Hedgefonds nimmt Thyssenkrupp ins Visier
cru Düsseldorf – Mitten in den Vorbereitungen zur Fusion der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit dem Europageschäft des indischen Konkurrenten Tata Steel wird der Essener Industriekonzern zum Ziel eines Hedgefonds, der auf einen fallenden Kurs spekuliert. Laut Mitteilung im Bundesanzeiger hat der Pariser Hedgefonds Capital Fund Management SA am 18. August eine Netto-Leerverkaufsposition in Höhe von 0,49 % des Aktienkapitals gehalten. Der Kurs der Thyssenkrupp-Aktie büßte am Dienstag zeitweise 0,5 % auf 25,14 Euro ein, nachdem er am Vortag um 3,2 % gefallen war und am Freitag 1,5 % verloren hatte. Binnen sechs Wochen hat sich der Börsenwert des Konzerns um mehr als 5 % auf 14,2 Mrd. Euro verringert.Capital Fund Management ist ein Vermögensverwalter mit Sitz in Paris sowie Büros in New York und Tokio. Gegründet wurde die Investmentboutique 1991 von Jean-Pierre Aguilar, einem Pionier der Hedgefonds-Investments in Europa, der 2009 bei einem Segelflug-Unfall ums Leben kam. Im Jahr 2000 folgte die Fusion mit der Research-Firma Science & Finance, deren Gründer Philippe Bouchaud den Hedgefonds heute führt. Capital Fund Management ist einer der größten französischen Hedgefonds – mit 120 Mitarbeitern und einem verwalteten Vermögen, das sich zwischen 2009 und 2012 auf 6 Mrd. Dollar verdoppelte. Warten auf Tata-FusionÜber die Motive für die Leerverkaufsposition lässt sich nur spekulieren. Der Kurs von Thyssenkrupp war in Erwartung der Fusion mit Tata, über die seit einem Jahr verhandelt wird, über mehrere Monate gestiegen. Investoren warten auf eine Entscheidung zur möglichen Stahlfusion. Zuletzt hatten sich die Chancen verbessert, weil Tata eine Einigung mit der britischen Pensionsregulierungsbehörde erzielt hatte, um die 15 Mrd. Pfund schweren Pensionslasten vom Unternehmen abzutrennen. Eine Einspruchsfrist gegen die Vereinbarung endet am 8. September.Analyst David Varga vom Bankhaus Metzler geht davon aus, dass der Unternehmenswert von Thyssenkrupp im Fall einer Fusion um voraussichtlich mehr als 1,75 Mrd. Euro steigt. Ein Drittel davon führt er auf Synergien aus dem dann mit Tata Steel gemeinsam geführten Stahlgeschäft zurück, die anderen zwei Drittel auf Kompensationszahlungen, die Tata an Thyssenkrupp wegen des größeren eingebrachten Geschäftsanteils vermutlich zu zahlen hätte. Die Summe ermögliche dem Unternehmen Investitionen in die Industriegüterproduktion.Zudem könne Thyssenkrupp durch die Fusion seine Bilanz verbessern: Der Teil der Schulden, der auf das Stahlgeschäft zurückzuführen ist, könne ins Joint Venture mit Tata Steel eingegliedert werden. Positiv sieht Varga auch, dass sich Thyssenkrupp mit der Abtrennung des Stahlgeschäfts radikal wandle – vom Mischkonzern zum Industriegüterkonzern. Damit würden die Erträge stabiler, und das Geschäft wäre insgesamt weniger kapitalintensiv, weniger zyklisch und risikoärmer. Varga erwartet, dass sich die Bewertungskennzahlen des künftigen Industriegüterkonzerns Thyssenkrupp deutlich nach oben bewegen und den Kurs beflügeln werden. Zur Stärkung der BilanzSollte der Deal dagegen platzen, würde der Kurs von Thyssenkrupp vermutlich deutlich fallen. Es wird spekuliert, dass der Konzern eine Minderheitsbeteiligung an einem Joint Venture mit Tata eingehen könnte, um so – durch die Entkonsolidierung der Stahlsparte – unter anderem Finanzschulden und Pensionslasten in der äußerst eigenkapitalschwachen Konzernbilanz zu senken. Ein Blick in die Bücher des jeweiligen Wettbewerbers hat nach Einschätzung der Analysten der LBBW noch nicht stattgefunden.