SERIE: E-AUTOMÄRKTE - ANSCHLUSS GESUCHT (1)

Im Rückwärtsgang auf Highway Number One

USA verlieren bei Elektromobilität die Pole Position - Präsident Trump weicht Anforderungen auf - US-Autobauer blicken nach China

Im Rückwärtsgang auf Highway Number One

Bereits im Jahr 2016 hat China die USA als größten Absatzmarkt für Elektroautos abgelöst. Sollte die neue Regierung in Washington die Anforderungen an den Flottenverbrauch der Hersteller wie erwartet aufweichen, dürfte der Abstand rasch größer werden. Die US-Autobauer Ford und Tesla haben gerade angekündigt, künftig im großen Stil Elektroautos für den chinesischen Markt zu bauen. Eine Anfrage liegt der Branche auch von 30 amerikanischen Städten vor.Von Stefan Paravicini, New YorkMit der Panoramastrecke “Highway Number One” entlang der Pazifikküste oder der “Route 66” quer durch das Landesinnere der USA verbindet sich für viele Automobilisten bis heute der Traum von der Freiheit beim Fahren. Die Zukunft der Mobilität liegt nach Einschätzung von vielen Experten allerdings eher entlang von Strecken wie dem “West Coast Electric Highway” an der Interstate 5 von Seattle nach San Diego oder der ersten elektrifizierten Straße in den USA auf einer Länge von einer Meile in Los Angeles. Während sich die Fernstraße dadurch auszeichnet, dass zwischen zwei Ladestationen für Elektroautos maximal 50 Meilen liegen, können auf der unter Mitarbeit von Siemens fertiggestellten Kurzstrecke mit Oberleitung bestimmte Lkw ihre Batterien laden. Unsicherheit überwiegtMit dem Regierungswechsel in den USA vor knapp einem Jahr scheinen sich die Prioritäten indessen wieder zu verschieben. Statt mit dem Ausbau der Infrastruktur für Elektroautos für weitere Impulse für die Verbreitung von Elektrowagen zu sorgen, setzt der neue US-Präsident Donald Trump mit Blick auf die Zukunft der US-Automobilindustrie bisher vor allem auf die Aufweichung von Emissionsstandards, was nach Einschätzung von Analysten die Investitionen der Branche in Elektromobilität dämpfen oder zumindest verschieben wird. Ein in den USA produziertes Sport Utility Vehicle, das in den USA geförderten sowie in den USA raffinierten Treibstoff tankt und damit möglichst viele Arbeitsplätze in den USA sichert, scheint im Zentrum der Mobilitätsstrategie der neuen Regierung zu stehen.Immerhin: Eine Prämie in Höhe von 7 500 Dollar für die Anschaffung eines Elektrowagens sollte im Rahmen der mittlerweile verabschiedeten US-Steuerreform ebenfalls entfallen, ist im neuen Gesetz nun aber doch enthalten. Und wer weiß, vielleicht feiert der Ausbau von Ladestationen für Elektroautos ja ein Comeback als Teil der Infrastrukturinvestitionen, für die Trump im Wahlkampf ein Volumen von bis zu 1 Bill. Dollar angekündigt hat. Für den Moment überwiegt die Unsicherheit, auch wenn Volkswagen als Teil des mit den US-Behörden im Dieselskandal geschlossenen Vergleichs in Ladestationen für Elektroautos in den USA investieren muss.Von den 48 National Electric Vehicle Charging Corridors, die Trumps Vorgänger Barack Obama erst wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl im Herbst 2016 nach dem Vorbild des “West Coast Electric Highway” angekündigt hatte, ist seit der Amtsübergabe an Trump allerdings nicht mehr viel zu hören. Die Emissionsstandards für die Flotte von US-Autobauern, die unter Obama verschärft und noch kurz vor dem Stabswechsel festgezurrt wurden, werden auf Geheiß von Trump derzeit von der US-Umweltbehörde EPA geprüft und dürften in den nächsten Monaten aufgeweicht oder wenigstens ihre Umsetzung verschoben werden.Noch unter Obama haben die USA im Jahr 2016 die Poleposition als wichtigster Absatzmarkt für Elektroautos an China verloren. Dass hier auch nach Einschätzung von US-Autobauern künftig der Elektromotor surrt, hat der zweitgrößte US-Branchenvertreter Ford erst im November deutlich gemacht. In einer Allianz mit Anhui Zotye Automobile will Ford knapp 800 Mill. Dollar in eine Modellreihe von Elektroautos für den chinesischen Markt investieren, die hier unter einer neuen Marke an den Start gehen sollen. Bis 2025 sollen auch 7 von 10 unter der eigenen Marke in China verkauften Autos elektrisch oder hybrid betrieben werden, womit Ford den ab 2019 geltenden Anforderungen Pekings mehr als nachkommen würde.Der Elektroautobauer Tesla hat ebenfalls schon ein eigenes Werk in Schanghai angekündigt, in dem der Mittelklassewagen Model 3 für den chinesischen Markt produziert werden soll. Nach Einschätzung von Marktbeobachtern dürften in China um das Jahr 2025 jährlich sechs Millionen Autos mit alternativen Antrieben auf die Straße rollen, darunter 4 Millionen Elektroautos. Im Jahr 2016 waren es nach Angaben der China Association of Automobile Manufacturers etwas mehr als 500 000 Elektrowagen. In den USA waren es laut dem International Council on Clean Transportation im gleichen Zeitraum 150 000, wobei rund die Hälfte davon allein auf den Bundesstaat Kalifornien entfällt. Neun weiteren Teilstaaten, die den Kauf von Elektroautos in vergleichbarem Maße wie Kalifornien fördern, machen noch einmal rund 15 % des landesweiten Absatzes aus. Gemeinsam stehen die zehn Staaten für zwei Drittel des US-Absatzes von Elektroautos, auch wenn sie insgesamt nur knapp ein Drittel des gesamten US-Automarktes repräsentierten. Neue MobilitätskonzepteDer in Sachen Elektromobilität führende US-Bundesstaat an der US-Westküste ist es auch, der bereits Widerstand für den Fall angekündigt hat, sollte die EPA die Emissionsstandards für die Automobilindustrie aufweichen. Die kalifornische Millionenstadt Los Angeles steckt außerdem federführend hinter der Initiative von mehr als 30 US-Metropolen, die in den nächsten Jahren für gut 10 Mrd. Dollar mehr als 100 000 Elektrofahrzeuge für die städtischen Betriebe anschaffen wollen und dazu im Frühjahr eine Offerte bei den US-Autoherstellern angefragt haben.US-Fahrdienstvermittler wie Uber und Lyft oder Technologiekonzerne wie Google und Apple denken im Rahmen von Mobilitätskonzepten für die Stadt derweil längst über das autonome Fahrzeug nach, das in vielen Fällen elektrisch betrieben wird. Auch hier holt China auf, anders als beim Thema Elektromobilität droht die US-Regierung beim autonomen Fahren bislang aber nicht den Rückwärtsgang einzulegen.