IM INTERVIEW: SIMONE MENNE

"Ich bin nicht für Quoten in Vorständen"

Aufsichtsrätin von BMW und Deutscher Post sieht aber Kontrollgremien in der Pflicht, in der Führungsspitze für mehr Diversität zu sorgen

"Ich bin nicht für Quoten in Vorständen"

Simone Menne war Finanzvorständin bei Lufthansa und Boehringer Ingelheim und meldet sich regelmäßig zu Wort, wenn es um die Themen Frauen in der Wirtschaft, Rolle des Aufsichtsrates oder auch Digitalisierung geht. Im Interview der Börsen-Zeitung spricht sie sich für eine begrenzte Verweildauer von Vorständen und Aufsichtsräten aus und erinnert sich an eine Begegnung mit dem jetzigen Lufthansa-Aufsichtsratschef Karl Ludwig Kley. Frau Menne, mit Jennifer Morgan führt nun erstmals eine Frau einen Dax-Konzern, wenn auch in einer Doppelspitze. Ist das nun eine Art Dammbruch, werden demnächst andere Frauen folgen?Ich hab mich schon häufig verschätzt mit positiven Prognosen zu diesem Thema, deshalb bin ich vorsichtig. Zumal mich gerade auch Anfragen erreichen, ob Männer denn jetzt Angst haben müssen, dass sie keine Karriere mehr machen können oder es heißt, jetzt wären ja Frauen genug gefördert worden, so dass jetzt auch gut ein Mann berufen werden könnte. Ist es in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass Frau Morgan Amerikanerin ist?Für SAP ist der amerikanische Markt sehr wichtig, daher muss sich der Konzern dort klar positionieren. Vor diesem Hintergrund ist SAP in Sachen Diversity in der deutschen Dax-Landschaft ein Ausnahmefall. In der Politik scheint es für Frauen einfacher zu sein, herausgehobene Positionen einzunehmen, als in der Wirtschaft.In der Politik wird ja schon lange mit Quoten gearbeitet. Allerdings darf man sich nicht täuschen lassen, wir haben aktuell so wenig weibliche Bundestagsabgeordnete wie seit vielen Jahren nicht mehr. Und es gilt in der Politik wie in der Wirtschaft, dass man eine kritische Masse an Frauen braucht. Es hilft nichts, wenn es eine strahlende weibliche Führungskraft gibt, wenn im Mittelbau keine entsprechende Anzahl von Frauen ist. Denn dann kommt oft das Argument, man habe keine entsprechenden weiblichen Kandidaten, wenn es um Aufstieg geht. Außerdem werden Frauen auch anders wahrgenommen, sind mehr Kritik ausgesetzt und werden kritischer beäugt. Das hat nach wie vor viel mit unserer Sozialisierung zu tun. Ich war kürzlich auf einer Veranstaltung zusammen mit Janina Kugel, der ehemaligen Siemens-Personalchefin, und da tauchte wieder die Frage auf, warum sie gehen musste. Sie hat dann zurückgefragt, warum davon ausgegangen wird, dass sie gehen musste. Der Vertrag lief aus, aber solche Debatten müssen Frauen öfter aushalten als Männer. Sie fördern jüngere Frauen. Haben Sie das Gefühl, dass es in der jüngeren Generation eher wieder einen Rückschritt gibt, was die Gleichberechtigung angeht, dass junge Frauen wieder eher bereit sind, sich in die althergebrachten Rollenmuster einzufügen?Für die Frauen, mit denen ich zusammen arbeite, gilt das nicht, die haben sich klare Ziele gesetzt. Ich bin allerdings bestürzt, was diesen Frauen zu Beginn ihres Berufslebens in Unternehmen zuweilen passiert. Da kommt es vor, dass sie einen Staubwedel geschenkt bekommen oder sie sollen nebenbei noch den Empfang mitmachen, weil eine Assistentin fehlt. Es gibt aber auch junge Frauen, die das alte Rollenmodell immer weniger in Frage stellen, es gibt da anscheinend durchaus einen Rückschritt. Hat man es beim Aufstieg leichter, wenn man sich als Frau den männlichen Verhaltensweisen anpasst oder wenn man seinen eigenen Weg geht?Das ist auf alle Fälle ein Balanceakt. Wenn man sein eigenes Profil hat, dann eckt man eben auch öfter an. Wer lauter oder widerspenstiger ist, der strahlt mehr, scheitert aber auch eher. Das gilt allerdings für Frauen und Männer. Nicht aus eigenen Stücken gegangen ist Ihre ehemalige Kollegin Bettina Volkens, Personalvorstand bei der Lufthansa. Als sie gehen musste, bestand plötzlich die Gefahr, dass die Lufthansa, die einst zwei Frauen im Vorstand hatte, plötzlich ohne Frau dasteht. Deshalb wurde schnell der Vorstand um eine Position erweitert und diese mit Kristina Foerster besetzt. Die Position wurde mit Themen versehen, die der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder früher als Gedöns bezeichnet hat.Aber da kommt es dann umso stärker darauf an, was man aus einer solchen Position macht. Kristina Foerster hat ein Standing im Konzern, das kann gut werden. Wie schätzen Sie dabei die Rolle von Aufsichtsratschef Karl Ludwig Kley ein?Bei Herrn Kley muss man Rückgrat haben, dann ist es egal, ob der Gesprächspartner ein Mann oder eine Frau ist. Er hat mich seiner Frau mal mit den Worten vorgestellt: “Das ist Frau Menne, die hat Angst vor nichts und niemand” – ich habe das als Kompliment genommen. Nicht so gut kam bei Herrn Kley und anderen an, dass Sie während Ihrer Zeit im Lufthansa-Vorstand in einem Interview gesagt haben, Sie könnten sich vorstellen, einen Dax-Konzern zu führen.Das war ja ganz allgemein gesprochen und nicht auf die Lufthansa bezogen. Aber ich habe dann schon eine Ermahnung bekommen, dass sich so was nicht gehört. Sie sitzen auch im Aufsichtsrat der Deutschen Post, wo mittelfristig ein neuer CEO als Nachfolger von Frank Appel gefunden werden muss. Investoren könnten sich die CFO Melanie Kreis auf dem Posten vorstellen. Ist die Zeit reif für einen weiblichen Post-Chef?Leider haben wir als Aufsichtsrat bei den letzten drei Vorstandsbesetzungen nur Männer ernannt. An sich sollten wir besser in der Lage sein, auch geeignete Frauen zu finden. Und grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass diverse Teams – nicht nur im Hinblick auf das Geschlecht, sondern auch im Hinblick auf die Sozialisierung – besser für ein Unternehmen sind. Im Auswahlprozess wählt man häufig interne Kollegen, da man dann das Risiko für geringer einschätzt. Das ist ein grundsätzliches Thema und Aufsichtsräte müssen im Besetzungsprozess noch dazulernen und eventuell auch mehr Risiken eingehen. Und man sollte – wie in der Kodexkommission diskutiert – auch über die Verweildauer von Vorständen und Aufsichtsräten in den Gremien nachdenken. Und wie lange würden Sie diese Verweildauer ansetzen?Ich fände drei plus fünf Jahre nicht schlecht. Das wäre genug Zeit für eine strategische Erneuerung, aber nicht so lange, dass man dann klammert. Und wenn ich weiß, meine Zeit ist endlich, dann bin ich viel stärker motiviert, gute, starke Leute aufzubauen, die die Firma weiterführen können. Wenn ich weiß, ich kann hier gut noch 15 Jahre bleiben, besteht viel eher die Gefahr, mich mit Leuten zu umgeben, die mich tragen, ohne viele eigenen Ideen zu haben. Am Ende fällt es dann den meisten CEOs schwer, loszulassen. Treffen Sie mit diesem Vorschlag irgendwo auf Gegenliebe?Bei den CEOs sicher nicht. Sie waren Vorstand und hatten in dieser Rolle mit dem Aufsichtsrat zu tun, jetzt kontrollieren Sie selbst in verschiedenen Aufsichtsräten Vorstände. Sehen Sie vor dem Hintergrund dieses Perspektivwechsels heute Debatten aus Ihrer Vorstandszeit anders?Zunächst einmal hat sich die Aufsichtsratsarbeit in den vergangenen Jahren stark verändert, was Verpflichtungen und Verantwortung angeht. Man muss viel tiefer in die Thematik einsteigen, hat mit Compliance-Themen zu tun, Non-Financial Reporting, zum Teil haftet man ja auch persönlich als Aufsichtsrat. Insgesamt hat sich die Position der Aufsichtsräte verbessert und das hat auch deren Selbstbild zum Positiven verändert. Davon hat auch der Vorstand etwas, denn ihm ist dadurch ein neuer Sparringspartner erwachsen, so was fehlt Vorständen häufig. Früher ging es für Vorstände vor allem darum, dem Kontrollgremium dieses oder jenes Vorhaben möglichst positiv zu präsentieren. Jetzt kommt es doch häufiger zu Debatten bereits im Vorfeld von Entscheidungen, wobei das Einbeziehen für meinen Geschmack noch zu wenig geschieht. Das ist beispielsweise in den USA anders, hat aber damit zu tun, dass in Deutschland die Arbeitnehmer mit am Tisch sitzen. Stellen Sie die Mitbestimmung in Frage?Nein, ich finde das gut, aber die Debatten fallen deshalb häufig weniger kontrovers aus. Dafür bekommt man aber mehr Einsicht in das Geschehen im Betrieb, was sehr hilfreich ist. Der Perspektivwechsel beim Übergang vom Vorstand in den Aufsichtsrat ist auf alle Fälle gut und ich empfehle Vorständinnen immer, auch eine Aufsichtsratsposition wahrzunehmen. In den Aufsichtsräten gibt es ja schon ein paar Jahr eine Frauenquote von 30 %. Sollte man eine solche auch für Vorstände einführen?Mit einer Quote für Vorstände wäre ich vorsichtig. Stellen Sie sich vor, bei einem fünfköpfigen Vorstand scheidet die CFO aus und nun soll jemand gefunden werden, bei dem die Chemie mit den anderen Vorständen und vor allem dem CEO stimmt und mit dem dieser vertrauensvoll zusammenarbeiten kann. Muss ich dann auch noch darauf achten, dass die Frauenquote erfüllt wird, ich einen Ausländer im Vorstand habe oder andere Diversitythemen abgearbeitet werden, dann wird es irgendwann schwierig. Sie fanden es also in Ordnung, dass die Lufthansa nach Ihrem Weggang wieder auf einen männlichen CFO gesetzt hat und damit der Frauenanteil im Vorstand zurückging?Als ich bei Lufthansa gegangen bin, habe ich Aufsichtsratschef Wolfgang Mayrhuber empfohlen, als Nachfolger einen älteren, erfahrenen Mann zu suchen, der vom CEO nicht als Gefahr wahrgenommen wird, dass er ihn ablösen will. Der aber erfahren genug ist, eine eigene Meinung zu haben, die auch gehört wird. Entspricht ziemlich genau einer Beschreibung Ihres Nachfolgers Ulrik Svensson. Aber ohne Quoten bleibt es womöglich beim niedrigen Frauenanteil in deutschen Unternehmen.Ich bin nicht für Quoten in Vorständen, aber ich sehe den Aufsichtsrat in der Pflicht, für Besetzungen Longlists zu erstellen, auf denen weibliche und männliche Kandidaten 50:50 berücksichtigt werden. Es würde Ihnen also beispielsweise im Falle der Post auch reichen, wenn über weibliche CEO-Kandidaten überhaupt mal diskutiert würde?Genau, und zwar im Plenum. Denn im Nominierungsausschuss wird aufgrund der Größe zwangsläufig selten die Diversität widergespiegelt, die es braucht, um viele Aspekte bei der Besetzung zu beleuchten. Wenn der Prozess in einer kleinen Gruppe abläuft, wird dem Plenum am Ende ein männlicher Kandidat vorgestellt. Es wird aber betont, man habe sich auch Frauen angeschaut, die haben aber nicht gepasst. In den meisten Aufsichtsräten diskutieren wir mittlerweile Besetzungen auch im Plenum, der Nominierungsausschuss bereitet das vor. Aber das war ein langer Weg. Sie haben auch Erfahrung mit nichtdeutschen Unternehmen, sitzen etwa bei der irischen Johnson Controls International und bei der amerikanischen Unternehmensberatung Russell Reynolds im Aufsichtsrat. Läuft es außerhalb Deutschlands besser mit Nachbesetzungen?Bei den US-Unternehmen, in deren Aufsichtsrat ich sitze, ist man weiter. Da wird lange im Voraus geschaut, wer im Unternehmen und außerhalb für Nachfolgen in Frage kommt. Das müsste in Deutschland auch passieren. Verträge von Vorständen laufen ja selten ganz plötzlich aus – man weiß also um den Neubesetzungszeitpunkt. Man kann frühzeitig mehrere diverse Kandidat(inn)en identifizieren und über die Phase aufbauen. Dann weiß man um Stärken und Schwächen der möglichen Nachfolger und kann viel qualifizierter entscheiden. Wichtig ist auch die diverse Besetzung des Nominierungsausschusses. Frauen sollten deshalb verstärkt Posten in den Nominierungsausschüssen einfordern. Ihre Verbindungen zur Luftfahrtbranche haben Sie nicht komplett gekappt, zusammen mit ehemaligen Lufthansa-Kollegen investieren Sie in das Unternehmen Caphenia, das über Patente zur Herstellung von synthetischem Kraftstoff verfügt. Wieso dieses Engagement?Weil ich fest an synthetische Kraftstoffe glaube. Wir werden Flugzeuge nicht mit Elektromotor fliegen. Man muss auch große Flugzeuge und Schiffe betreiben und dafür braucht es eine Alternative zum heutigen Kraftstoff. Ich verstehe nicht, warum die Politik nur auf Elektromobilität setzt, man braucht verschiedene Alternativen. Caphenia hat ein Verfahren entwickelt, um CO2 zu Kraftstoffen umzuwandeln. Wir brauchen jetzt eine Finanzierung, um einen Testreaktor zu bauen. Das ist politisch extrem schwierig, auch wenn ich das nicht verstehe. Viele kritisieren den noch geringen Wirkungsgrad, aber das stimmt nicht – jedenfalls nicht bei unserem Verfahren. Und auch der Preis ist wettbewerbsfähig. Wichtig ist, dass für synthetische Kraftstoffe keine eigene Infrastruktur geschaffen werden muss, was ja auch wieder CO2 produzieren würde. Bei Caphenia engagiert sind neben Ihnen untern anderen der ehemalige Lufthansa-Chef Christoph Franz, der ehemalige CEO von Austrian Airlines, Kay Kratky, und der Chef von Lufthansa Cargo, Peter Gerber. Fest in Lufthansa-Hand also.Die erste Finanzierung wurde ursprünglich aus meinem Budget als Lufthansa-CFO geleistet, nachdem Kay Kratky, damals noch Lufthansa-Bereichsvorstand, mit der Idee auf mich zugekommen war. Dann hat die Lufthansa nach der Anschubfinanzierung die Entscheidung getroffen, dies nicht weiter zu finanzieren, da Treibstoffproduktion eben keine Kernkompetenz ist und von den Investoren auch nicht unbedingt goutiert würde. Da Kratky und ich aber weiter an das Projekt glauben, sind wir dabeigeblieben, die anderen kamen dann nach und nach dazu. Das Interview führte Lisa Schmelzer.