Infineon setzt auf Internet der Dinge
Chipproduzenten wie Infineon stehen derzeit vor schwierigen Herausforderungen. Die Wachstumslokomotive China droht auszufallen, und auch sonst steht die Weltwirtschaft vor schweren Zeiten. Im vergangenen Monat haben bereits zahlreiche Halbleiterproduzenten – darunter auch Infineon – ihren Ausblick gesenkt. Vorstandschef Reinhard Ploss zeigt sich in den USA auf mittlere Sicht dennoch hochoptimistisch. Das Internet der Dinge werde den Halbleiterbedarf kräftig steigern.Von Sebastian Schmid, Los Angeles”Das Internet der Dinge ist keine Zukunftsvision. Das Internet der Dinge ist längst Realität”, glaubt Microsoft-Manager John Carney. Aus der Perspektive des Corporate Vice President, der sich seit Jahrzehnten – unter anderem im US-Justizministerium – mit Cyberkriminalität auseinandersetzt, mag das stimmen. Schließlich ist jedes vernetzte Gerät ein potenzielles Einfallstor für Hacker. In der Halbleiterbranche ist man indes überzeugt, dass das Internet der Dinge noch längst nicht da ist. “Was wir bisher haben, sind Dinge, die ans Internet angeschlossen sind. Das ist nicht dasselbe”, stellt Infineon-Vorstandschef Reinhard Ploss klar. “Ihr Kühlschrank mag online sein, aber kann er deshalb auch schon mehr?”Für Ploss bietet die wachsende Verbindung zwischen “realer und digitaler Welt” viele Möglichkeiten – auf der Kundenseite Innovationen, auf Seiten Infineons einen steigenden Halbleiterabsatz. Damit das Internet der Dinge Realität werde, müsse die reale Welt zunehmend digital erfasst werden. “Das können Softwarefirmen allein nicht leisten. Dafür braucht es Sensoren, Mikroprozessoren und andere Halbleiter – und zwar wesentlich mehr davon als bisher schon”, ist er überzeugt.Diese Überzeugung teilt Carney auch – vor allem auf sein Spezialgebiet bezogen. Die Vergangenheit habe gezeigt: “Software allein ist niemals sicher.” Daher brauche es sichere Hardware-Elemente, wie sie Infineon anbietet und Firmen wie Google, Microsoft oder Apple bereits einsetzen. Google hat etwa vergangene Woche den Router “OnHub” vorgestellt, der für mehr Sicherheit auf ein Trusted-Platform-Modul des Münchener Halbleiterkonzerns setzt. Mit dem Online-Suchdienst forscht Infineon auch an einer Sprache zur Gestensteuerung für vernetzte Geräte. “Die digitale Welt entsteht in den USA. Daher müssen wir hier dabei sein”, so Ploss. Autobauer treiben WachstumGetrieben wird das Wachstum der Chipindustrie aber längst nicht nur von den üblichen Verdächtigen wie Google, Apple und Microsoft. Laut Berthold Hellenthal, bei Audi für die Halbleiterstrategie zuständig, gehen mittlerweile rund vier Fünftel der Innovationen der Autoindustrie auf die Chipbranche zurück. Dabei muss man gar nicht an den Elektroautobauer Tesla denken, für den Infineon dank der 2014 erworbenen International Rectifier (IR) enorm wichtiger Zulieferer ist. In jedem verkauften Model S stecken Infineon-Teile im Wert von 500 bis 600 Dollar. Auch Pkw mit herkömmlicher Antriebstechnik stecken längst voller Hardware aus dem Silicon Valley. Allein im Audi A8 sind laut Hellenthal zwischen 6 000 und 8 000 Chips zu finden. Und es werden immer mehr: Um das Ziel des selbstfahrenden Autos zu erreichen, wird auf die komplette Klaviatur der Sensortechnik gesetzt: Infrarot, Radar, Kameras und Laser. Kleinere Zukäufe “in der Sensorik” könnten für Infineon, die in der Automobilelektronik bereits zu den führenden Anbietern zählt, laut Ploss deshalb interessant sein.Das Interesse der Autobauer an der Technologie liegt auf der Hand: Während klassische Navigationssysteme als Extra gelten, das von Drittanbietern günstiger ersetzt werden kann, ist dies wegen der enorm engen Verzahnung von Hardware und Software bei der Technologie für das selbstfahrende Auto nicht möglich. Einen Absturz der Autoverkaufszahlen im Reich der Mitte fürchtet der Infineon-Chef nicht. “Sollte es zum Einbruch kommen, managen wir das auch”, versichert er.Zahlreiche andere Branchen zeichnen sich zudem ebenfalls durch wachsende Chipnachfrage aus. So wird etwa in der Luftfahrt vielfach Mechanik durch Elektrotechnik ersetzt. Wenn die Spriteffizienz weiter steigen solle, werde dies auch in Zukunft so sein. “Der Markt für hochzuverlässige Halbleiter bietet enormes Potenzial – vor allem im Flugzeugbau”, befindet Ploss.