Henkel erhält dritte Chance für Wella-Kauf

Große Übernahme könnte Bilanz von Vorstandschef Hans Van Bylen verbessern

Henkel erhält dritte Chance für Wella-Kauf

Von Antje Kullrich, DüsseldorfSeit Anfang dieser Woche schäumt und brodelt die Gerüchteküche in der Kosmetikwelt: Zum dritten Mal seit der Jahrtausendwende steht der Haarpflegeanbieter Wella zum Verkauf. Als erste potenzielle Käuferadresse gilt Henkel. Der familiendominierte Düsseldorfer Dax-Konzern hatte im Wettstreit um den Konkurrenten bereits zweimal das Nachsehen. Erst Procter & Gamble, dann Coty schnappten sich Wella, und Henkel wandte sich anderen Übernahmezielen zu.Offiziell nimmt Henkel wenig überraschend keine Stellung zu einem möglichen Interesse, doch intern dürfte sich die M&A-Abteilung längst an die Arbeit gemacht haben. Eine so große Akquisition – Coty stellt nach eigenen Angaben einen Umsatz von 2,7 Mrd. Dollar ins Schaufenster – wäre für die schwächelnde Kosmetiksparte von Henkel ein Risiko, aber auch eine Chance für den seit geraumer Zeit glücklos agierenden Konzernchef Hans Van Bylen. Der könnte eine Erfolgsmeldung in Form einer großen M&A-Transaktion gut gebrauchen – sofern der Kaufpreis nicht astronomische Höhen erreicht. Denn spätestens nach der Gewinnwarnung im August steht der Henkel-Lenker erheblich unter Druck, da er die seit vielen Quartalen anhaltenden Probleme in der Kosmetik bislang nicht in den Griff bekommen hat.Henkel spielt anders als im Klebstoffgeschäft, in dem der Konzern Weltmarktführer ist, in der Schönheitsbranche nicht in der ersten Liga. Lediglich in Nischenmärkten schafft es das Unternehmen, das ein Fünftel seines Umsatzes mit Haar- und Körperpflege macht, in die Spitze. Bei Haar-Colorationen rangiert Henkel nach eigenen Angaben global auf Position 3, ebenso wie im Friseurgeschäft. Mit Wella zusammen, die Nummer 2 im weltweiten Geschäft mit Friseuren ist, würde Henkel Marktführerin L’Oréal auf die Pelle rücken. Die Düsseldorfer könnten sich noch stärker als Haarpflegespezialist positionieren und dort zu einer echten Größe aufsteigen.Ein Kauf von Wella wäre in der derzeitigen Situation für Henkel jedoch ein Kraftakt. Eine aufwendige Integration käme zu den aktuell drängenden Hausaufgaben noch on top. Die eigene Kosmetiksparte ist in einer für Henkel-Verhältnisse desaströsen Verfassung. Der Umsatz schrumpft und die operative Marge geht drastisch zurück. Henkel reagierte auf die anhaltenden Probleme Anfang dieses Jahres mit einer Investitionsoffensive, deren Effekte bis zum Halbjahr jedoch noch nicht zu spüren waren. Unumwunden sprach der Vorstand nach dem zweiten Quartal von einer enttäuschenden Entwicklung in den reifen Märkten und in China. Die Kappung des Umsatz- und Ergebnisziels für den Konzern war vor allem eine Folge der stark zurückgenommenen Erwartungen in der Kosmetiksparte.Noch bitterer für Henkel dürfte der scharfe Kontrast zur Konkurrenz sein. Beim Konsumgüterriesen Procter & Gamble läuft es derzeit prächtig, der US-Konzern hob gerade seine Jahresprognosen für Erlös und Gewinn an. Und auch der heimische Wettbewerber Beiersdorf macht Henkel in Sachen Wachstum derzeit etwas vor und kommt organisch munter voran.Die Finanzierung einer Milliarden-Akquisition wie Wella wäre für Henkel wohl die geringste Sorge, auch wenn die Nettoverschuldung nach dem Kauf des US-Waschmittelherstellers Sun Products 2016 noch bei knapp 3 Mrd. Euro liegt. Doch Henkel generiert viel freien Cash-flow für den Schuldenabbau – zum Halbjahr war es fast 1 Mrd. Euro.Finanzvorstand Carsten Knobel hatte im Interview vor einem Jahr deutlich gemacht, dass Henkel zwar an seinem “A”-Rating festhalten wolle, aber in dieser Frage nicht dogmatisch sei. “Wenn eine einmalige Gelegenheit (. . .) käme, dann muss man auch flexibel sein”, hatte der CFO damals erklärt (vgl. BZ vom 22.9.2018). An dieser grundsätzlichen Einstellung dürfte sich bis heute wenig geändert haben.