"In der Growth-Phase gibt es dieses Tal des Todes"
Von Detlef Fechtner, FrankfurtDie FDP erkennt zwar positive Entwicklungen in Bezug auf die Finanzierungsbedingungen neu gegründeter Unternehmen in Deutschland. Nach wie vor bestehe aber Bedarf an staatlicher Unterstützung. “Unabhängige Gutachten kommen übereinstimmend zum Ergebnis, dass sich die Start-up-Finanzierung – zumindest in der Seed-Phase – verbessert hat”, erläutert der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Michael Theurer, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. “Aber in der Growth-Phase gibt es immer noch dieses Tal des Todes.” Deshalb fordere die FDP erstens die Mobilisierung von Wachstumskapital durch einen nationalen Zukunftsfonds, wie er derzeit in der Bundesregierung vorbereitet wird (vgl. BZ vom 21. Januar). Dieser Fonds sollte nach Ansicht von Theurer beim Start mit einem Volumen von 2 Mrd. Euro dotiert und durch die Privatisierung von Staatsanteilen, etwa an Telekom oder Post, solide gegenfinanziert sein. Zweitens machen sich die Liberalen dafür stark, “dass bei Venture-Capital-Fonds Verlustvorträge steuerlich geltend gemacht werden können”. Und drittens bringt Theurer die Möglichkeit ins Gespräch, “dass der Bundesgesetzgeber einen Rahmen in Form von Öffnungsklauseln oder Experimentierklauseln in Gesetzen setzt – für eine bestimmte Dauer, für eine bestimmte Region.” Vorstellbar sei dies “etwa für die Lausitz, die jetzt besonders stark betroffen ist durch den Kohleausstieg, oder für bestimmte Standorte in Nordrhein-Westfalen.” Diese Klauseln ermöglichten den Landesgesetzgebern, bestimmte Dinge von Unternehmen, die sich dort ansiedeln, nicht verlangen zu müssen, beispielsweise bestimmte Verwaltungsanforderungen bei der Gewerbeanmeldung. “Wir könnten uns auch vorstellen, dass man beim Arbeitszeitgesetz flexibilisiert”, fügt der ehemalige Europaabgeordnete hinzu. “Man könnte ja tatsächlich einmal in einer solchen Freiheitszone Dinge ausprobieren, über die oft geredet wird, die man aber für Gesamtdeutschland derzeit nicht hinkriegt.” Alle europäischen Vorgaben müssten natürlich weiter gelten.Um jungen Unternehmen mit digitalen Geschäftsideen den Markteintritt zu erleichtern, sei der Staat zudem gefordert, die Voraussetzungen zu verbessern. “Beim Ausbau der digitalen Infrastruktur hat Deutschland ein Umsetzungsdefizit”, konstatiert Theurer. Zur Verfügung stehende Fördermittel würden nach seiner Einschätzung auch deshalb nicht abgerufen, “weil Anträge zu bürokratisch, Genehmigungsprozesse zu lang oder Baukapazitäten nicht vorhanden sind”. Zudem müsse der Staat “vor der eigenen Haustür kehren”. Bund und Länder müssten bei der Digitalisierung und Automatisierung ihrer Verwaltungsprozesse Vorreiter sein. Derzeit jedoch hinke Deutschland hinterher, “egal ob der Bürger ein Kraftfahrzeug anmeldet oder ein Gewerbe”. Einheitliches RegisterAls eine Maßnahme, mit der die Regierung der Wirtschaft in Sachen Digitalisierung entgegenkommen könnte, nennt Theurer ein einheitliches Register: “Wir schlagen vor, dass der Staat ein einheitliches Register aufbaut – und nicht die Ministerien unterschiedliche Register.” Denn um das Potenzial der Digitalisierung zu nutzen, müsse das “Once-only-Prinzip” gelten. Der Aufbau eines einheitlichen Registers würde laut Theurer 2,5 Mrd. Euro kosten. Aber damit ließen sich in Zukunft jährlich 6 Mrd. Euro Entlastung für Wirtschaft und Verwaltung erzielen.