PUSH-OUT-SCORE

Hartes Jahresende für CEOs

Flut holpriger Chefwechsel in den USA - Ruppiger Abtritt bei Bunge - Glanzloser Abgang bei Akorn - Zweischneidiger Ausstieg bei Gannett

Hartes Jahresende für CEOs

Bunge, Akorn und Gannett gehören zu den US-Unternehmen, die im Dezember 2018 einen Chefwechsel angekündigt haben. Untersuchungen mit dem Analysemodell Push-out Score zeigen, dass der Druck auf die CEOs weiter steigt und im ersten Wintermonat ein Zwölfmonatshoch erreicht.Der Abtritt von Bunge-CEO Soren Schroder erscheint ruppig, der Abgang von Akorn-CEO Raj Rai wirkt glanzlos, und der Ausstieg von Gannett-CEO Bob Dickey sieht zweischneidig aus. Einen detaillierteren Einblick bietet der Forschungsdienstleister Exechange*, der mehr als 200 CEO-Abgänge von börsennotierten Unternehmen in den USA aus den vergangenen zwölf Monaten analysiert hat (siehe Tabelle).Exechange verwendet das Punktesystem Push-out Score mit einer Skala von 0 bis 10, um die Wahrscheinlichkeit eines erzwungenen Wechsels zu ermitteln. Push-out Scores über 5 deuten auf starken Druck hin und gehen einher mit erhöhter Aktienkursvolatilität, wie Forscher der Universität Stanford gezeigt haben (siehe ssrn.com/abstract=2975805). Der Push-out Score zeigt an, wie viele der folgenden neun Kriterien erfüllt sind: auffälliges Alter, kurze Mitteilungsfrist, kurze Amtszeit, schwache Aktienkursentwicklung, undurchsichtiger Grund, kritische Zeit, Nachfolgeprobleme, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Bekanntmachung. Wird der Manager offen hinausgedrängt, so werden volle 10 Punkte vergeben.Der CEO Push-out Index, der den durchschnittlichen Push-out Score für CEO-Austritte in den USA widerspiegelt, stieg im Dezember 2018 auf 8,3 nach 7 im November (siehe Grafik). Der Index erreichte den höchsten Stand seit zwölf Monaten. Im Dezember wurde der Index von vielen offensichtlich erzwungenen Abtritten und Führungswechseln mit hohen Push-out Scores beeinflusst, darunter die angekündigten CEO-Abgänge bei Lam Research Corp., Bunge Ltd., Acadia Healthcare Co., QEP Resources Inc. und Medicines Co. Im November war der Index ebenfalls von einer Flut holpriger Managementwechsel geprägt gewesen. Der durchschnittliche Push-out Score für CEO-Austritte in den zwölf Monaten Januar bis Dezember 2018 betrug 6. Rund 55 % der Push-out Scores erreichten Werte zwischen 6 und 10. Mehr als jeder zweite CEO trat unter Druck zurück. Abschied mit 57 JahrenMit einem Push-out Score von 7 liegt der Austritt des CEO bei Bunge Ltd. im oberen Bereich der Skala und erscheint ruppig. Wie am 10. Dezember 2018 angekündigt, wird Soren W. Schroder nach rund fünfeinhalb Jahren in dieser Funktion von seinem CEO-Posten bei dem Agrar- und Ernährungskonzern zurücktreten. Seine Amtszeit ist angemessen, und in der Ankündigung von Bunge aus White Plains, New York, erhält Schroder Auszeichnungen und Lob. Ein Nachfolger ist jedoch noch nicht in Sicht. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Schroder ist 57 Jahre alt. Sein geringes Alter wirft Fragen auf, und genaue Informationen über seine Zukunftspläne waren nicht sofort verfügbar. Punkt Nummer 2. Die Ankündigung folgt auf einen Kursrückgang der Bunge-Aktie um 35 % seit Juni 2015. Punkt Nummer 3.Bunge lässt den konkreten Grund für Schroders Weggang im Dunkeln. Auch Schroders eigene Aussage hilft nicht viel weiter. Er sagt: “Wir machen solide Fortschritte, und es ist der richtige Zeitpunkt, die Führung zu übergeben.” Der richtige Zeitpunkt? Im gegebenen Kontext erscheint dies etwas widersprüchlich, und es bleibt offen, was genau seinen Abgang ausgelöst hat. Punkt Nummer 4. Gleichzeitig ist es schwer zu leugnen, dass die Umstände des Wechsels herausfordernd sind. Punkt Nummer 5. Die Ankündigung des CEO-Abtritts kommt fünf Wochen nachdem die aktivistischen Aktionäre D.E. Shaw und Continental Grain einen Vergleich mit Bunge erzielt haben, der vier neue Boardmitglieder vorsieht sowie eine strategische Überprüfung des Unternehmens mit sich bringt. Der 200 Jahre alte Rohstoffhändler ist anfällig geworden für Übernahmeversuche der Konkurrenten Archer Daniels Midland Co. und Glencore Plc. Kein Dank, kein BedauernForm und Sprache der Ankündigung liefern weitere Signale für Druck auf Schroder, was zu den Punkten 6 und 7 führt. In der Mitteilung erhält der scheidende CEO kein ausdrückliches Wort des Dankes, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Kathleen Hyle (60), die mit sofortiger Wirkung die Leitung des Boards übernahm, sagte 19 Worte über den langjährigen CEO Schroder: “Das Unternehmen ist mit dem starken Fundament, das unter Führung von Soren aufgebaut wurde, gut für langfristiges Wachstum positioniert.”Das mag schön klingen, kann aber auch als vergiftetes Lob verstanden werden. Es ist zumindest mehrdeutig, denn es kann im gegebenen Kontext kaum anders gelesen werden, als dass Bunge in den Augen von Hyle jetzt einen Manager mit anderen Fähigkeiten braucht, um auf dem Fundament aufzubauen. Fazit: Nachfolgefragen, niedriges Alter, schlechte Aktienkursentwicklung, intransparenter Grund, kritische Zeit, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung sind sieben rote Fahnen. Es ist nicht völlig gewiss, welche Kräfte letztlich den Abgang von Schroder ausgelöst haben, aber der Fall zeigt das typische Muster eines erzwungenen Abgangs. Es sind mehr rote Fahnen zu sehen, als man an den Fingern einer Hand abzählen kann. Exit ist zweifellos erzwungen Mit einem Push-out Score von 10 liegt der Abgang des CEO der Akorn Inc. an der Spitze der Skala und wirkt glanzlos. Wie am 7. Dezember 2018 angekündigt, hat sich Rajat (Raj) Rai “entschieden, in den Ruhestand zu wechseln”. Offiziell ist es damit eindeutig seine eigene Entscheidung, das Pharmaunternehmen nach einer langen Amtszeit als CEO von fast neun Jahren zu verlassen. Darüber hinaus spricht für ihn, dass er “den Board bei einem reibungslosen Übergang unterstützen und bis zum Einstellungsdatum des neuen CEO in seiner Funktion bleiben wird”. Andererseits lassen die Umstände seines geplanten Ausscheidens keinen vernünftigen Zweifel daran, dass er gezwungen war, die CEO-Position zu verlassen.Schauen wir zuerst auf die harten Fakten. Im Alter von 51 Jahren scheint der Topmanager noch recht jung für den Ruhestand. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Der Wechsel folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von Akorn um 82 % seit Februar 2018. Punkt Nummer 2. Akorn nennt keinen plausiblen, konkreten Grund für den Schritt von Raj Rai. Punkt Nummer 3. Er geht zu kritischer Zeit. Die Ankündigung erfolgte, nachdem der Oberste Gerichtshof von Delaware entschieden hatte, dass ein rascher Rückgang des Geschäfts von Akorn Grund genug für Fresenius war, sich von ihrem 4,3 Mrd. Dollar schweren Kauf des Unternehmens zu verabschieden. Punkt Nummer 4. Zum Schluss 26 WorteEin permanenter Nachfolger ist nicht sofort verfügbar. Punkt Nummer 5. Form und Sprache der Bekanntmachung liefern die Punkte 6 und 7. In der Ankündigung aus Lake Forest, Illinois, erhält Raj Rai Lob und Dank, aber keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Chairman Alan Weinstein macht es kurz und sagt 26 Worte über den bevorstehenden Ausstieg von Raj Rai: “Wir danken Raj für seine langjährige Tätigkeit bei Akorn und seinen Erfolg beim Aufbau des Unternehmens zu einem der führenden Anbieter in einer hart umkämpften Branche.”Raj Rai bleibt in der Mitteilung stumm. In einer Pflichtmitteilung bei der Börsenaufsicht SEC gab Akorn zugleich bekannt: “Der Board der Gesellschaft (. . .) und Herr Rai haben vereinbart, dass sein Ausscheiden aus der Gesellschaft hinsichtlich des Anstellungsvertrags von Herrn Rai als Rücktritt aus wichtigem Grund behandelt wird.” Damit ein Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund lösen kann, muss der Arbeitgeber Maßnahmen ergriffen haben, die zu einer wesentlichen negativen Änderung der Bedingungen führen, unter denen der Arbeitnehmer dem Unternehmen dient. Die Bedingungen für den Austritt von Rai machen somit deutlich, dass er sich gezwungen sah zu gehen, und der Push-out Score beträgt 10. Sechs Warnlampen leuchtenMit einem Push-out Score von 6 liegt der CEO-Abgang bei Gannett Co. im oberen Bereich der Skala und wirkt zweischneidig. Wie am 5. Dezember 2018 angekündigt, hat Robert J. (Bob) Dickey “den Board der Gesellschaft über seine Absicht informiert, in den Ruhestand zu wechseln”. Er hat zugestimmt, bis zum 7. Mai 2019 oder, falls früher, bis zur Ernennung eines Nachfolgers zu bleiben. Mit 61 Jahren liegt Dickey im normalen Rentenalter. Die Vorlaufzeit von bis zu 153 Tagen ist akzeptabel. Seine Amtszeit von drei Jahren und zehn Monaten (zum 7. Mai 2019) ist noch angemessen, und in der Ankündigung von Gannett aus McLean, Virginia, erhält Dickey Lob und Dank. Gleichzeitig leuchten sechs von neun Warnleuchten auf. Zeitung sucht NachfolgerEin Nachfolger für die CEO-Position ist noch nicht gefunden. Das ist der erste Punkt für den Push-out Score. Die Ankündigung folgt auf einen Rückgang des Aktienkurses von Gannett um 40 % seit April 2016. Vom Jahresbeginn 2018 bis dahin war die Aktie um 11 % gesunken, während der Standard & Poor’s 500 Index um 5 % zugelegt hatte. Punkt Nummer 2. Ein Grund für das geplante Ausscheiden von Dickey aus dem CEO-Posten wird nicht explizit angegeben. Punkt Nummer 3. Die Umstände des Wechsels sind herausfordernd. Punkt Nummer 4. Wie andere Zeitungsverlage steht auch Gannett vor der Herausforderung, neue Einnahmequellen zu finden. Am 8. November berichtete Gannett über die Ergebnisse des dritten Quartals, die die Gewinn- und Umsatzerwartungen verfehlten.Die Form und Sprache der Bekanntmachung sorgen für die Punkte 5 und 6. In der Ankündigung erhält der scheidende CEO keine Auszeichnungen für konkrete und quantifizierte Erfolge, kein Wort des Bedauerns und keine guten Wünsche. Dickey gibt eine lange Erklärung ab (183 Worte) und hält es offenbar für nötig, konkrete und quantifizierte Erfolge während seiner Amtszeit selbst hervorzuheben. EigenlobSo sagt er: “Im Oktober erreichte das USA-Today-Netzwerk beispielsweise mehr als 129 Millionen Unique Visitors, wovon über 40 % aus der Altersgruppe 21 bis 44 Jahre stammen. Damit sind wir Marktführer in allen Altersgruppen, und mit Blick auf das digitale Marketing wachsen unser Kundenstamm und der durchschnittliche Umsatz pro Kunde weiter.” Das Statement von Chairman J. Jeffry Louis klingt nicht ganz so euphorisch. Er erkennt an, dass Dickey Gannett “durch wichtige Akquisitionen wie ReachLocal, SweetIQ und WordStream an der Spitze der digitalen Transformation positioniert hat”, und schließt mit den Worten: “Wir danken Bob für seine 29-jährige Tätigkeit für Gannett und sind dankbar, dass er sich weiterhin für die Schaffung von Mehrwert für unsere Kunden und Aktionäre einsetzt, während wir daran arbeiten, seinen Nachfolger auszusuchen.”Dickey sagt unterdessen: “Während der Board seine Pflicht zur Zukunftsplanung wahrnimmt, werde ich weiterhin hart arbeiten.” Das klingt nicht so, als ob er übermäßig glücklich wäre, bald aus dem Amt zu scheiden. Genaue Informationen über seine Zukunftspläne waren nicht sofort verfügbar. Fazit: Nachfolgeprobleme, schlechte Aktienkursentwicklung, intransparenter Grund, kritische Zeit, formale Anomalien und sprachliche Besonderheiten in der Ankündigung sind sechs rote Fahnen. Es deutet also einiges darauf hin, dass der Gannett-CEO die Stelle unter Druck verlassen könnte.Im Jahr 2018 haben 33,6 % der CEOs in den USA ihr Amt ohne Angabe von Gründen verlassen. Rund 7,6 % gingen, “um andere Möglichkeiten zu verfolgen”, und rund 2 %, “um Zeit mit ihrer Familie zu verbringen” – Aussagen, die oft als Code für Rauswürfe gelten. Rund 2,4 % gingen aus “persönlichen Gründen”.—-*) Die Texte auf dieser Seite sind die deutsche Kurzfassung einer Veröffentlichung des Forschungsdienstleisters Exechange. Inhaber von Exechange ist Daniel Schauber, der auch Redakteur bei der Börsen-Zeitung ist. Exechange und Börsen-Zeitung sind voneinander unabhängig.