Heißer Sommer bringt Schwung in lahmen Speiseeismarkt
Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtSeit Wochen ist es sehr warm, manchmal sogar unerträglich heiß. Die Böden sind trotz einiger Regenfälle hier und da oft genug noch staubtrocken und die Kehlen der Menschen sowieso. Kaum hat man etwas getrunken, schon drängt der Körper nach erneuter Flüssigkeitsaufnahme oder zumindest Abkühlung. Nicht immer muss es Wasser, Fruchtsaft, Cola oder Bier sein, mit denen dieser Wunsch temporär gestillt wird. Neben den Getränkeherstellern profitieren in besonderem Maße auch die Speiseeisanbieter von den tropischen Temperaturen. Sowohl auf dem Weltmarkt als auch in Deutschland liegt hier nach Umsatz die niederländisch-britische Unilever mit ihrer Kernmarke Langnese vorn, in Europa gefolgt von Froneri, die global auf Rang 3 liegt.Der Kunstname Froneri ist vielen noch nicht geläufig, obwohl es inzwischen auch schon wieder zwei Jahre her ist, dass Nestlé, der weltgrößte Lebensmittelkonzern, und die britische R & R Ice Cream, die der französischen Beteiligungsgesellschaft PAI Partners gehört, ihre Speiseeisaktivitäten in besagtes Gemeinschaftsunternehmen eingebracht haben. Die Transaktion ist im Zusammenhang mit Nestlés Bemühungen zu sehen, das Portfolio auf wachstums- und ertragsstarke Geschäftsfelder auszurichten. Das europäische Speiseeisgeschäft zählt nicht dazu, denn hier treten die Erlöse seit Jahren auf der Stelle. In den entwickelten Märkten Europas und Nordamerikas sind die Bedingungen schwierig. Das Wachstum wird durch ein steigendes Ernährungsbewusstsein bei Verbrauchern, Konkurrenz aus anderen Kategorien – zum Beispiel Joghurt – und mitunter ungünstige Witterungsbedingungen gedämpft. Rund 8 Liter pro Kopf und JahrAbzulesen ist das auch am Verbrauch in Deutschland. Hierzulande werden seit langer Zeit pro Kopf knapp 8 Liter Speiseeis per annum konsumiert (siehe Grafik). Über 8 Liter lagen die Bundesbürger nach Daten von Destatis letztmalig 2008. Und an die 9-Liter-Marke kam man letztmals im Jahrhundertsommer von 2003 heran. Genau das – ein ungewöhnlich langer Sommer mit überdurchschnittlich hohen Temperaturen – bringt Branchenkenner nun zu der Annahme, dass der Eiskonsum 2018 deutlich über 8 Liter pro Kopf liegen wird; vorausgesetzt es kommt nicht kurzfristig zu einem radikalen Wetterumschwung.Nutznießer der erwarteten Absatz- und Umsatzsteigerung werden nicht nur Eisdielen und Softeisanbieter (z. B. Fast-Food-Ketten) sein, die für etwa 17 % bzw. 3 % des knapp 2,1 Mrd. Euro (2017) großen deutschen Speiseeismarktes stehen, sondern auch die Markeneishersteller, die nach Schätzungen vier Fünftel des Marktes besetzen (siehe Grafik).Unilever hält nach früheren Erhebungen etwa ein Drittel des deutschen Markeneismarktes, Froneri (Nestlé/R & R) kommt auf rund 11 %. Handelsmarken wie Grandessa und Monarc (Aldi) oder Happy-Mix (Lidl) machen fast die Hälfte des Marktes aus, der Rest verteilt sich auf kleinere Anbieter. Die Trennung nach Markeneis und Handelsmarken ist im Übrigen diskutabel: Aus Handelskreisen heißt es, dass sich hinter Grandessa und Monarc das Markeneis von Schöller verbirgt und hinter Happy-Mix Langnese.Langfristig erwartet Froneri, von der kostengünstigen Produktion und der starken Präsenz im Einzelhandel von R & R zu profitieren – und von den starken Nestlé-Marken. Denn bei Froneri sind nun Schöller, Mövenpick, Häagen-Dazs und Frisco von Nestlé unter einem Dach vereint mit diversen Handelsmarken von R & R sowie dem von den Briten in Lizenz produzierten Speiseeis der Markenfamilien Milka, Toblerone, Oreo und Daim; diese vier Labels gehören dem US-Konzern Mondelez, der 2012 aus der Aufspaltung von Kraft Foods hervorging. Auch Eis der Marke Landliebe, eine Marke von Friesland-Campina Germany, wird von R & R bzw. Froneri in Lizenz hergestellt. Bis voriges Jahr wurde auch Speiseeis unter den Marken Mars, Snickers, Bounty und Twix vertrieben; doch die Lizenzen des Lebensmittelriesen Mars sind 2017 abgelaufen, und der US-Konzern hat nun Produktion und Vertrieb wieder selbst in die Hand genommen.Froneri, deren Kapital zu gleichen Teilen bei Nestlé und PAI liegt und deren Hauptsitz sich in Großbritannien befindet, kommt auf Erlöse von geschätzt 2,6 Mrd. Euro, von denen etwa 700 Mill. Euro auf das Konto von R & R gehen. Das Joint Venture ist in 22 Ländern vertreten, die meisten davon in Europa. So erklärt sich, warum beispielsweise die in den USA bekannte Eismarke Dreyer’s von Nestlé nicht zum Markenportfolio von Froneri gehört. Nummer 1 ist Unilever Über Marktanteile wird in der Branche ungern geredet, und in den Bilanzen wird recht erfolgreich verschleiert, wie viel Umsatz einer Division – etwa bei Unilever oder Nestlé – auf Speiseeis entfällt. Auch Froneri veröffentlicht keine Zahlen. Branchenexperten schätzen jedoch, dass Unilever mit ihrer Heartbrand Langnese auf einen Weltmarktanteil von 23 % und Froneri auf knapp 12 % kommt. Nestlé allein kam vor Gründung des Joint Ventures auf 11 %, R & R auf weniger als 1 %.