FCA, Borsa Italiana, Fincantieri

In Italien wächst die Kritik an Frankreichs Einfluss

Immer mehr Unternehmen aus dem Belpaese gelangen unter die Kontrolle französischer Konzerne. Viele Italiener sehen dahinter eine Strategie der Pariser Regierung.

In Italien wächst die Kritik an Frankreichs Einfluss

bl Mailand

In Italien wächst der Widerstand gegen den zunehmenden Einfluss Frankreichs im Land. Auslöser sind die Übernahme von Fiat Chrysler (FCA) durch die französische PSA Peugeot Citroën, der Borsa Italiana durch Euronext und die gescheiterte Akquisition der französischen Werftengruppe Chantiers de l’Atlantique durch Fincantieri.

Für Giulio Centemero, Abgeordneter der rechten Lega, ist klar: „Die Franzosen haben eine klare Strategie und wollen italienische Unternehmen in allen Sektoren übernehmen, die sie als strategisch betrachten. Italien hat nichts dagegenzusetzen“, sagte er der Börsen-Zeitung.

Der Zusammenschluss von PSA und FCA wurde in Italien lange als Fusion unter Gleichen dargestellt. Dass der französische Staat nun seine Beteiligung von 6,2 auf 6,5% aufgestockt hat und französische Aktionäre 15% des Kapitals kontrollieren, während die italienische Holding Exor nur auf 14,4% kommt, sorgt im Belpaese für Aufregung. Denn die Franzosen haben schon die Mehrheit im Verwaltungsrat. Und CEO Carlos Tavares hat die Schlüsselpositionen mit Franzosen besetzt. Und 18 der 43 Spitzenmanager im neuen Autokonzern Stellantis kommen von PSA. Italiens Ex-Premier Romano Prodi fordert, dass auch Rom einsteigt.

Französische Unternehmen kontrollieren einen großen Teil von Italiens Wirtschaft. Lactalis erwarb die Lebensmittelkonzerne Parmalat, Galbani und Nuova Castelli. LVMH kaufte die Luxusgüter-Unternehmen Bulgari, Loro Piana und Fendi, Gucci und Bottega Veneta gehören zu Kering, der Energiekonzern Edison zur EDF. Vivendi ist bei TIM und Mediaset an Bord. Italiens fünftgrößte Bank BNL gehört zur BNP Paribas, der Crédit Agricole verleibte sich eine Reihe von Banken ein und steht vor der Übernahme von Creval.

Und die Mailänder Börse wird gerade von der französisch dominierten Mehrländerbörse Euronext aufgekauft. Obwohl die Borsa Italiana 36% zum Umsatz des neuen Unternehmens beitragen wird, machte Euronext wenig konkrete Zugeständnisse. Zwei von zehn Posten im Verwaltungsrat und zwei von 13 Sitzen im Management-Board sollen an Italiener gehen. Mailand soll die Verantwortlichkeit für die Datenzentren und den Finanzbereich erhalten. Konkrete Investitionszusagen gibt es nicht. Euronext-Präsident Stéphane Boujnah platzierte mit Delphine d’Amarzit als neue CEO und Anthony Atta als Verantwortlichem für Primärmärkte und Back Office Franzosen an den Schaltstellen.

Eingefädelt wurde der Deal unter Mitwirkung von Italiens Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri, der sich Konkurrenzangebote der Schweizer Six und der Deutschen Börse nicht einmal anschaute. Das stößt selbst Teilen der Regierungsparteien, die eine Verlegung des Euronext-Sitzes nach Mailand fordern, bitter auf. Die Copasir, eine parlamentarische Kommission zur Überwachung der Geheimdienste, hält die Gründe für den Verkauf an Euronext für „nicht überzeugend“ und kritisiert einen „zu starken französischen Einfluss im Finanzsektor“, der dessen Stabilität gefährden könne.

Italienische Kreise bei der EU in Brüssel wittern dahinter eine groß angelegte französische Strategie. Paris nutze gezielt italienische Schwächen aus, übernehme Unternehmen mit dem Ziel, Fertigungsstandorte nach einigen Jahren nach Frankreich zu verlagern. Es ist erklärte Absicht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Mittel aus dem europäischen Wiederaufbauprogramm dazu zu verwenden, um Produktionen in zentralen Sektoren zurückzuholen.

Nach Ansicht von Copasir-Vizepräsident Adolfo Urso passt die Pariser Blockade der Übernahme von Carrefour durch die kanadische Couche-Tard-Gruppe sowie die verhinderte Übernahme der Chantiers de l’Atlantique durch Fincantieri in „der französisch dominierten EU-Wettbewerbsbehörde“ ins Bild.