destabilisierung oder gar Untergrabung der Parteiautorität Priorität hat.Ob der Anzahl der Verfahren – der Deutschlandfunk sprach im Januar 2015 von über 53 000 Verstößen gegen die Richtlinien und über 71 000 Strafmaßnahmen gegen Beamte allein im Jahr 2014 – ist dafür allerdings auch ein erheblicher Aufwand erforderlich. Die gewünschten Abschreckungseffekte erzielt man dadurch zweifelsohne. So wird, auch wenn es dazu keine offizielle Statistik gibt, verstärkt über Suizide von Parteikadern berichtet. Neue rechtliche AspekteDoch an welchen Stellen ergeben sich tatsächlich Veränderungen für in China tätige Unternehmen und deren Entscheidungsträger? Kann man bestimmte Zielgruppen von Unternehmen definieren, die unter besonderer Beobachtung stehen? Welche präventiven Maßnahmen können Unternehmen treffen, um sich gegen harte Behördenmaßnahmen zu schützen?Was das rechtliche Umfeld anbelangt, so hat sich an den einschlägigen Vorschriften des PRC Criminal Law mit Ausnahme der Ergänzung der Auslandsbestechung von Amtsträgern in den letzten Jahren wenig verändert. So besteht der bereits seit Jahren sehr weit gefasste Begriff des Public Officials im Rahmen der Amtsträgerdelikte unverändert fort, nach welchem bereits in der Vergangenheit Personen mit Entscheidungsfunktion beispielsweise in Einkaufsabteilungen in Staatsunternehmen unter die Public Official Definition fielen. Auch existiert bereits seit 1993 eine Regelung, die für Zuwendungen an Public Officials aus dem Ausland ab einer Höhe von 200 RMB, also etwa 28 Euro, eine Pflicht zur Übergabe der Geschenke an den Dienstherrn festschreibt.Allerdings wurden gerade durch die jüngste Neufassung des PRC Criminal Law, die zum 1. November in Kraft treten wird, verschiedene, bisher noch nicht geregelte Aspekte in das Gesetz aufgenommen oder modifiziert. Im Wesentlichen sind es unter Compliance Aspekten vier größere Veränderungen, mit denen ausländische Unternehmen künftig werden umgehen müssen:Erstens: Ab November 2015 werden erstmals auch strafrechtlich relevante Zuwendungen an Verwandte oder nahe Bekannte von Public Officials für den Zuwendenden unter Strafe gestellt. Bisher sind die Schenkenden in derartigen Fällen straffrei geblieben. Lediglich der Zuwendungsempfänger konnte bei Überschreitung der relevanten Grenzwerte strafrechtlich verfolgt werden.Zweitens: In Zukunft werden Geldstrafen, die bislang nahezu ausschließlich gegen Unternehmen verhängt wurden, zwingender Bestandteil einer jeden Verurteilung von Individualstraftätern in allen Bestechungstatbeständen. Eine solche ist auch dann zu verhängen, wenn der Täter zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Ob dadurch ein größerer Abschreckungseffekt erreicht wird, erscheint zwar fraglich. Der pönalisierende Charakter wird allerdings in jedem Falle erhöht.Drittens: Deutlich erschwert wird ab November die Möglichkeit einer Strafmilderung oder gar Strafbefreiung auf Basis eines Schuldeingeständnisses. Nach der Neufassung des Criminal Law wird es dies nur noch in wenigen Ausnahmefällen geben, etwa wenn der Aussage eine wesentliche Bedeutung in einem wichtigen Strafverfahren zukommen sollte. Zwar vertrauten auch bisher nur die wenigsten darauf, dass sie von der Anwendung des letzten Satzes des Art. 390 Criminal Law, der die Möglichkeit einer Strafmilderung oder gar Strafbefreiung bisher in deutlich weiterem Anwendungsbereich vorsah, profitieren könnten. Doch die erhebliche Einschränkung im Rahmen der Neufassung des Criminal Law wird wohl zu noch größerer Zurückhaltung bei Betroffenen führen. Nicht zuletzt potenzielle Whistleblower dürften ihre Kooperationsbereitschaft nunmehr doppelt überdenken, wenn sie sich durch eine Aussage selbst belasten würden.Viertens: Die Neufassung des Criminal Law enthält die Möglichkeit, in Fällen des Missbrauches der beruflichen Stellung oder der Befugnisse temporäre Berufsausübungsverbote auszusprechen, deren Dauer zwischen drei und fünf Jahren liegen kann. Inwieweit solche Verbote in der Praxis dann auch tatsächlich überwacht werden können, wird die zukünftige Rechtsanwendung zeigen. Am effizientesten wird dies wohl in Bereichen funktionieren, in denen es bereits regulatorische Mechanismen gibt, mit welchen die den jeweiligen Beruf ausübende Personengruppe zumindest bereits einmal erfasst wurde, beispielsweise im Rahmen der Anwaltszulassung. Es kann jeden treffenUnabhängig von den anstehenden Veränderungen durch die Reform des Criminal Law hat sich jedoch das Gefahrenpotenzial für in China tätige Unternehmen und deren verantwortliche Mitarbeiter in den letzten zweieinhalb Jahren deutlich erhöht, sollten sich diese außerhalb des vorgegebenen Rechtsrahmens bewegen. Im Bereich Antikorruption kann es faktisch jedes Unternehmen treffen, unabhängig von dessen Größe, Herkunft oder etwaiger Marktdurchdringung. Ausgangspunkt für behördliche Maßnahmen gegen Unternehmen sind häufig zunächst Untersuchungen gegen Parteimitglieder, mit denen man als ausländischer Konzern oder Investor tagtäglich nahezu in allen behördlichen oder gar geschäftlichen Bereichen zu tun hat. Denn nach wie vor ist der chinesische Markt stark reguliert. Manchmal sind es jedoch auch verärgerte Mitarbeiter oder gar Wettbewerber, die erste Informationen an Behörden weiter geben.Bei Maßnahmen im Bereich kartellrechtlicher Compliance dagegen stehen oft ausgewählte Branchen im Fokus. Dies schafft eine gewisse Vorhersehbarkeit. Vor allem die Automobilindustrie und ihre Vertriebssysteme stehen seit dem vergangenen Jahr unter massiver Beobachtung der chinesischen Behörden. Preisabsprachen zwischen Händlern und OEMs, Umsatzvorgaben und Lagerbestände sowie überteuerte Ersatzteile hatten zu Verbraucherprotesten geführt und die Behörden auf den Plan gerufen. Kontrollen und Untersuchungen sind in dem Bereich schon länger an der Tagesordnung.Firmen, die bei sich Verhaltensmuster entdecken, die verwaltungs- oder gar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnten, sollten diesen zunächst im Rahmen einer internen Untersuchung nachgehen. Nur so können das Management und insbesondere der gesetzliche Vertreter, welcher gemäß dem Criminal Law neben der unmittelbar handelnden Person in der Regel wohl ebenfalls als “verantwortliche Person” anzusehen ist, etwaige Risiken minimieren.Vor allem aus Gründen der Objektivität sollte das Unternehmen eine solche Untersuchung federführend einem externen Dienstleister übertragen. Da behördliche Untersuchungen meist unverhofft kommen und nicht planbar sind, sollten Unternehmen für derartige Situationen einen Notfallplan parat haben. Auch sollten die relevanten Mitarbeiter, zum Beispiel das Empfangspersonal, entsprechend trainiert werden. Andernfalls sind solche Situationen kaum beherrschbar.Fazit: Sowohl die anstehenden Veränderungen im Criminal Law als auch die seit Initiierung der Antikorruptionskampagne eingeleiteten Maßnahmen zeigen eines deutlich: Die Risiken für Unternehmen und verantwortliche Personen bei Compliance-Verstößen oder gar bei Fehlen ausreichender Compliance-Systeme in chinesischen Tochtergesellschaften sind deutlich gestiegen. Maßgeblich dafür ist ganz wesentlich die striktere Rechtsanwendung und Durchsetzung.—-*) Mike Goldammer ist Partner bei Taylor Wessing und Head Compliance China.