Im digitalen Dornröschenschlaf

Deutsche Internetwirtschaft wächst rasant, doch US-Riesen dominieren die dynamischsten Bereiche

Im digitalen Dornröschenschlaf

Deutschland landet im internationalen Standortindex Digital auf Platz 6 und damit sogar hinter China. Die führende europäische Wirtschaftsnation drohe im Dornröschenschlaf zu versinken und den Anschluss an die Zukunft zu verpassen, warnen die Berater von Roland Berger bei der Gründung der Internet Economy Foundation in Berlin.hei Frankfurt – Das Wachstumstempo der Deutschen Internetwirtschaft lässt die Zuwachsraten anderer großer Industrien im Inland weit hinter sich. Während traditionell bedeutende Sektoren wie Automobilwirtschaft oder Maschinenbau von 2011 bis 2014 hierzulande jährlich nur zwischen 1 und 2 % gewachsen sind, legte die Internetwirtschaft in dieser Zeit 12 % per annum zu, wie Arthur D. Little im Auftrag des europäischen Branchenverbandes Eco ermittelt hat. Allerdings werden die dynamischsten und rentabelsten Geschäfte fast ausnahmslos von großen US-Konzernen wie Google, Amazon, Microsoft, IBM und weiteren dominiert. Dies gilt insbesondere für das umsatzstärkste Segment mit Online-Handel und Online-Werbung (Aggregations & Transactions) wie auch für die wachstumsstärksten Bereiche Web-Hosting und andere Cloud-Services (Services & Applications), in denen die Experten bis 2019 mit jährlichen Umsatzsprüngen von 13 bzw. 21 % hierzulande rechnen.So kontrollieren im E-Commerce drei Unternehmen, darunter zwei aus den USA, die Hälfte des Marktes: Amazon, Otto und Ebay. Bei rasant expandierenden Cloud-Diensten wie IaaS (Infrastructure as a Service) liegen 50 % des Umsatzes in Deutschland bei Amazon, Google, Microsoft und IBM. D wie DefensivmodusDie Unternehmensberatung Roland Berger kritisiert in ihrer Studie “Deutschland Digital”, die sie anlässlich der Gründung der Internet Economy Foundation in Berlin vorstellte, dass Deutschland und Europa zu sehr im “Defensivmodus gefangen” seien. Dabei sei die Position der Unternehmen heute schon prekär, wenn man die Marktmacht der führenden Plattformbetreiber Apple, Google, Facebook und Amazon betrachte. Diese definiere sich über die Kundenschnittstelle – die Wahl von Gerät und Betriebssystem für den Eintritt in die Internetwelt -, und die sei fest in der Hand der US-Giganten, die ihren Anteil an der Wertschöpfung zudem durch vertikale Integration ausdehnten. So dominieren die führende Suchmaschine Google und das führende Netzwerk Facebook in Deutschland den Markt für Internet-Werbeträger mit 80 %.Roland Berger drängt Unternehmen in Deutschland und Europa deshalb “aufzuwachen”, bevor die Digitalisierung, die bereits Medien, Telekommunikation, Einzelhandel und Reisebranche unter Federführung der USA aufgemischt habe, auch jene Industrien erfasst, in denen Deutschland bisher führend war. Der Angriff auf die Automobil- und Logistikbranche stehe unmittelbar bevor. “Grundstürzende Veränderungen” dürften in den nächsten fünf Jahren auch auf die Finanzbranche, Medizintechnik, Gesundheit sowie den Energiebereich zu kommen. Noch bestehe die Chance, auf bisher “unbesetzten Territorien” zu handeln. So könnten deutsche Unternehmen bei automatisiertem Fahren, geteilter Mobilität und intermodalen Verkehren punkten.