IM GESPRÄCH: MICHAEL SCHMIDT

Heiztechnik-Krämer statt Telekom-Nischenanbieter

Die einstige Neuer-Markt-Firma 3U Holding investiert in die Cloud, erneuerbare Energien und den Online-Vertrieb sanitärer Anlagen

Heiztechnik-Krämer statt Telekom-Nischenanbieter

scd Frankfurt – Über zehn Jahre ist es her, dass aus der 3U Telecom die 3U Holding wurde. Man wollte sich als Beteiligungsgesellschaft im Technologiesektor und bei Sanierungsfällen etablieren. Noch heute findet sich die Telekomvergangenheit unter dem Holding-Dach. Und es gibt eine weitere Konstante: Aufsichtsratschef Michael Schmidt ist mit 25,5 % Hauptaktionär und hat seinen Anteil gegenüber 2007 sogar noch ausgebaut.Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung zeigt sich Schmidt trotz des Leidenswegs des Unternehmens, dessen Umsatz sich binnen eines Jahrzehnts von 100 auf 50 Mill. Euro halbiert hat, optimistisch, die Weichen richtig gestellt zu haben. “Wir haben bereits 2008 begonnen, ein rein cloudbasiertes ERP-System zu entwickeln, weil uns damals schon klar war, dass die Zukunft nicht der Lizenzsoftware, sondern der Cloud gehören wird”, erläutert Schmidt die Entstehungsgeschichte der Cloud-Softwarefirma Weclapp, die als Spin-off ausgegründet wurde. Über fünf Jahre habe man hier vor allem investiert. “In der Spitze hatten wir dort 40 bis 45 Entwickler beschäftigt und haben insgesamt einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag investiert”, erzählt er. 2013 habe man die ersten Kunden gewonnen. Mittlerweile zähle man mehr als 2 000 Kunden mit täglich über 8 000 Anwendern. Die daraus abzuleitende geringe Größe der Unternehmenskunden sei nicht indikativ für das Potenzial der Software. “Wir hatten anfangs auf Unternehmen mit 5 bis maximal 100 Mitarbeitern gezielt. Mittlerweile haben wir auch Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern im Visier.” Der Umsatz soll dieses Jahr über 3 Mill. Euro steigen, 2017 waren es noch 2 Mill. Euro.In Relation zum gesamten Geschäft der 3U ist Weclapp damit zwar noch eine kleine Nummer. Schmidt erwartet allerdings weiter starkes Wachstum. Obwohl die Cloud-Verträge in “rund 70 %” der Fälle nur für 24 Monate abgeschlossen werden, rechnet er mit rund acht Jahren, die ein Cloud-Kunde im Schnitt einem System treu bleibt. Beim alten Lizenzsoftware-Modell waren es eher zehn bis zwölf Jahre, in der Cloud fehlen diesbezüglich aber noch Erfahrungswerte.An Komplexität, Support etc. von großen Anbietern von Software zur Ressourcenplanung (ERP) wie SAP oder Oracle kommt Weclapp natürlich nicht heran. Ziel ist es aber, bei Firmen zum Einsatz zu kommen, die ein weniger komplexes und günstigeres ERP-System suchen, das mit SAP kompatibel ist. So hat laut Schmidt etwa der Dax-Konzern Siemens Weclapp bei einer Tochtergesellschaft im Einsatz. Allerdings sei so eine Produkteinführung bei Großkonzernen auch zeitraubend. Bis dort alles gelaufen sei, habe es sicher eineinhalb Jahre gedauert. Das Interesse sei aber durchaus da – auch weil Weclapp um ein Vielfaches günstiger sei als weitere SAP-Lizenzen.Neben Cloud-Software hat 3U auch eine Sparte für erneuerbare Energien. Den meisten Umsatz macht das Unternehmen aber mit einem Online-Handel für Sanitär-, Heiz- und Klimatechnologie. Die Tochter Selfio ist, seit sie 2011 unter das Dach von 3U kam von 1 Mill. Euro Umsatz auf 16 Mill. Euro 2017 gewachsen. “Im Wettbewerb mit anderen Online-Händlern wie Amazon ist es für uns wichtig, einen hohen Anteil erklärungsbedürftiger Produkte zu haben”, erläutert Schmidt. “Fußbodenheizung, Gastherme, Wärmepumpe – solche Produkte werden Sie nie bei Amazon direkt kaufen können.” Der US-Online-Händler werde es nicht leisten, die Fragen der Kunden zeitnah zu beantworten. Daher habe Selfio auch in Zukunft eine “Daseinsberechtigung”.Laut Schmidt verdienen derzeit alle wesentlichen Tochtergesellschaften Geld. “Das war in den vergangenen Jahren natürlich nicht immer so”, räumt er ein. Selbst für das nicht immer leichte Geschäft mit erneuerbaren Energien geht er davon aus, dass sich dieses weiter positiv entwickeln wird. “Weil die konventionellen Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke künftig kaum unter Volllast betrieben werden können, muss man heute davon ausgehen, dass diese Stromgestehungskosten von mindestens 7 Cent je Kilowattstunde haben werden. Die preiswerteste erneuerbare Energie, die heute schon günstiger ist, ist die Windenergie onshore mit mindestens 4 Cent je Kilowattstunde.” 3U wolle daher auch künftig nur onshore investieren. Allerdings hat 3U auch wenig Optionen. “Offshore können wir uns nicht leisten.”