Im Autoland geht es ans Eingemachte

Der deutschen Automobilbranche drohen noch höhere Verluste wegen der Mehrkosten für Personalabbau

Im Autoland geht es ans Eingemachte

Die Coronakrise trifft die deutsche Autoindustrie heftig. Das wird sich vor allem zur Vorlage der Zahlen fürs zweite Quartal Ende Juli/Anfang August zeigen. Absatzeinbrüche sorgen für teils tiefrote Zahlen. BMW wird zudem womöglich hohe Rückstellungen für den beschlossenen Personalabbau bilden müssen.Von Stefan Kroneck, MünchenNeben der Luftfahrt-, Tourismus- und Unterhaltungsindustrie (Kulturveranstaltungen) gehört die Autobranche zu jenen Wirtschaftszweigen, die am stärksten von der Coronakrise betroffen sind. Die zuletzt robusten Pkw-Absatzzahlen in China können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Rezession infolge der Pandemie länger andauern wird.Die noch anfangs von so manchem Topmanager – darunter BMW-Vorstandschef Oliver Zipse – gehegte Hoffnung, dass in der angelaufenen zweiten Jahreshälfte eine deutliche Erholung einsetzen wird und die Seuche sich ihrem Ende zuneigt, ist nunmehr einer Ernüchterung in den Führungsetagen gewichen.In dieser eingetrübten Lage drehen die Hersteller und ihre Zulieferer noch stärker an der Kostenschraube. Denn bei einer drastisch rückläufigen Nachfrage in den anderen beiden Kernmärkten Westeuropa und den USA kämpft die Branche mit Überkapazitäten, nachdem sie in den Jahren zuvor nach der überwundenen Finanzmarktkrise (2008/09) ihre Fertigung ausgebaut hatte. In der zurückliegenden “goldenen” Dekade hatte die Autoindustrie ihr weltweites Produktionsnetz mit der Schaffung neuer Werke und einem umfangreichen Aufbau der Mitarbeiterzahl deutlich erweitert.Nun zeigt sich, dass die im Frühjahr eingeleiteten temporären Gegenmaßnahmen wie Kurzarbeit und zeitweilige Werksschließungen bei weitem nicht ausreichen, um die Unternehmen wieder rasch ins Lot zu bringen. Im ersten Halbjahr 2020 brach die Pkw-Produktion an den deutschen Standorten nach Angaben des Dachverbands VDA um 40 % auf 1,49 Millionen Einheiten ein. Daimler verschärft SparkursUm preislich wettbewerbsfähig zu bleiben, sind die betroffenen Konzerne zu Einschnitten gezwungen. Je nach Einzelfall kann das mittlerweile zu heftigen Konflikten zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat führen, wie das jüngste Beispiel Daimler zeigt. Der Stuttgarter Dax-Konzern will wohl mehr Beschäftigte loswerden als bisher bekannt. Bislang war in den Medien die Rede von 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätzen. Personalvorstand Wilfried Porth nannte dieser Tage zwar weiterhin keine Zahl, sagte jedoch, dass man mit den derzeit kursierenden Angaben nicht auskommen werde. “Die neue Zahl ist auf jeden Fall größer als die beiden”, berichtete er der Nachrichtenagentur dpa. “Und die bräuchten wir, um betriebsbedingte Beendigungskündigungen zu verhindern.” Dem Betriebsrat warf er mangelndes Entgegenkommen vor.Die Schwaben zeigen, dass der Betriebsfriede gestört ist, wenn es ans Eingemachte geht. Angesichts eines wachsenden Kostendrucks wird der Ton rauer. Bisher konzentrierte Daimler ihren Personalabbau überwiegend auf Zentralfunktionen. Vorstandschef Ola Källenius signalisierte vorige Woche auf der Hauptversammlung , dass das im vergangenen Herbst aufgelegte Sparprogramm verschärft werden müsse (vgl. BZ vom 9. Juli). Darin sah die Verwaltung zunächst vor allem Einsparungen im Personalbereich von 1,4 Mrd. Euro vor. “Jetzt wird die Zahl definitiv größer”, so Porth. BMW vor hoher RückstellungBei Daimler stehen damit mindestens 5 % der Arbeitsplätze im Konzern auf der Streichliste. Auf die gleiche Quote kommt der Rivale BMW. Nach zähen Verhandlungen einigten sich Vorstand und Betriebsrat im Frühsommer darauf, rund 6 000 Stellen zu streichen. Der Münchner Autohersteller will betriebsbedingte Kündigungen möglichst vermeiden, indem er auf “freiwillige” Vereinbarungen mit den betroffenen Personen setzt – das heißt, Frühverrentung, Altersteilzeit mit entsprechenden Abfindungen. Für die betroffenen Häuser sind die eingeleiteten Maßnahmen dadurch zunächst mit erheblichen Mehraufwendungen verbunden, müssen sie doch dafür Rückstellungen bilden. Dazu ein Rechenbeispiel: Multipliziert man die Zahl der betroffenen Mitarbeiter mit einem Abfindungssatz von durchschnittlich 150 000 Euro pro Person, müsste BMW dafür – grob betrachtet – 900 Mill. Euro zurückstellen. Der Konzern könnte das rückwirkend ins zweite Quartal buchen.Das wäre für Zipse und Finanzvorstand Nicolas Peter womöglich eine “elegante Lösung”. Denn der CFO räumte sowieso schon ein, dass BMW im Kerngeschäft von April bis Juni Miese macht. Bei schlechten Zahlen spielt es dann keine Rolle mehr, wenn man noch mehrere 100 Mill. Euro draufsattelt, hat doch der Aktienmarkt Peters Botschaft im Aktienkurs längst eingepreist.