Hedging verschärft Krise vieler Airlines
Die Fluggesellschaften kämpfen nicht nur mit großen operativen Problemen. Geschäfte zur Absicherung von Treibstoffkosten sorgen derzeit für zusätzliche Verluste. Nach Berechnungen von Bloomberg haben zehn Airlines aus Europa und Asien/Pazifik in diesem Jahr bisher 4,65 Mrd. Dollar durch Hedging verloren. Von Lisa Schmelzer, FrankfurtAls wäre die Lage für die Fluggesellschaften angesichts der Reisebeschränkungen wegen der Corona-Pandemie nicht schon schwierig genug, haben viele von ihnen derzeit auch noch mit einem anderen Problem zu kämpfen. Airlines sichern sich gegen die Schwankungen des Ölpreises ab und diese Preissicherungsgeschäfte bescheren ihnen nun gerade hohe Verluste.So belastete die negative Marktwertentwicklung von Hedges zur Treibstoffkostenabsicherung das Finanzergebnis der Lufthansa in den ersten drei Monaten des Jahres mit 950 Mill. Euro. 60 Mill. Euro bezogen sich dabei auf Hedges, die im ersten Quartal ausgelaufen sind und das Ergebnis cashwirksam belastet haben. Der restliche Betrag spiegelt die Bewertung zukünftig auslaufender Absicherungen zum Stichtag 31. März wider. Das deutlich schlechtere Finanzergebnis war neben den Umsatzeinbußen infolge der Coronakrise ein maßgeblicher Grund für den Konzernverlust im Startquartal von über 2,1 Mrd. Euro.Nach Berechnungen von Bloomberg haben zehn Fluggesellschaften in Europa und im asiatisch-pazifischen Raum – wo Airlines sich traditionell gegen die Volatilität der Treibstoffpreise absichern – in diesem Jahr bisher etwa 4,65 Mrd. Dollar durch die Sicherungsgeschäfte verloren. Etwa die Hälfte davon entfalle auf Lufthansa (1 Mrd. Dollar) und die International Consolidated Airlines Group, die Muttergesellschaft von British Airways und Iberia (1,5 Mrd. Dollar), so Bloomberg. Andere, die in diesem Jahr Hedging-Verluste erlitten haben, seien Emirates aus Dubai, Air France-KLM, Easyjet und Singapore Airlines. “Gegenwärtig nicht effektiv”Die Hedging-Strategien, die Fluggesellschaften routinemäßig anwenden, sind “in einer Krise wie der gegenwärtigen nicht effektiv”, sagte Carsten Spohr, Vorstandschef der Lufthansa, bei der Präsentation der Quartalszahlen Anfang Juni. Die Hedgingstrategie müsse womöglich angepasst werden, dazu gebe es aber noch keine Entscheidung. Immer wieder hatten die Sicherungsgeschäfte der Lufthansa Verluste eingebrockt. Allerdings geht es bei den Maßnahmen vor allem darum, die großen Ausschläge am Ölpreismarkt abzufedern, Verluste in dem ein oder anderen Jahr sind da sozusagen eingepreist. Allerdings vermutlich nicht in der zuletzt erreichten Höhe. Fluggesellschaften können Call-Optionen kaufen, um sich vor steigenden Treibstoffkosten zu schützen. Um die Transaktion zu verbilligen, verkaufen sie oft gleichzeitig Put-Optionen, was bei fallenden Preisen teuer werden kann.Im Zuge der Pandemie brach die Nachfrage nach Treibstoff ein, der Rohölpreis fiel auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahrzehnten. Lag er zum Jahreswechsel 2019/20 noch bei fast 70 Dollar pro Barrel der Sorte Brent, sackte er Ende März auf knapp über 20 Dollar ab. Seitdem hat sich der Preis zwar erholt, ist mit knapp 35 Dollar aber gerade mal halb so hoch wie Anfang Januar.Bloomberg geht von einer Hedging-Quote von 73 % für Lufthansa aus, bei Ryanair dürften es sogar 90 % sein. Auch Easyjet mit 71 % und Air-France-KLM mit 66 % stünden vor großen Risiken. Als maximal erreichbaren Sicherungsgrad gibt die Lufthansa 85 % an, sie ist aber in der jüngeren Vergangenheit in der Regel deutlich darunter geblieben.Doch nicht nur der Hedging-Anteil spielt eine Rolle, auch der vereinbarte Preis für die Termingeschäfte ist wichtig. Diejenigen, die in den vergangenen Jahren stärker auf stark steigende Ölpreise gewettet haben, stehen nun vor umso größeren Verlusten durch das Hedging. So gibt etwa Air France-KLM an, dass man für die erste Jahreshälfte 2020 zwei Drittel des erwarteten Verbrauchs zu einem Preis von 81 Dollar pro Barrel abgesichert habe.”Wenn wir nicht fliegen, was bedeutet das für unsere Absicherung? Nun, es wird jeden Monat einen gewissen Verlust geben, der dann in die Finanzkosten eingeordnet wird, da nicht geflogen wird”, hatte der mittlerweile zurückgetretenen Lufthansa-Finanzvorstand Ulrik Svensson im Frühjahr vor Analysten gesagt und damit schon einmal auf die Belastungen eingestimmt. Vorteil CondorFein raus ist derzeit in Sachen Treibstoff Lufthansa-Konkurrent Condor. Als sich Condor nach der Pleite des Mutterkonzerns Thomas Cook unter das Schutzschirmverfahren flüchtete, übernahm die Fluggesellschaft das zuvor zentral aus London gesteuerte Hedging selbst. Allerdings mit der Vorgabe, nur für die Dauer des Schutzschirmverfahrens Sicherungskontrakte einzugehen. Dieses sollte eigentlich nur bis Ende März laufen. “Weil sich nun die Dauer des Schutzschirmverfahrens verlängert hat, Condor aber nur bis Ende März hedgen durfte, können wir derzeit unser Fuel zu Marktpreisen beziehen”, teilte Condor auf Nachfrage mit. Angesichts niedriger Kerosinpreise dürfte dies der Fluggesellschaft auf der Kostenseite im Vergleich zu vielen Konkurrenten große Vorteile verschaffen.