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Hohe Bewertung lässt Netflix-Aktionäre trotz starker Zahlen zweifeln

Netflix hat ihre Stellung als führende Kraft am Streamingmarkt untermauert. Doch nach dem starken Lauf der Aktie in der Vormonaten beginnen Anleger, das weitere Potenzial nach oben in Frage zu stellen.

Hohe Bewertung lässt Netflix-Aktionäre trotz starker Zahlen zweifeln

Streaming-Aktionäre schalten weg

xaw New York

Anleger schalten bei den Aktien der US-Streaminganbieter im laufenden Jahr gehäuft weg – nun muss auch Vorreiter Netflix ein abnehmendes Investoreninteresse fürchten. Zwar vermeldete das Unternehmen aus dem kalifornischen Los Gatos für das zweite Quartal eine Steigerung der Abonnentenzahl um 8,05 Millionen auf 277,65 Millionen Nutzer und übertraf damit die Konsensschätzungen der Analysten, die im Durchschnitt mit einem Zuwachs um 4,5 Millionen gerechnet hatten. Der Nettogewinn von 2,15 Mrd. Dollar fiel zudem höher aus als an der Wall Street prognostiziert, doch der Umsatz lag mit 9,56 Mrd. Dollar 17% zum Vorjahr – und erfüllte die Erwartungen damit lediglich, ohne sie zu übertreffen.

Auch dass Netflix das untere Ende der Prognosespanne für das Erlöswachstum im Gesamtjahr von 13 auf 14% anhob, sorgte zunächst kaum für Begeisterung. Die Aktie gab im nachbörslichen New Yorker Handel am Donnerstag auf die Ankündigung hin zunächst um mehr als 3% nach, bevor sie in den positiven Bereich drehte.

Konkurrenz an der Börse abgehängt

Denn die Anleger werden vorsichtiger, nachdem der Titel im bisherigen Jahresverlauf bereits über 37% zugelegt hat, während die Papiere von Konkurrenten wie Warner Bros. Discovery oder der von einem monatelangen Übernahmedrama durchgeschüttelten Paramount Global seit Anfang Januar um 20% und mehr abgerutscht sind und auch Disney an der Börse deutlich hinterherhinkt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Netflix auf Basis der Gewinnschätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt bei über 31 und damit mehr als zwei Drittel über dem Branchenschnitt.

Noch fällt die Analystenstimmung für die Aktie des Streaming-Vorreiters überwiegend positiv aus: In der Datenbank des Informationsdienstleisters Refinitiv finden sich 29 Kaufempfehlungen, davon elf mit besonderem Nachdruck. Dem stehen inzwischen allerdings auch 16 „Halten“-Vota gegenüber – und zumindest ein Investmenthaus rät zum Verkauf.

Vorstoß ins Live-Streaming

„Netflix hat es geschafft, einen praktisch uneinholbaren Vorsprung in den Streaming-Kriegen aufzubauen", betonen die Analysten der kalifornischen Investmentfirma Wedbush Securities, die zuletzt „Outperform“-Rating für den Titel bekräftigt haben. Es stehe zu erwarten, dass Wettbewerber weiterhin verzweifelt danach trachten würden, dass Geschäftsmodell von Netflix zu kopieren.

Der Marktführer profitierte im zweiten Quartal von Neuerscheinungen wie der dritten Staffel der Hitserie „Bridgerton“ oder der Filmkomödie „Hit Man“. Zudem sind die Bemühungen von Netflix in den Fokus gerückt, die Präsenz im Live-Streaming-Markt zu erhöhen. Ende Januar verkündete das Unternehmen einen zehnjährigen Rechtedeal mit dem Medienkonglomerat TKO Holdings: Im Rahmen der auf 5 Mrd. Dollar bezifferten Vereinbarung wird die Wrestling-Show „WWE Raw“ ab Anfang 2025 exklusiv auf Netflix zu sehen sein. Die Comedy-Sendung „The Roast of Tom Brady“ zog Anfang Mai bereits das größte Live-Publikum des Unternehmens jemals an.

Der „Roast“ von American-Football-Star Tom Brady bescherte Netflix das größte Live-Publikum jemals. Foto: picture alliance / Chris Pizzello/Invision/AP | Chris Pizzello.

Nach der vorangegangenen Zahlenvorlage im April war die Aktie noch vorübergehend abgerutscht, nachdem das Unternehmen ankündigte, ab dem kommenden Jahr nicht mehr quartalsweise über Abonnentenstand und Erlöse pro Nutzer informieren. Co-CEO Greg Peters betonte in einer Analystenschalte, das Unternehmen wolle sich „mehr auf die Schlüsselmesszahlen fokussieren, die am meisten zählen“.

Vorgehen gegen Trittbrettfahrer zahlt sich aus

Schließlich biete Netflix inzwischen eine große Bandbreite an Preismodellen in unterschiedlichen Märkten an und sei profitabel, so dass das quartalsweise Nutzerwachstum als Erfolgsindikator nicht mehr so aussagekräftig sei wie einst. Besorgte Anleger werteten dies bereits als Anzeichen dafür, dass der Abonnentenboom vor seinem Ende stehe – seither hat sich der Kurs aber wieder kräftig erholt.

Für Netflix zahlt sich das Vorgehen gegen Trittbrettfahrer auf der Plattform aus. Seit Mai des vergangenen Jahres erschwert das Unternehmen das Teilen von Zugangsdaten für Accounts erheblich – die verbreitete Nutzung via „Password Sharing“ hatte den Streamingdienst zuvor hohe Einnahmen gekostet. Unterdessen arbeitet das Management weiterhin daran, die vor anderthalb Jahren eingeführte, werbeunterstützte Netflix-Variante für 6,99 Dollar pro Monat populärer zu machen. Am Donnerstag teilte das Unternehmen zwar mit, dass Anzeigen wohl weder im laufenden noch im kommenden Jahr vorrangiger Erlöstreiber sein würden. Allerdings entfielen inzwischen mehr als 45% der Neuabonnements in den Märkten, in denen die werbefinanzierte Variante erhältlich sei, auf diese.

Pakete sollen neue Nutzer anziehen

Wie viele Wettbewerber bietet Netflix die anzeigenunterstützte Version in Paketen an, um mehr Nutzer anzuziehen. Im Mai kündigte das Medienkonglomerat Comcast beispielsweise ein Bundle an, über das seine Internetnutzer neben der hauseigenen Dienst Peacock auch Apple TV+ und Netflix zu geringeren Preisen empfangen können, als für die jeweiligen Angebote einzeln fällig würden. Partnerschaften mit Elektronik-, Pay-TV- und Mobilfunkanbietern seien zwar wichtig, um die Kundenbasis zu verbreitern. Pläne für eine Partnerschaft mit den Streamingdiensten Konkurrenten wie Disney oder Warner Bros. Discovery bestünden aber nicht.

Szene aus "Emily in Paris": Netflix bringt vermehrt Videospiele auf Basis ihrer beliebtesten Serien an den Start. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Uncredited.

Auch eine neue Homepage mit verbesserten Informationen zu Filmen und Shows sowie interessanteren Trailern soll die Abonnentenbindung erhöhen. Zudem will Netflix ab Juli ein neues Videospiel pro Monat verfügbar machen, das auf beliebten Serien wie „Emily in Paris“ beruhen soll. Gelinge es dem Unternehmen, sich über „bessere Geschichten, eine einfachere Nutzerführung und stärkere Beziehungen zu Fans“ zu definieren und sich zugleich in neuen Segmenten wie dem Livestream-, Videospiel- und Werbemarkt zu etablieren, bestehe „noch viel mehr Raum zum Wachsen“, heißt es in einem Brief des Unternehmens an die Aktionäre. Diesen Raum braucht es laut Analysten allerdings auch, um die im Branchenvergleich hohe Bewertung zu rechtfertigen.

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