IM GESPRÄCH: MARTIN THEO CARBON, WILLIS TOWERS WATSON

Im M&A-Deal kommt es aufs Handwerk an

Unternehmensberater bewerten Transaktionen nach dem Ausmaß der Marktreaktion - Hightech-Sektor hinkt hinterher

Im M&A-Deal kommt es aufs Handwerk an

Das Beratungsunternehmen Willis Towers Watson hat in den vergangenen zehn Jahren weltweit M&A-Transaktionen unter die Lupe genommen und die Aktienkursbewertung herangezogen, um den Erfolg von Transaktionen zu beurteilen. Die Analyse zeigt, dass viele Deals zuletzt an der Börse nicht mehr gut ankamen.Von Sabine Wadewitz, FrankfurtDer Erfolg von M&A-Transaktionen bleibt oftmals im Dunkeln. In vielen Fällen ist es schwer, die Wertsteigerung dauerhaft zu messen oder nachzuweisen. Die Unternehmensberatung Willis Towers Watson hat zehn Jahre lang Deals börsennotierter Firmen weltweit unter die Lupe genommen. Dabei treten branchenspezifische und geografische Muster in der Performance zutage.Als Maßstab für die Beurteilung des Erfolgs einer Transaktion ziehen die Berater die Aktienkursentwicklung heran. “Wir betrachten die Deals aus Käufersicht und vergleichen den Aktienwert sechs Monate vor der Deal-Ankündigung mit dem Aktienwert am Ende des Quartals nach Closing”, erläutert Martin Theo Carbon, Director Client Management von Willis Towers Watson in Frankfurt. Um allgemeine Marktbewegungen aus der Messung herauszufiltern, “schauen wir, wie sich der Aktienwert der Dealmaker im Vergleich zur Entwicklung des MSCI verhält”, ergänzt er die Systematik.Die Aussagekraft dieses Ansatzes hält Carbon für signifikant. Es sei ein pragmatisches Verfahren, das die Analystenmeinungen und die Marktbewertung gut widerspiegele und zeige, wie die Transaktionen im Markt aufgenommen würden. Den Betrachtungszeitraum habe man bewusst knapp gewählt, um die unmittelbaren Effekte des Deals ablesen zu können.In der Analyse von Willis Towers Watson ist zu erkennen, dass global betrachtet die Transaktionen 2017 und 2018 an der Börse nicht gut ankamen, während es in den Jahren davor durchaus positiv verlief. Der Berater verweist darauf, dass von 2013 an die Merger-Aktivität deutlich zugenommen hat. Übernahmeziele seien kontinuierlich teurer geworden. Die technische Entwicklung trage dazu bei, dass mehr und mehr Unternehmen auch außerhalb ihrer Kernkompetenz zukaufen, um technologisch Schritt zu halten. So haben viele Konzerne künstliche Intelligenz oder neue Sensorik erworben. Das sei an der Börse sehr optimistisch aufgenommen und deutlich honoriert worden. Hohe Preise sorgen für Skepsis “Der Zugewinn der Cross-Sektor-Deals stieg ab 2012 von 0 % kommend über drei Jahre ganz kontinuierlich an – bis zu außergewöhnlich hohen fast 24 % oberhalb des Index im Jahr 2015”, sagt Carbon. Danach sei es bergab gegangen bis zu den negativen Zahlen in den Jahren 2017 und 2018. “Viele der in die Deals gesetzten Erwartungen wurden offenbar nicht erfüllt und Versprechungen wohl nicht gehalten. Das verbreitet Skepsis bei neuen Deals, insbesondere wenn Analysten den Eindruck gewinnen, dass sehr hohe Preise bezahlt werden”, ergänzt er.Im regionalen Spektrum ist die Performance der europäischen Transaktionen über die vergangenen Jahre deutlich stabiler gewesen als in Nordamerika oder Asien-Pazifik, wo die Performance enorm schwankte: zwischen minus 17,5 und plus 61,5 %. In Europa hingegen habe man in keinem der betrachteten zehn Jahre eine zweistellige Performance gesehen. Weder nach oben noch nach unten. “Vielleicht lässt sich dieser Markt einfach nicht so leicht von Euphorie mitreißen. Deals werden ein Stück nüchterner betrachtet. Es wird dargestellt, was man sich von dem Deal erwartet, und das versucht man dann auch zu liefern”, erklärt Carbon.Nach Industriezweigen betrachtet, habe sich die Telekommunikationsbranche sehr gut gehalten. Sie verzeichnete zwar 2016 mit minus 8 % ein deutliches Tief, die vergangenen beiden Jahre waren jedoch mit plus 7,8 % und plus 5 % “sehr erfolgreich”. Auch im Healthcare-Markt konnte nach einer leicht negativen Performance 2017 von minus 1,3 % im Jahr 2018 ein sehr hoher Wert von 8,7 % erreicht werden.Der Hightech-Bereich hinkt erstaunlicherweise seit 2016 hinterher. Für Berater Carbon spielen hier die rasante technologische Entwicklung und das Vertrauen in neue Geschäftsmodelle eine entscheidende Rolle. Es sei zunächst sehr viel Vertrauen in Technologie und damit in den Hightech-Sektor aufgebaut worden. Zunehmend habe sich dann aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass viele neue Entwicklungen die Geschäftsmodelle gravierend verändern werden. Es wurde teilweise deutlich mehr erreicht, als man erwartet habe. “Das beflügelt die Märkte.” Der Einfluss von High-Tech-Deals auf die Aktienkurse der jeweiligen Erwerber habe sich von 2011 bis 2015 konstant gesteigert – von minus 6,5 % bis zu stolzen 13,7 %. Merck punktet mit SigmaDanach drehte sich das Bild. “Nun sind die Preise von Übernahmekandidaten deutlich gestiegen, und bei einzelnen Übernahmen haben sich mittelfristig nicht die Erfolge eingestellt, die man recht lautstark angekündigt hatte”, gibt Carbon zu bedenken. Damit habe eine Vertrauenskrise eingesetzt, die sich in den Zahlen widerspiegelt: Ab 2016 ging die Performance deutlich zurück, zunächst auf minus 0,4 %, dann auf minus 14,3 % im Jahr 2017 und minus 9,2 % im Jahr 2018.Zu einzelnen M&A-Transaktionen will sich Carbon nicht äußern. Die Aufstellung von Willis Towers Watson macht deutlich, dass die Übernahme von Whatsapp durch Facebook eine bemerkenswerte Kursentwicklung nach sich zog – obwohl ein stolzer Preis bezahlt wurde. Bei der Ankündigung des Deals ist der Aktienkurs von Facebook kräftig gestiegen. Diese Entwicklung hatte sich zwar nach ein paar Wochen wieder neutralisiert. Dann setzte jedoch ein stetiger Kursgewinn bis Ende 2017 ein.In Deutschland sticht in der Statistik im Jahr 2015 der Kauf des Laborausrüsters Sigma-Aldrich durch das Darmstädter Familienunternehmen Merck für 17 Mrd. Dollar hervor, der einen signifikanten Anstieg des Aktienkurses auslöste. Auch wenn ein Teil wieder neutralisiert wurde, hat sich unterm Strich nach dem Messverfahren von Willis Towers Watson ein Share Price Return von 49 % eingestellt. In der jüngeren Vergangenheit stellt sich 2018 die Übernahme von Mulesoft für 6 Mrd. Dollar durch Salesforce mit einer Aktienkursrendite von 42 % ins Rampenlicht. Fehler in der Due DiligenceAuf die Frage, ob organisches oder anorganisches Wachstum erfolgreicher ist, fällt die Antwort aus Sicht von Carbon eindeutig aus: “Rein statistisch bewirkte anorganisches Wachstum, gemessen am Aktienwert, über die letzten zehn Jahre weltweit eine Performance von 3,1 %. Das bedeutet ein klares Ja – es lohnt sich.”Carbon hebt hervor, dass es für den Erfolg von Zukäufen nicht nur auf strategische Überlegungen, sondern auch auf eine handwerklich solide Durchführung des Mergerprozesses ankommt. Das werde von vielen Unternehmen nach wie vor unterschätzt. “Schon bei der Due Diligence können Fehler gemacht werden, und hier geht es in der Regel um sehr viel Geld und Risiko”, mahnt er. “Ein handwerklich schlechter Mergerprozess ist vielleicht die größte Hürde, um anorganisches Wachstum erfolgreich zu meistern – nicht nur im Sinne der kurzfristigen Aktienwertsteigerung, sondern auch mittel- und langfristig.”