Finanzierung

Delivery Hero erschließt den Debt-Markt

Mit der ersten großen Debt-Finanzierung sorgte Delivery Hero für Aufsehen. Der Essenslieferdienst drang damit in den klassischen Kreditmarkt vor. Diese Transaktion zeichnet die Jury des Corporate Finance Award mit dem Preis in der Kategorie Debt aus.

Delivery Hero erschließt den Debt-Markt

CORPORATE FINANCE AWARD: DIE PREISTRÄGER (4)

Delivery Hero erschließt den Debt-Markt

Syndizierte Kreditlinie bringt gut 1 Mrd. Euro Bruttozufluss – Verbreiterung der Finanzierungsbasis – Wandelschuldverschreibungen spielen große Rolle

Mit der ersten großen Debt-Finanzierung sorgte Delivery Hero im vergangenen Jahr für Aufsehen. Der Essenslieferdienst drang damit in den klassischen Kreditmarkt vor. Diese Transaktion zeichnet die Jury des Corporate Finance Award mit dem Preis in der Kategorie Debt aus. Zuvor basierte die Finanzierung auf Eigenkapital und Wandelanleihen.

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Der Abschluss einer Fremdfinanzierung ist normalerweise Routine. Kein Vorgang, der besondere Beachtung verdient. Anders im Falle Delivery Hero. Das Kreditpaket, das der Essenslieferdienst im Mai vergangenen Jahres unter Dach und Fach brachte, kam einem Paukenschlag gleich. Es bestand aus syndizierten Kreditlinien im Volumen von gut 1 Mrd. Euro sowie einer revolvierenden Konsortialfinanzierung über 425 Mill. Euro. In Summe 1,5 Mrd. Euro.

Vor einem Jahr befand sich Delivery Hero aus Sicht mancher Investoren in einer heiklen Situation. Obwohl Restaurantschließungen, Kontaktbeschränkungen und das Arbeiten im Homeoffice für einen beeindruckenden Verkaufsboom gesorgt hatten, blieben die operativen Verluste hoch. Die damals noch im Dax vertretene Aktie befand sich auf Talfahrt – ausgehend vom November-Top 2021 von 128,50 Euro sackte die Notierung bis zum Tief im Mai 2022 um 80% ab. Eine enttäuschende Prognose löste einen Kurssturz um gut 30% an einem einzigen Handelstag im Februar aus. Analysten diskutierten die Frage, wie Delivery Hero die im Januar 2024 fällige Wandelanleihe-Tranche zurückzahlen kann.

In dieser Gemengelage schaffte es CFO Emmanuel Thomassin, mit dem Darlehensvertrag die Gemüter zu besänftigen. Die syndizierte Kreditlinie, die in eine Dollar- und eine Euro-Tranche aufgeteilt ist, bescherte 1,06 Mrd. Euro Mittelzufluss brutto. Erstmals brachte das 2011 gegründete Unternehmen eine große Debt-Finanzierung unter Dach und Fach. Damit gelang es dem CFO, die Finanzierungsbasis zu verbreitern.

Rückzahlung gesichert

Die Refinanzierung der 2024 und 2025 auslaufenden Convertibles sei nun gesichert, konstatierte beispielsweise das Investmenthaus Bryan Garnier zufrieden. Diese Leistung hat die Jury des Corporate Finance Award überzeugt. Sie wird mit dem Preis in der Kategorie Debt gewürdigt. Die syndizierte Fremdfinanzierung sei auch aus heutiger Sicht wichtig und erfolgreich, sagt Thomassin im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Sie verschaffe dem Unternehmen zusätzliche Optionalitäten. Zuvor hatte sich Delivery Hero vorwiegend über neue Aktien und über Wandeldarlehen finanziert.

Nun kommt der Debt-Capital-Markt hinzu, was die Abhängigkeit vom Aktienkurs verringert. Damit steht die Transaktion gleichsam für den Sprung vom Start-up zum etablierten Unternehmen. Vor allem die Erschließung des US-Debt-Markt sei wichtig gewesen, sagt Thomassin: „Das hat für eine gewisse Begeisterung gesorgt.“

Die Transaktion sei auf hohe Nachfrage gestoßen. Das angebotene Kreditvolumen sei deutlich höher gewesen als angenommen. „Wir hätten mehr Geld aufnehmen können, aber wir haben den Bedarf dafür nicht gesehen“, sagt der 1969 geborene Manager, der seit Januar 2014 die Finanzen des Konzerns verantwortet. Normalerweise rechne man mit zwei bis drei Wochen Zeit für die Ansprache der Investoren. „Das haben wir binnen fünf Werktagen abgeschlossen“, berichtet der Finanzvorstand.

Zinssatz steigt

Hilfreich war sicher auch die Ankündigung des Managements, im Jahr 2023 die Verlustzone zu verlassen und auf Konzernebene vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Sonderfaktoren (bereinigtes Ebitda) schwarze Zahlen zu schreiben. Inzwischen siedelt das Management die Margenprognose bei mehr als 0,5% des über die Plattform abgewickelten Bruttowarenvolumens an.

Mindestens so wichtig wie das operative Ergebnis ist die Prognose, während der zweiten Hälfte 2023 die Gewinnschwelle beim Free Cashflow zu erreichen. Wie Delivery Hero das laufende Jahr aktuell einschätzt, dürfte am 27. April bekannt werden. Dann veröffentlicht das Management den Geschäftsbericht 2022 und Leistungsdaten des ersten Quartals 2023.

Die Dollar-Kredittranche hat ein Volumen von 825 Mill. Dollar, die Euro-Tranche von 300 Mill. Euro. Auf Bankenseite waren J.P. Morgan, HSBC, Unicredit und Barclays involviert. Für beide Kreditlinien gibt es laut Firmenangaben mehrere vorzeitige Rückzahlungsoptionen. Die Laufzeit der Syndikatsdarlehen erscheint komfortabel – die Fremdmittel sind im August 2027 fällig. Deutlich gestiegen ist allerdings die Zinsbelastung, denn die Basiszinssätze Sofr bzw. Euribor sind infolge der Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik in die Höhe geschossen. In Kombination mit dem fixen Aufschlag von 5,75% bewegt sich der Zinssatz für die beiden Tranchen im Durchschnitt bei 10%.

Der Zinsanstieg war laut Thomassin damals absehbar, er sei in der Planung berücksichtigt worden. Gewappnet hat sich der Konzern dafür mit Zinsswaps, die die Mehrbelastung dämpfen. Außerdem macht der CFO geltend, dass dann nun auch wieder Zinserträge hereinkommen. Denn Delivery Hero verfügte Ende 2022 über 2,4 Mrd. Euro Liquidität, die angelegt werden können.

Nach wie vor aktuell ist das damals vergebene S&P-Rating von „B−“, das im hochspekulativen Bereich anzusiedeln ist. Thomassin hebt jedoch hervor, dass der Ausblick positiv sei. Er rechnet damit, dass sich die Einstufung angesichts des Vorstoßens in die operative Gewinnzone und einen positiven Cashflow verbessern dürfte.

Die Vorteile des Liquiditätspolsters weiß der CFO ausdrücklich zu schätzen, nicht nur angesichts des unsicheren Makroumfelds: „Für unser Geschäft ist Cash sehr wichtig.“ Das gelte sowohl für den operativen Bereich, etwa mit Blick auf Marketingkampagnen, als auch für mögliche Verhandlungen über M&A-Transaktionen. Zudem bestehe die Option, die Kreditlinien zurückzuführen oder Wandelanleihen zurückzukaufen.

Der mit einem Bankenkonsortium vereinbarte revolvierende Konsortialkredit läuft drei Jahre. Er kann zweimal um jeweils ein Jahr verlängert werden. Zur Besicherung der Kredite hat Delivery Hero Bankkonten und Anteile an Tochtergesellschaften verpfändet, geht aus dem Halbjahresbericht 2022 hervor.

Bedeutendste Finanzquelle bleiben – neben Eigenkapital – die Wandelanleihen. Kaum ein anderes Unternehmen nutzt Convertibles so intensiv wie Delivery Hero. Erst im Februar hat der in Berlin ansässige Konzern 1 Mrd. Euro über einen neuen Wandler beschafft. Dieses Finanzierungsinstrument bietet dem Emittenten zwei Vorteile: Die Zinsen sind deutlich niedriger als bei einem klassischen Bond, die Verwässerung im Falle einer Wandlung ist geringer als bei einer reinen Aktienemission und sie erfolgt später.

Für den neuen, bis Februar 2030 laufenden Convertible sind 3,25% Zinsen im Jahr zu zahlen. Parallel zur Emission wurden 476 Mill. Euro der 2024 auslaufenden Wandelanleihe und 250 Mill. Euro des 2025 fälligen Convertible zurückgekauft. Per saldo bedeutet das eine Verschiebung der durchschnittlichen Fälligkeit nach hinten. In Kombination mit der Liquidität und dem abnehmenden Cash Burn dürfte Delivery Hero damit fürs Erste durchfinanziert sein. „Für das Geschäft selbst sind wir gut aufgestellt“, bestätigt Thomassin diese Einschätzung.

Somit hängt der weitere Finanzbedarf vor allem von Transaktionen ab. Der CFO rechnet fest mit einer weiteren Konsolidierung der Branche. Das könne sowohl zu weiteren Übernahmen als auch zum Verkauf von Teilen des Portfolios führen.

Der Charme der Wandler

Das Gesamtvolumen der sieben ausstehenden Wandelanleihen-Tranchen summiert sich auf 4,66 Mrd. Euro. Es verteilt sich auf die Jahre 2024 bis 2030. Die Kupons bewegen sich zwischen 0,25 und 3,25%, die anfänglichen Wandlungspreise reichen von 57,75 Euro über 98 und 143,925 bzw. 148,975 Euro bis 183,12 Euro. Ob es in größerem Umfang zu Wandlungen in Aktien kommt, ist angesichts des aktuellen Aktienkurses von 31,50 Euro fraglich, aber auch nicht ausgeschlossen, da das Wertpapier mitunter recht heftige Kursausschläge aufweist und bis zur Fälligkeit noch Zeit ins Land geht.

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