Heathrow drängt und investiert
Der Flughafenbetreiber Heathrow dringt auf eine schnellere Entscheidung über den Ausbau der Flughafenkapazitäten im Südosten Großbritanniens. Nach einem verlangsamten Anstieg des Verkehrsaufkommens 2012 hebt er die Gefahr von Nachteilen im Wettbewerb mit anderen europäischen Großflughäfen hervor. In den bisherigen Standort soll weiter investiert werden.Von Carsten Steevens, London 2012 sei ein historisches Jahr gewesen für Heathrow, meint der Vorstandsvorsitzende des britischen Flughafenbetreibers, Colin Matthews. Unangemessen scheint die Bewertung nicht: So verbuchte der verkehrsreichste Flughafen Europas, London-Heathrow, im Olympiajahr mit 69,98 Millionen nicht nur so viele Fluggäste wie noch in keinem Jahr zuvor. Der Fraport-Rivale änderte auch seinen Namen, weil er sich nach dem von britischen Wettbewerbshütern verlangten Verkauf der Londoner Flughäfen Gatwick und Stansted sowie des schottischen Standorts Edinburgh in Zukunft auf Heathrow konzentriert. Statt BAA – ein Kürzel, das auf die 1966 geschaffene staatliche Behörde British Airports Authority zurückgeht – nennt sich der Betreiber, dem auf der Insel neben London-Heathrow noch die Regionalflughäfen Southampton, Glasgow und Aberdeen bleiben, seit Mitte Oktober konsequenterweise Heathrow Airport Holdings (HAH).Im Gesellschafterkreis kam es darüber hinaus im vergangenen Jahr zu größeren Verschiebungen: So reduzierte der spanische Baukonzern Ferrovial, der 2006 kreditfinanziert die Mehrheit an BAA übernommen hatte, seinen Anteil auf knapp 34 %. Mit der Qatar Holding sowie der Beteiligungsgesellschaft China Investment Corporation stiegen zwei neue Großinvestoren mit Beteiligungen von 20 % bzw. 10 % ein. Ferrovial, die nach einigen Beteiligungsverkäufen Nettoschulden von 24 Mrd. Euro im Jahr 2008 auf knapp 13 Mrd. Euro im vergangenen Jahr fast halbiert hat, zeigt sich ungeachtet der Flughafenverkäufe in Großbritannien zufrieden mit der Heathrow-Beteiligung. Die Flughäfen Gatwick und Edinburgh sowie Stansted wurden 2009 und 2012 für 1,5 Mrd. bzw. 807 Mill. Pfund mit Gewinn an den Infrastrukturfonds Global Infrastructure Partners (GIP) verkauft, ebenso Stansted im Januar für 1,5 Mrd. Pfund an die Manchester Airports Group (MAG).Dass Ferrovial den Heathrow-Anteil offenbar nicht weiter abbauen will, obwohl eine Gesellschaftervereinbarung die Option dafür lässt, dürfte mit der Erwartung einer langfristigen Werthaltigkeit dieser Beteiligung zusammenhängen. Der Flughafenbetreiber Heathrow wie die anderen Wettbewerber rechnen sich deutliche Wachstumssteigerungen bei den Passagierzahlen aus, zumal die Verkehrskapazitäten im wirtschaftsstarken Südosten Großbritanniens erweitert werden sollen. Eine Kommission erhielt nach einer Positionsänderung der britischen Regierung den Auftrag, Empfehlungen für den Ausbau der Kapazitäten auszuarbeiten – auch das eine wichtige Weichenstellung im vergangenen Jahr.Vorliegen soll das Ergebnis jedoch erst 2015 zum Ende der laufenden Legislaturperiode – zum Unbehagen der Flughafenbetreiber. Heathrow-Chef Matthews dringt auf eine schnellere Entscheidung, um im Wettbewerb mit europäischen Flughäfen um lukrative Routen in wachstumsstarke Regionen wie Asien nicht zurückzufallen. Laut dem Berater Frontier Economics kommen Paris und Frankfurt verglichen mit London-Heathrow auf 1 000 Flüge mehr pro Jahr in die drei größten Metropolen Chinas.2012 flaute der Anstieg des Passagieraufkommens in Heathrow auf 0,9 % von 5,5 % im Jahr zuvor ab. Der letztmals konsolidierte Flughafen London-Stansted büßte gar 3,2 % auf 17,46 Millionen Fluggäste ein. Amsterdam, Paris und Frankfurt verbuchten höhere Zuwachsraten. Dabei lag Londons einziger Hub-Flughafen mit 471 341 Flügen weiter nahe der Grenze von maximal erlaubten 480 000 Starts und Landungen pro Jahr. Bei einem Umsatzplus von 8,1 % auf 2,5 Mrd. Pfund, das auch auf einem Anstieg der Gebühren für die Fluggesellschaften um 10,5 % basierte, kletterte das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) um 11,6 % auf 1,26 Mrd. Pfund. Der nach Zinszahlungen von 707 Mill. Pfund auf Nettoschulden von 11,4 Mrd. Pfund angefallene Verlust vor Steuern wurde auf 32,8 Mill. Pfund von 255,8 Mill. eingegrenzt. Erstmals seit 2006 zahlte der Betreiber wieder eine Dividende von 240 Mill. Pfund. 2013 sei nicht mit deutlich mehr zu rechnen, so CEO Matthews, auch wenn höhere Renditen für die Gesellschafter künftig nötig seien.Nach Investitionen von 11 Mrd. Pfund seit 2003 will der Betreiber von 2014 bis 2019 vorbehaltlich der Zustimmung durch die Luftfahrtbehörde CAA weitere 3 Mrd. Pfund in den Flughafen Heathrow stecken, der Mitte 2014 den Neubau des Terminals 2 abgeschlossen haben will. Auf Passagiere dürften höhere Ticketpreise zukommen, auf Fluggesellschaften höhere Gebühren. Die Passagierzahl in Heathrow, wo 78 % aller Langstreckenflüge in Großbritannien abgewickelt werden, soll bis zum Ende der Investitionsperiode auf 72,6 Millionen steigen.