IM INTERVIEW: ALEXANDER MARGARITOFF

"Herrn Meyers Verhalten ist nicht freundlich"

Hawesko-Chef kritisiert bescheidene Kaufofferte und Verhalten von Großaktionär - Kein Umsatzeinbruch im Weihnachtsgeschäft

"Herrn Meyers Verhalten ist nicht freundlich"

– Herr Margaritoff, wie geht es?Sehr gut. Wir haben viel zu tun. Wir sind mitten im Weihnachtsgeschäft, das ist eine besondere Zeit für uns im Weinhandel. Wir erwirtschaften 40 % unseres Jahresumsatzes im vierten Quartal und die Hälfte des Gewinns. Das heißt, hier ist volle Konzentration notwendig – auch im Vorstand. In diese Zeit fällt der Übernahmeversuch von Herrn Meyer – eine Initiative, die wir nicht als freundlich betrachten.- Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem Großaktionär beschreiben?Wir hatten bis zu seinem überraschenden Vorstoß einen guten Umgang miteinander. Unser Verhältnis war sachlich, wie sich das für gute, gewissenhafte Geschäftsleute gehört.- Hat sich das seit dem Bekanntwerden der Übernahmeofferte am 7. November geändert?Ich bin überrascht, ich bin aber auch enttäuscht, wie das alles gelaufen ist. Ich hätte mir gewünscht, dass Herr Meyer seine Anliegen offen mit dem Vorstand, dem Aufsichtsrat und mit mir diskutiert.- Hat er das nicht?Nein. Mich hat die Offerte vollkommen, zu 100 %, überrascht. Herr Meyer ist seit fast zehn Jahren Aktionär der Firma, seit vielen Jahren gehört er dem Aufsichtsrat an. Da wäre ein anderes Vorgehen denkbar und auch möglich gewesen.- Liegt er mit seinen Anliegen denn so daneben?Was sind denn seine wirklichen Anliegen? In seinem Übernahmeangebot geht es vordergründig um zwei Dinge: Er will eine Reduzierung der Dividende durchsetzen, und er strebt die Verjüngung des Managements, einen Generationswechsel an. In Wirklichkeit geht es ihm schlicht darum, selber den Kurs von Hawesko zu bestimmen. Die Dividendenpolitik der Firma ist sehr konstant und wurde von Herrn Meyer nie kritisiert. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren, seit Herr Meyer Aktionär ist, die Dividende immer erhöht oder zumindest stabil gehalten. Wir sind im Kapitalmarkt bekannt als ein Dividendenwert. Das ist eines der Kernmerkmale unseres Konzerns. Herr Meyer, der in Hauptversammlungen seine Stimme immer geltend gemacht hat, hat sich nie gegen diese Dividendenpolitik gestellt. Eine Thesaurierung von Gewinnen hat er nie gefordert. Im Gegenteil: Die Ausschüttungen hat er immer begrüßt. Insofern verstehe ich sein Verhalten jetzt nicht.- Herr Meyer sagt, hätte er sie im Vorhinein über die Offerte und seine Anliegen informiert, dann wären Sie als Vorstandsvorsitzender und Großaktionär in einen Interessenkonflikt geraten.Das ist sehr rücksichtsvoll von ihm. Und in welche Situation hat er das Unternehmen und mich jetzt gebracht? Wie der Aufsichtsrat in seiner verständlicherweise bewusst zurückhaltenden Stellungnahme zutreffend festgestellt hat, hätte man von einem an einer konstruktiven Zusammenarbeit mit dem Management interessierten Bieter üblicherweise eine Abstimmung oder doch zumindest eine vorherige Information des Vorstands erwartet. Dazu hat Herr Meyer es sehr eilig gehabt, nach der Ankündigung seines Angebots die Unterlage bei der BaFin einzureichen und sie zu veröffentlichen, die Annahmefrist für das Angebot wurde auf vier Wochen begrenzt. Kürzer hätte man es kaum aufziehen können. Wir stehen seitdem unter immensem Druck. Herrn Meyers Verhalten ist nicht freundlich.- Noch einmal gefragt: Ist es nicht problematisch, dass Sie zugleich Vorstandsvorsitzender und Großaktionär sind, allerdings ohne Mehrheitsbeteiligung?Ich bin überzeugt, dass diese Doppelrolle ein großer Vorteil für die Firma ist. Es wird damit doch dokumentiert, dass der Sohn des Gründers, der seit 33 Jahren erfolgreich für das Unternehmen arbeitet, mit Herz und Seele dabei ist. Natürlich bin ich weiter Vorstandsvorsitzender mit einer Reihe von Aufgaben und Pflichten gegenüber dem Unternehmen und seinen Aktionären. Soweit es das Angebot von Herrn Meyer betrifft, gibt es aber eine Reihe von Themen, bei denen ich Ihnen als Aktionär antworte. Bei der Stellungnahme des Vorstands habe ich mich zurückgehalten. Den Beschluss, die Offerte abzulehnen, haben die übrigen drei Vorstandsmitglieder gefasst.- Es handelt sich also um ein sauberes Verfahren, das den Prinzipien guter Unternehmensführung gerecht wird?Ja. Beide Rollen werden strikt getrennt. Das nimmt Herr Meyer für seinen deutlich massiveren Interessenkonflikt als Aufsichtsrat und feindlicher Bieter ja ebenfalls in Anspruch.- Seit zehn Jahren ist Herr Meyer dabei, er kennt Hawesko und sieht sich als langfristig orientierten Investor. Er will dem Unternehmen nicht schaden, sondern dringt auf ein behutsameres Wachstum. Was ist dagegen zu sagen?Bei allem Respekt: Wenn er dem Unternehmen nicht schaden wollte, hätte er seine Anliegen ganz anders vorbringen können, als er es jetzt getan hat. Er hätte seine Themen im Aufsichtsrat oder in einem Gespräch mit mir ansprechen können. Das hat er nie gemacht. Die Dividendenvorschläge, die im Übrigen immer vom Finanzvorstand und nicht von mir kommen, hat Herr Meyer akzeptiert. Im Übrigen zeigt die Entwicklung des Konzerns, dass eine Halbierung der Ausschüttungsquote auf 40 bis 50 % gar nicht notwendig ist. Seit ich die Firma von meinem Vater vor 33 Jahren übernommen habe, wurden Umsatz und Gewinn verhundertfacht. Wir haben etliche Firmen hinzugekauft und trotzdem üppige Dividenden an unsere Aktionäre gezahlt. Das zeigt, wie stark dieses Unternehmen ist. Wir haben eine sehr solide Bilanz. Dass Hawesko für künftige Übernahmen die Dividende kürzen müsste, ist aus meiner Sicht ein vorgeschobener Grund. Das ist nicht stichhaltig.- Ihr Ziel, den Umsatz bis 2020 auf 1 Mrd. Euro zu verdoppeln, ist aus heutiger Sicht angesichts der Ertrags- und Finanzlage nicht zu ambitioniert?Der Plan ist sicherlich ehrgeizig. Aber man muss sich auch ambitionierte Ziele setzen im Leben. Unsere internen Berechnungen belegen, dass wir auch mit den Gewinnen, die wir in Zukunft erwirtschaften, in der Lage sein werden, den notwendigen Expansionskurs zu fahren. Wir haben in den vergangenen 33 Jahren in jedem Jahr um durchschnittlich 15 % zugelegt. Für eine Verdopplung des aktuellen Jahresumsatzes brauchen wir, wenn wir das Wachstum der Vergangenheit zugrunde legen, fünf Jahre. Wir geben uns sechs Jahre Zeit. Wir sind finanzstark. Wir haben alles, was man braucht, um in diesem sehr fragmentierten Weinmarkt zügig voranzukommen. Wir haben beste Voraussetzungen – sei es mit unseren Verbindungen zu Lieferanten, mit unseren Auslandserfahrungen, mit unserem Management -, um das Umsatzziel zu erreichen.- Herr Meyer sagt, das benötigte Wachstum müsse solide finanziert werden. Ist die Forderung berechtigt?Herr Meyer bestätigt das Offensichtliche. Wer unsere Bilanz kennt, der weiß, wie solide Hawesko ist. Wir haben praktisch keine Nettoschulden bei Banken, am Jahresende werden die Verbindlichkeiten etwa 5 Mill. Euro betragen bei einer Bilanzsumme von einer Viertelmilliarde Euro. Solider geht es kaum, das zeigt auch unsere Historie. Wir sind ein hanseatisches Unternehmen und als solches nicht darauf aus, etwas zu unternehmen, was die Existenz von Hawesko gefährden könnte.- Ist die operative Marge von rund 5 % mit Blick auf das anspruchsvolle Wachstumsziel nicht zu gering?Die Ebit-Marge in diesem Jahr ist auf Sonderaufwendungen im Zusammenhang mit einer Expansion zurückzuführen. In den vergangenen Jahren lag die Ebit-Marge bei 6 bis 7 %. Die Profitabilität des Unternehmens ist höher. Es ist selbstverständlich, dass man sich gegen den Fall steigender Zinsen absichert, wenn man eine Akquisition unternimmt.- Vorstand und Aufsichtsrat lehnen den Angebotspreis von 40 Euro je Aktie als zu niedrig ab. Wo liegt denn der wahre Wert von Hawesko?Berenberg und KPMG haben im Auftrag des Vorstands Gutachten vorgelegt, die einen höheren fundamentalen Wert implizieren. Darüber hinaus verfolgen ein Dutzend Analysten die Hawesko-Aktie, wobei eine Reihe den aktuellen Kurs für zu gering hält. Der Aufsichtsrat hat sich auf Grundlage unabhängiger Berater auch dieser Meinung angeschlossen. Im Angebotspreis von 40 Euro je Aktie fehlt im Übrigen auch noch eine Prämie für die Kontrolle der Gesellschaft.- Aber wo liegt der wahre Wert denn? Herr Meyer sagt, die Hawesko-Aktie sei schon hoch bewertet.Eine Zahl werde ich Ihnen jetzt sicher nicht nennen. Der Wert liegt aber oberhalb der 40 Euro. Hawesko ist das einzige Unternehmen weltweit, das im gehobenen Weinsegment in allen drei Vertriebskanälen in einem großen weintrinkenden Land führend ist. Im stationären Handel sind wir mit Jacques’ Weindepot mit Abstand die größte Weinhandelskette in Deutschland. Wir sind 2013 mit 1,3 Millionen Privatkunden mit Abstand Marktführer. Wir sind im Großhandel mit Abstand Marktführer. Insgesamt gibt es kein Unternehmen, das weltweit so aufgestellt ist wie wir. Es gibt kein Unternehmen, das solch freundschaftliche Beziehungen zu den besten Weingütern in aller Welt hat. Wir haben Managementerfahrung und Know-how, die ihres Gleichen suchen. Wir haben eine blitzsaubere Bilanz. Wir sind in einem Markt tätig, der weltweit wächst, der gehobene Weinmarkt ist ein Wachstumsmarkt. Ich kann schon verstehen, dass Herr Meyer eine Kontrolle anstrebt – aber bitte nicht zu dem Preis und nicht in der Art und Weise, wie er vorgeht. Das geht überhaupt nicht.- Sie sagen, das Unternehmen hätte viel Know-how und freundschaftliche Beziehungen. Zugleich lenken Sie als Gründersohn seit gut drei Jahrzehnten die Firma. Wie abhängig ist Hawesko von Alexander Margaritoff?Es geht nicht um Personen, sondern um das Unternehmen. Wir sind sehr gut aufgestellt. Natürlich bin ich als Sohn des Firmengründers derjenige, der das Unternehmen in den letzten 33 Jahren mit meinen Kollegen geleitet und aufgebaut hat. Als derjenige, der sehr gute Beziehungen zu den Top-Winzerfamilien in der Welt hat, bin ich vielleicht so etwas wie die Gallionsfigur im Hawesko-Konzern. Und ich stehe sehr bewusst für unsere gewachsene familiäre Unternehmenskultur, die von unseren Mitarbeitern und den Geschäftspartnern sehr geschätzt wird und die ein Schlüssel unseres Erfolgs ist.- Aber was würde denn mit dem Konzern passieren, wenn Sie morgen ausscheiden und die Nachfolgefrage nicht geklärt wäre?Wir sind hier so aufgestellt, dass wir sehr gute Leute haben, die meine Tätigkeiten übernehmen könnten. Jeder Mensch ist im Endeffekt ersetzbar. Im Moment bin ich aber für unsere Lieferanten, unsere Kunden und unsere Mitarbeiter das Gesicht und die Seele der Firma.- Ist es nicht ein vernünftiges Anliegen, zusammen mit Ihnen mittelfristig den Generationswechsel vorzubereiten?Das ist nicht nur ein Anliegen von Herrn Meyer, sondern auch des Vorstands, des Aufsichtsrats und nicht zuletzt auch von mir selbst. Der Generationswechsel ist längst im Gange. Einer unserer verdienten Vorstände, Bernd Hoolmans, geht in einigen Tagen in den Ruhestand. Wir haben einen sehr guten Nachfolger als Chef von Jacques’ Wein-Depot gefunden. Über die Nachfolge wurde schon vor drei Jahren im Aufsichtsrat gesprochen. Wir gehen also sehr sorgfältig mit Fragen der personellen Weiterentwicklung um. Auch über die Zukunft von anderen Vorständen, etwa über meine eigene, hat der Aufsichtsrat schon beraten. Das ist im Interesse aller, der Mitarbeiter, der Aktionäre und der Kunden. Dass Herr Meyer eine Viertelmilliarde Euro in die Hand nehmen will, um ein Anliegen durchzusetzen, das sowieso schon auf der Agenda des Unternehmens steht, verstehe ich nicht.- Herr Meyer hat bei den Stimmrechtsanteilen die Schwelle von 30 % überschritten und ist als größter Aktionär doch schon an seinem erklärten Ziel angelangt.Nach unserer Überzeugung strebt Herr Meyer mittelfristig die Kontrolle über das Unternehmen an. Er ist noch nicht am Ziel.- Wie wollen Sie das verhindern?Erst einmal warten wir ab, wie viele Anteile Herr Meyer mit seinem doch sehr bescheidenen Angebot einsammeln kann. Schauen wir mal, wie viele Aktien er innerhalb der nächsten zwei Wochen noch bekommen wird. Der Vorstand ist gehalten, die Interessen des Unternehmens und der Aktionäre vernünftig zu vertreten. In dieser Hinsicht werden Vorstand und Aufsichtsrat alle Möglichkeiten eruieren, die ihnen zur Verfügung stehen.- Der Vorstand empfiehlt den freien Aktionären, innerhalb der Annahmefrist bis zum 22. Dezember das Angebot von Herrn Meyer nicht anzunehmen. Was werden Sie denn machen?Ich werde meine Anteile innerhalb der Annahmefrist nicht verkaufen und kann meinen Mitaktionären nur raten, ebenfalls abzuwarten. Allerdings behalte ich mir vor, meine Anlageentscheidung mit Blick auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft und veränderte strategische Rahmenbedingungen sorgfältig zu überprüfen.- Sie sind auf der Suche nach einem Weißen Ritter. Wie weit sind die Gespräche mit Interessenten?Der Vorstand unterhält sich in diesen Tagen mit vielen Leuten. Das Interesse an einer Perle wie Hawesko ist groß. Sie werden verstehen, dass ich dazu nichts Näheres sagen kann.- Wie sollte Ihr Wunschpartner denn aussehen?Es müsste jemand sein, der zu Hawesko passt. Es müsste jemand sein, von dem der Vorstand überzeugt ist, dass man mit ihm die gesetzten strategischen Ziele erreichen kann.- Wie sehen Sie die Rolle des Aufsichtsrats? Zumindest zwei der sechs Mitglieder stehen ja nicht auf Ihrer Seite.Es ist eine unschöne Situation, in die uns Herr Meyer da gebracht hat. Die anderen Aufsichtsratsmitglieder machen in dieser heiklen Lage einen ausgezeichneten Job. Es wird an Herrn Meyer liegen, den Schaden, den er angerichtet hat, wieder auszubügeln.- Wie soll das gehen? Sehen Sie noch Chancen für ein Miteinander?Ich habe gerade einen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Ich bin dafür bekannt, dass ich mein Wort halte und Probleme offen anspreche. Natürlich ist die Situation schwierig. Aber es geht letztlich nicht um Personen, sondern um das Wohl des Unternehmens. Die Entwicklung der Firma und ihrer Mitarbeiter, die extrem verunsichert sind und einen Halt brauchen, muss im Vordergrund stehen. Die Mitarbeiter sehen in mir den Halt, den ich Ihnen in den letzten drei Jahrzehnten gegeben habe.- Heißt das, Sie können sich eine gemeinsame Zukunft mit Herrn Meyer im Unternehmen vorstellen?Wie gesagt: Es geht mir zuallererst um das Unternehmen. Für offene und vernünftige Gespräche stehe ich immer zur Verfügung.- Wie wirkt sich der Machtkampf mitten in der wichtigen Weihnachtssaison auf Geschäftsentwicklung und Ergebnis von Hawesko aus?Uns entstehen natürlich erhebliche Kosten durch den Übernahmeversuch. Über die Auswirkungen auf das Jahresergebnis kann ich noch nichts sagen. Das Weihnachtsgeschäft läuft zum Glück bislang normal. Einen spürbaren Umsatzeinbruch wegen des Übernahmeversuchs müssen wir nicht befürchten. Allerdings spüren wir große Verunsicherung bei unseren Mitarbeitern. Und das ist nicht gut.—-Das Interview führte Carsten Steevens.