IM INTERVIEW: KLAUS JOSEF LUTZ

"Im Markt ist vieles Psychologie"

Baywa-Vorstandschef hofft 2015 auf Entspannung an der Preisfront bei Getreide - Kleinere Zukäufe 2015 im Visier - Dividende könnte erhöht werden

"Im Markt ist vieles Psychologie"

Deutschlands größter Agrar- und Baustoffhandelskonzern Baywa hofft auf eine Entspannung der Preissituation am weltweiten Getreidemarkt. Wegen der politischen Unwägbarkeiten (Ukraine-Russland-Krise) wagt Vorstandschef Klaus Josef Lutz aber noch keine Prognose. Trotz des Gewinnrückgangs könnte das SDax-Mitglied für 2014 eine höhere Dividende zahlen.- Herr Lutz, die Baywa-Aktie hat seit Ende Juli ein Viertel an Wert eingebüßt. Worauf führen Sie das hauptsächlich zurück?Die Ergebnissituation in den ersten neun Monaten 2014 war nicht so, wie wir ursprünglich gedacht hatten. Durch das gut gelaufene erste Quartal stiegen die Erwartungen aller Marktteilnehmer deutlich. Aber die Preisentwicklung im Agrarhandel besonders wegen der weltweit extrem hohen Ernten hat uns allen die Grenzen aufgezeigt.- Gibt es noch andere Gründe?Neben dem Preiseinbruch bei Getreide und Ölsaat belasteten die Baywa zusätzlich Restrukturierungskosten im Bausegment von 20 Mill. Euro. Diese Kosten mussten wir akzeptieren. Seinerzeit war noch unklar, wie der Teilverkauf von Baustoffaktivitäten auf die Erfolgsrechnung durchschlägt.- Spielt auch der Markt eine Rolle?Bei US-Investoren nahm das Interesse ab, in europäische Nebenwerte zu finanzieren. Ein ähnliches Phänomen gab es bereits in den Jahren 2008 und 2009, als sich insbesondere amerikanische Fonds aus europäischen Small- und Mid Caps zurückzogen. Von den 40 % Streubesitz sind aber sehr viele langfristig ausgerichtete Investoren, die vor allem dividendenorientiert sind.- Der unerwartete Preisverfall verdeutlichte, wie volatil die weltweiten Agrarmärkte sind. Was hat das künftig für Auswirkungen auf den Aktienkurs?Wir machen im Jahr rund 10 Mrd. Euro Umsatz im Agrarbereich. Das werden wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen. Der Baywa-Aktienkurs wird stärker von der Entwicklung der Agrarrohstoffmärkte abhängen.- Was sagen dazu Ihre beiden Großaktionäre, die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs AG und die Raiffeisen Agrar Invest GmbH?Unsere beiden Großaktionäre stehen hinter unserem strategischen Ansatz. Allerdings muss man damit die Volatilität des Geschäfts akzeptieren. Um dies abzumildern, treiben wir unsere Internationalisierung behutsam voran. Wir wollen auch unser Agrartechnikgeschäft stärken.- Welche strategischen Schwerpunkte setzen Sie im Konzern künftig?Die Frage ist, wie wir unsere drei Säulen künftig strukturell aufstellen. Im Agrarbereich haben wir derzeit im Handelsgeschäft ein Thema, alles andere läuft gut. Unser Obsthandel in Europa läuft wegen des Russland-Embargos schlechter, in Neuseeland gut. Unser Energiesektor ist mit 3 Mrd. Euro Jahresumsatz schon ein kleines Konglomerat. Über die Struktur des Baubereichs, der 350 Mill. Euro Kapital bindet, müssen wir nochmals nachdenken. Die Schwerpunkte der Baywa AG in der Zukunft sind der Agrarbereich, und hier vor allem Getreidehandel und Obst, und das Thema erneuerbare Energien. Unseren Baubereich sehe ich kritisch. Da muss uns unternehmerisch etwas einfallen.- Das Russland-Embargo wirbelt den europäischen Obsthandel durcheinander. Wo drückt generell der Schuh im Exporthandel von Obst?Die asiatischen Märkte sind im Obstgeschäft offen, insbesondere China. Alles, was wir von Neuseeland aus steuern, ist für uns kein Problem. Was nicht geht, ist derzeit, dass wir aus Deutschland nach China oder Südkorea exportieren können. Grund dafür ist, dass wir die dafür notwendigen Zulassungsvoraussetzungen nicht erfüllen. Über weite Strecken hat es die Politik nicht für erforderlich gehalten, dass Exportmärkte für die deutschen Obstbauern geöffnet werden. Aber auch die Erzeugergemeinschaften und der Handel haben diesen Aspekt unterschätzt.- Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?Diese Entwicklung kann einige deutsche Erzeuger in existenzielle Bedrängnis bringen. Die EU-Länder haben es bisher nicht hinbekommen, ihren Obsthandel in Wachstumsmärkten gemeinsam zu managen. Jeder macht seine eigene Politik. Die Öffnung der neuen Märkte sollte nationale Aufgabe sein. In den Niederlanden ist das Teil der diplomatischen Agenda. Deutschland liegt da noch weit zurück. Wir haben versucht, die Türen zu öffnen. Allerdings ist das ein bürokratisch sehr langwieriger Prozess. Es kann noch Jahre dauern, bis wir Obst von Deutschland aus in die meisten asiatischen Schwellenländer exportieren dürfen.- Ein diversifiziertes Geschäftsmodell sorgt eigentlich dafür, Risiken abzumildern. Was lief 2014 bei Ihrem Konzern schief?Dadurch, dass wir unterschiedliche Geschäftsmodelle unter einem Dach führen, haben wir unterschiedliche Grundausrichtungen. Mit dieser Strategie können wir extreme Schwankungen abmildern. Deshalb gehen in Konglomeraten wie unserem nicht alle Pfeile in eine Richtung. 2014 war dies anders. Die Zyklizität hat uns voll erwischt. Alle Pfeile gingen im Agrarhandel in eine Richtung – nach unten. Zwar sind die Margen seit einigen Wochen besser geworden, wir haben aber nicht so abschöpfen können, da die Ware für uns nicht verfügbar war.- Wieso nicht?Die Landwirte haben sehr gezögert, ihr Getreide zu verkaufen. Wir haben in der Baywa AG trotzdem ordentlich aufgeholt. Ich rechne mit einem sehr intensiven Nacherfassungsgeschäft im ersten Quartal. Wir müssen uns überlegen, wie wir im Stammgeschäft mit einer so volatilen Preisentwicklung künftig umgehen. Bei Cefetra war es etwas anderes. Die Ukraine-Krise hat unsere holländische Tochtergesellschaft zwar erwischt, aber auch Cefetra hat in den letzten Monaten aufgeholt. In einer normalen Markt- und Preisentwicklung werden nach unserer strategischen Aufstellung gegenläufige Trends durch gegenläufige Geschäftsmodelle ausgeglichen. Damit haben wir auf Konzernebene eine höhere Stabilität. Das ist die Logik unserer Expansion.- Hält der Preisdruck im weltweiten Getreidehandel auch 2015 an?Wir hoffen, dass wir eine solch schwierige Situation 2015 nicht nochmals erleben. Ein ganz entscheidender Faktor ist die Erntemenge. Wir hatten in den beiden vergangenen Jahren weltweit gute Ernten. Daher sind die Lagerbestände relativ hoch. Sollte Putin aber zum Beispiel einen Exportstopp über Weizen verhängen, würden die Karten neu gemischt. Im Markt ist vieles Psychologie. Über 2015 kann man noch nichts sagen. Sollten wir aber eine ähnlich hohe Ernte haben wie 2014, dann sind die Margen beim langfristig orientierten Organisationsteil der Baywa eher wieder unter Druck, Cefetra sehe ich positiv.- Was stimmt Sie positiv bei der holländischen Getreide- und Futtermittelhandelstochter Cefetra?Die Kollegen in Rotterdam sind für 2015 optimistischer, als sie es für 2014 waren. Die Auftragsbücher seitens der Futtermittelindustrie haben sich verbessert. Die große Unbekannte ist aber die Ukraine-Russland-Krise. Darunter leidet die Baywa AG in ihrem Obstgeschäft in Deutschland. Das ist massiv unter Druck, seitdem Russland den Import von Obst aus der EU gestoppt hat. Seitdem fallen die Preise wegen des Überangebots. Wir haben dadurch erhebliche Kosten für Logistik und Lagerungen. Diese Belastung wird aber weitgehend kompensiert durch unsere Aktivitäten in Neuseeland.- Erfordert der Preisdruck im Kerngeschäft mehr Sparbemühungen im Konzern?Eine Kosteneinsparung in Höhe von 20 bis 30 Mill. Euro wird in den nächsten Jahren Wirkung zeigen. Wir haben zum Beispiel einen Teil unserer Sponsoring-Aktivitäten und Events reduziert. Bei den Nice-to-haves treten wir also auf die Sparbremse. Ein umfangreicher Personalabbau war nicht notwendig. Wir müssen uns aber stärker bündeln. Das ist aber nichts Dramatisches, das machen wir sowieso kontinuierlich im Haus.- Wo steht Ihr Konzern im Agrarbereich weltweit?Unser Ziel ist, dass die Baywa der führende europäische Agrarhandelskonzern ist. Deshalb expandieren wir weiter, um unsere Basis zu verstärken. Mit chinesischen und amerikanischen Agrarhandelskonzernen wollen wir uns nicht messen. Nach dem Getreidehandelsvolumen gehören wir aber zu den Top 5 weltweit.- Wie steht es um Ihre Prognose für das operative Konzernergebnis?Unsere Erwartung ist, dass wir – und das betone ich immer wieder – bei einem positiven Marktumfeld ein operatives Ergebnis ohne Sondereffekte von 230 bis 250 Mill. Euro im Durchschnitt erwirtschaften können. Dazu stehe ich auch weiterhin. Das muss auch auf Dauer unsere Zielsetzung sein. Wenn allerdings der Commodity-Markt abschmiert, ist es für uns schwer, dieses Ziel zu erreichen. An der strategischen Ausrichtung des Konzerns gibt es am Kapitalmarkt keine Zweifel. Nur die Struktur ist ein Thema. Deshalb machen wir uns Gedanken über die Zukunft des Bausektors.- Der Überschuss wird für 2014 voraussichtlich geringer ausfallen. Was heißt das für die Dividende?Trotz eines absehbaren Gewinnrückgangs könnten wir die Dividende für 2014 erhöhen. Das stelle ich in Aussicht.- Welche Pläne haben Sie für 2015 bei Zukäufen?Wir haben derzeit keine weitere größere Akquisition im Agrarbereich geplant. Es kann sein, dass wir 2015 zwei bis drei kleine Übernahmen machen. Das wäre aber in einem überschaubaren Rahmen. Wir werden unsere größeren Zukäufe Cefetra und Bohnhorst weiter konsolidieren. Wir haben derzeit eine Fülle von Angeboten auf dem Tisch, was wir alles kaufen könnten. Ich glaube, dieser Trend wird sich noch verschärfen.- Weshalb?Viele Handelsorganisationen haben sich 2014 übernommen. Sie könnten spekulativ in eine Schieflage kommen. Das wäre für uns möglicherweise eine Kaufgelegenheit. Es wird jedenfalls im europäischen Handel mit Getreide und Obst eine Konsolidierung geben.——Das Interview führte Stefan Kroneck.