Stefan Schaible

„Ich bin für eine globale Mindest­besteuerung“

Stefan Schaible, der Vorstandssprecher von Roland Berger, traut der neuen Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz zu, die Klimatransformation zu schaffen. Die Unternehmensberatungsgesellschaft will ihre Expansion fortsetzen und plant, 1.000 Personen einzustellen.

„Ich bin für eine globale Mindest­besteuerung“

Herr Schaible, wie ist 2021 für Roland Berger gelaufen?

Wir sind signifikant mit einer ­zweistelligen Rate gewachsen – und das stärker als der Markt. Unser Wachstumsziel für den Umsatz haben wir damit mehr als erreicht. Auch in Bezug auf das operative Ergebnis sind wir sehr zufrieden. 2021 war für uns ein Rekordjahr.

Was erwarten Sie für 2022?

Wir wollen die profitable Expansion fortsetzen. Wir planen im laufenden Jahr rund 1000 Einstellungen weltweit nach rund 800 im vergangenen Jahr.

2020 erlöste Roland Berger rund 600 Mill. Euro. Wann werden Sie die Umsatzschwelle von 1 Mrd. Euro erreichen?

Wir arbeiten hart daran, dass wir das noch in der laufenden Amtsperiode erreichen. Ich bin von den Partnern bis 2024 als Sprecher des Vorstands gewählt worden.

Wollen Sie das Wachstum überwiegend aus eigener Kraft schaffen?

Ja, wir wollen organisch wachsen. Wir sehen uns aber auch Möglichkeiten an, über Zukäufe zu expandieren – das ist Bestandteil unserer Strategie. Allerdings sind die Unternehmensbewertungen derzeit hoch. Wir agieren in einem hochpreisigen Markt. Deshalb wägen wir immer ab zwischen internem und externem Wachstum.

Was sind die Wachstumstreiber?

Die Welt befindet sich in einem starken Wandel. Die Themen Klima und Digitalisierung dominieren. Das ist eine Phase großer Veränderungen basierend auf langanhaltenden Trends. Die Beratung profitiert davon. Als europäischer Akteur genießen wir gerade beim Klimathema eine hohe Glaubwürdigkeit vor allem auch in Asien und in den USA.

Welche Branchen setzen die Schwerpunkte?

Beim Wachstum handelt sich um kein sektorales Phänomen. Das Wachstum betrifft viele Branchen. Die gesamte Wirtschaft befindet sich in einer klimaneutralen Transformation. Prominente Beispiele sind die Autoindus­trie, die Energiewirtschaft, der Logistiksektor, aber auch Konsumgüter und die ganze produzierende Industrie wie Chemie oder Stahl.

Befürchten Sie keine Bremseffekte durch die anhaltende Corona-Pandemie?

Die Wirtschaftsforscher haben ihre Wachstumsprognosen leicht nach unten korrigiert. Die Omikron-Virusvariante hinterlässt Spuren. Ich bin gespannt, ob China – auch im Umfeld der Olympischen Winterspiele im eigenen Land – die Null-Virus-Toleranzpolitik durchhält. Global gilt: Ein hoher Impfschutz der Bevölkerung ist unumgänglich, um die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen. Ich erwarte aber keine fundamentalen Schocks. Es stellt sich eine gewisse Routine beim Thema Corona ein.

Wie kommt Roland Berger mit Corona zurecht?

Wir haben uns so gut wie möglich eingerichtet. Die Pandemie bringt auch Vorteile. Online-Meetings mit Unternehmen sind seit Corona voll akzeptiert und führen zu einem flexibleren und effizienteren Austausch mit unseren Kunden. Das erspart viel Zeit. Gleichzeitig unterstützt die Entwicklung auch unser Bestreben, flexiblere Arbeitsmodelle anzubieten – weniger Reisen, mehr Homeoffice, die Arbeit flexibler zu gestalten und an persönliche Situationen und Bedürfnisse anzupassen. Das schafft Raum für individuelle Lösungen.

Was sind die größten Chancen und Risiken für deutsche Unternehmen kurz- bis langfristig?

Die Herausforderungen für die Produktion werden aufgrund der angespannten Lieferketten kurzfristig groß bleiben. Auch im laufenden Jahr wird die Chipknappheit ein Thema sein. Eine klimaneutrale Fertigung zu bewerkstelligen, ist die weltumspannende Herausforderung. Der Klimawandel erzeugt Druck auf die Unternehmen infolge steigender CO2-Preise­ und erhöhter Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten. Wer den Anschluss verpasst, wird große Probleme bekommen.

Was schlagen Sie beim Thema Lieferketten vor?

Unternehmen sollten ihre Lieferketten so aufstellen, dass sie eine hohe Abhängigkeit von einzelnen anderen Firmen oder Regionen vermeiden. Mehr Diversifizierung auf diesem Feld ist geboten. Das praktizieren bereits viele große Unternehmen.

Wie bewerten Sie die Politik von Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck?

Entscheidend ist, dass die ökologische Transformation der Wirtschaft richtig gemacht wird. Die Amerikaner, die Japaner und die Chinesen schauen genau hin, was gerade in Deutschland passiert. Ich finde die Mischung der neuen Regierung aus ambitionierten Zielen und marktnahen Instrumenten, um das umzusetzen, gut. Ich sehe eine realistische Chance, dass die Unternehmen die Transformation unter solchen Rahmenbedingungen hinbekommen. Die Gesellschaft zeigt eine erkennbare Bereitschaft, diese Politik mitzutragen.

Was halten Sie von der neuen Bundesregierung?

Die neue Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz setzt auf Beharrlichkeit basierend auf den ambitionierten Maßnahmen im Koalitionsvertrag. Man versucht, die Gesellschaft vor allem in der Klimaschutzpolitik mitzunehmen. Aktionismus nach dem Motto „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ – dieses Prinzip zählt nicht mehr. Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit sind gefordert. Die Regierung kann mit diesem Ansatz die Klimatransformation schaffen. Es ist letztlich eine Frage der handwerklichen Qualität und der praktischen Veränderung in jedem Unternehmen, ob der Wandel wirklich funktioniert. Nach drei Jahren sollte man schauen, was tatsächlich umgesetzt wurde, nicht heute.

Und konkret die Standortpolitik?

Ich bin für eine globale Mindestbesteuerung von Unternehmen. Standort-Hopping von Unternehmen kann damit unterbunden werden, wenn das entschlossen umgesetzt wird. Im Hinblick auf den Klimawandel ist es wichtig, Lösungen zu finden, um die Transformation insbesondere der Industrie zu erleichtern, etwa über Contracts for Difference. Finden sich keine Wege dafür, läuft man Ge­fahr, Wettbewerbsvorteile zu verspielen.

Wie bewerten Sie das Risiko Cyberangriffe?

Es ist eine Frage der Eintrittswahrscheinlichkeit. Ich glaube, die deutschen Unternehmen sind im internationalen Vergleich solide aufgestellt. Ich gerate deswegen nicht in Panik.

Ist auch Roland Berger von solchen Angriffen betroffen?

Cyberangriffsversuche hat es auch gegen Roland Berger gegeben. Wir haben bislang alle abwehren können, es handelt sich aber um eine dauerhafte Aufgabe. Wir sind ein globales Unternehmen mit 50 Standorten, auch wir müssen uns diesen Herausforderungen jeden Tag neu stellen.

Das Interview führte Stefan Kroneck.

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