IM BLICKFELD

In US-Vorstandsetagen werden Minderheiten zur Rarität

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 23.8.2017 Kenneth Frazier haben es die US-Spitzenmanager in zwei Beratergremien von Donald Trump zu verdanken, dass sie sich in der vergangenen Woche aus dem näheren Umfeld des US-Präsidenten...

In US-Vorstandsetagen werden Minderheiten zur Rarität

Von Stefan Paravicini, New YorkKenneth Frazier haben es die US-Spitzenmanager in zwei Beratergremien von Donald Trump zu verdanken, dass sie sich in der vergangenen Woche aus dem näheren Umfeld des US-Präsidenten zurückziehen konnten, ohne bleibende Schäden für ihre Reputation oder ihre Verbindungen zum Weißen Haus zu riskieren. Der Chef des Pharmakonzerns Merck Co. war nach den verstörenden Äußerungen des Präsidenten zu Ausschreitungen von Rechtsextremen in der Universitätsstadt Charlottesville in der Vorwoche der erste, der seinen Rücktritt aus dem American Manufacturing Council erklärte, weil er “eine Verantwortung fühle, mich gegen Intoleranz und Extremismus zu stellen”. Lob für die kleine GesteWenige Tage und eine unwirsche Pressekonferenz des Präsidenten später nahmen Fraziers Kollegen in dem Gremium ebenso wie die Mitglieder des genauso mit CEOs besetzten Strategy and Policy Forum dann all ihren Mut zusammen und teilten dem Weißen Haus mit, dass sie die beiden Foren ganz auflösen wollten, wobei ihnen Trump wenige Minuten später in 140 Zeichen in den sozialen Medien zuvorkam. Vor allem in liberalen Medien wurden die Manager ausgiebig dafür gelobt, dem Präsidenten mit dem Rückzug aus seinen Beratergremien ein starkes Signal gegen Rassismus und Intoleranz gesendet zu haben, während Trump in den Tagen zuvor Mühe hatte, White Supremacists und Neonazis uneingeschränkt zu verurteilen.Auch die kleine Geste zählt, keine Frage. Nimmt man allerdings die Vorstandsetagen von US-Konzernen selbst in den Blick, sind die Folgen des latenten Rassismus in den USA weiterhin kaum zu übersehen. Der 62-jährige Frazier war bis in die vergangene Woche nicht nur einer der wenigen afroamerikanischen Spitzenmanager in Trumps Beratergremien, sondern gehört im S & P 500 weiterhin zu kaum einer Handvoll Afroamerikaner in der Chefetage. Mit Xerox-Chefin Ursula Burns, die sich nach der Unternehmensaufspaltung gerade von ihrem Posten verabschiedet hat, schaffte es bisher überhaupt erst eine Afroamerikanerin in die Position eines CEO bei einem Unternehmen aus dem S & P 500. Der Männerclub der afroamerikanischen Minderheit in der C-Suite ist derzeit aber nicht wesentlich größer. Neben Frazier stehen Kenneth Chenault bei American Express und Roger Ferguson bei dem Versicherer TIAA-CREF an der Spitze. Ergänzt man die Liste um die afroamerikanischen Chairmen an der Spitze von US-Konzernen, kann man nach John Thompson von Microsoft schon wieder mit dem Zählen aufhören. Chefs mit weißer WesteDie Verhältnisse ändern sich kaum, wenn man die Anteile von Minderheiten in Führungspositionen im gesamten US-Privatsektor in den Blick nimmt. Nach den Erhebungen der U.S. Equal Employment Opportunity Commission (EEOC), einer 1965 im Zuge des Civil Rights Act geschaffenen Bundesbehörde, die die Diskriminierung in der Berufswelt beenden sollte, machten Afroamerikaner im Jahre 2014 gut 14 % der Erwerbstätigen in der US-Privatwirtschaft aus, besetzten aber nur rund 3 % der Führungspositionen.In einem ähnlichen Missverhältnis steht der Anteil an der Führungsverantwortung nur noch bei der hispanischen Minderheit, während Amerikaner mit asiatischen Wurzeln in Leitungspositionen mit knapp 5 % ähnlich stark vertreten sind wie in der gesamten Belegschaft. Die weiße Bevölkerung, die rund zwei Drittel der Erwerbstätigen ausmacht, besetzt beinahe neun von zehn Führungspositionen (siehe Grafik).Zu den stärksten Kritikern des US-Präsidenten mit seinem latenten Rassismus und der eher fragwürdigen Einstellung zum Verhältnis der Geschlechter gehören nicht erst seit Charlottesville die Technologiebranche und die Wall Street. Jetzt, da die Sonnenfinsternis überstanden sei, müsse sich das Land nur noch eines weiteren Schattens entledigen, erklärte Lloyd Blankfein, der Chef von Goldman Sachs, erst am Montag mit einem weiteren Seitenhieb auf Trump. Geht es um den Schatten der Rassendiskriminierung in den USA, ist es der Investmentbank und ihren wichtigsten US-Wettbewerbern in den vergangenen Jahren allerdings kaum gelungen, für Aufhellung zu sorgen. Nach den Angaben von Bloomberg machen Afroamerikaner bei den US-Spitzeninstituten gerade noch 2,6 % des Führungspersonals aus, wobei der Anteil über die vergangenen fünf Jahre noch einmal gesunken ist.Der Technologiesektor ist für Afroamerikaner ein noch schwierigeres Pflaster als die Wall Street. Nach Angaben der EEOC haben nicht einmal 2 % der Führungskräfte im Silicon Valley eine schwarze Hautfarbe, während weiße Manager mit 83 % den Ton angeben. Im Verhältnis zur gesamten Erwerbsbevölkerung deutlich überproportional vertreten sind Mitarbeiter mit Wurzeln im asiatischen Raum, die mehr als jede zehnte Spitzenposition besetzen.