RECHT UND KAPITALMARKT

Innenfinanzierung im Bankkonzern gefährdet

Darlehen an Tochterinstitute könnten künftig auf Großkreditobergrenzen angerechnet werden - Höhere Refinanzierungskosten

Innenfinanzierung im Bankkonzern gefährdet

Von Klaus Lackhoff und Henny Müchler *)Bislang kann ein Kreditinstitut einem Tochterinstitut, das in die konzernweite Risikosteuerung und Überwachung von Großkrediten eingebunden ist, Darlehen gewähren, ohne dass diese auf die Grenzen angerechnet werden, die für die Kreditvergabe an einen Kreditnehmer bestehen. Diese Großkreditobergrenzen sollen vermeiden, dass ein Institut im Falle des Ausfalls eines Kreditnehmers in seinem Bestand gefährdet wird (sog. Klumpenrisiko). Status quoDie derzeit in Deutschland geltenden Regelungen zu Großkrediten beruhen auf europarechtlichen Vorgaben. Als Großkredite gelten Kredite, wenn sie eine bestimmte Höhe, nämlich 10 %, im Verhältnis zu den Eigenmitteln beziehungsweise bestimmten Eigenmittelkomponenten eines Instituts überschreiten. Die Großkreditgrenzen liegen bei 25 % der jeweiligen Eigenmittelbasis. Ferner bestehen für Großkredite Beschlusserfordernisse und Anzeigepflichten. Kredite sind dabei nicht nur Darlehen, sondern alle Positionen, bei denen ein Kreditinstitut das Adressenausfallrisiko einer anderen Partei trägt; dies schließt zum Beispiel auch Beteiligungen an Unternehmen ein.Diese Vorgaben sind sowohl von jedem einzelnen Kreditinstitut als auch auf der Ebene einer Bankengruppe insgesamt einzuhalten. Übersteigt das Kreditengagement je Kreditnehmer die Großkreditobergrenze, muss der die Grenze übersteigende Teil mit Eigenmitteln unterlegt werden, um das Ausfallrisiko aus diesen Geschäften abzufangen. Diese Eigenmittel stehen dann nicht mehr für die Vergabe weiterer Kredite zur Verfügung.Bei der Kreditvergabe durch ein Mutterinstitut an ein Tochterinstitut innerhalb eines Bankkonzerns bestehen diese Risiken nicht in gleichem Maße. Wenn die Großkreditgrenzen auf Konzernebene überwacht und gesteuert werden, stellt die Vergabe von Krediten an in diese Steuerung eingebundene Tochterinstitute kein Klumpenrisiko dar.Liquiditätsrisiken kann durch eine konzernweite Liquiditätssteuerung begegnet werden. Dementsprechend ermöglicht die derzeit noch geltende Bankenrichtlinie den Mitgliedstaaten, die von einem konzernangehörigen Institut gruppenintern vergebenen Kredite nicht auf die Großkreditobergrenzen anzurechnen, sofern dieses Institut in die Aufsicht auf konsolidierter Basis einbezogen ist. Keine HarmonisierungDer deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit teilweise Gebrauch gemacht. So werden Beteiligungen an einem Tochterinstitut sowie Forderungen, die den Eigenmitteln des kreditnehmenden Instituts zugerechnet werden, beim kreditgewährenden Institut zwar auf die Großkreditgrenze angerechnet; andere Kredite innerhalb der Gruppe dagegen nicht. Diese Anrechnungsausnahme ermöglicht Bankkonzernen eine flexible Innenfinanzierung.Mit dem Inkrafttreten des CRD-V-Pakets im Jahr 2014 wird sich das europäische Bankaufsichtsrecht grundlegend ändern. Für Institute, die unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums (zum Beispiel Spareinlagen) entgegennehmen und zugleich das Kreditgeschäft betreiben (Einlagenkreditinstitute), gelten ab diesem Zeitpunkt die Großkreditvorschriften der sog. Capital Requirements Regulation (CRR).Anders als die Bankenrichtlinien schafft diese Verordnung erstmals in sämtlichen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Gemeinschaftsbankaufsichtsrecht. Künftig muss grundsätzlich die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde darüber entscheiden, ob und inwieweit Kredite innerhalb eines Bankkonzerns auf die Großkreditgrenzen anzurechnen sind.In Deutschland liegt die Zuständigkeit zunächst bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Für bedeutende Einlagenkreditinstitute wird mit der vorgesehenen Verlagerung der Aufsichtskompetenzen die Europäische Zentralbank (EZB) für die Ausübung des Wahlrechts zuständig sein. Allerdings können die EU-Mitgliedstaaten von dieser Regelung abweichen und für einen Übergangszeitraum verbindlich regeln, ob und inwieweit Kredite innerhalb eines Bankkonzerns auf die Großkreditobergrenzen anzurechnen sind.Die Behandlung der konzerninternen Kreditvergabe ist also bis auf Weiteres in der EU nicht harmonisiert. Der Übergangszeitraum endet mit einer Überarbeitung der Verordnung; spätestens aber 2029. Die Europäische Kommission muss bis Ende 2015 einen Vorschlag zur Überarbeitung der Verordnung vorlegen, der auch vorsehen kann, dass die Anrechnungsausnahme in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt wird. Spielraum nutzenDer deutsche Gesetzgeber sollte von dem in der CRR vorgesehenen Wahlrecht Gebrauch machen und eine konsolidierte Bankengruppe wie ein Unternehmen behandeln. Er sollte verbindlich regeln, dass Kredite (Beteiligungen und Darlehen) innerhalb eines Bankkonzerns auch nach 2014 von den Großkreditvorschriften ausgenommen sind. Dies gilt jedenfalls für Kredite eines Mutterinstituts an Tochterinstitute. Ohne eine solche Ausnahme würde die Liquiditätssteuerung auf Gruppenebene erschwert.Ferner würde der geschäftspolitische Spielraum konzernangehöriger Banken für die Vergabe externer Kredite beschränkt. Häufig können diese Banken sich nicht oder nicht so günstig wie ihr Mutterinstitut refinanzieren. Folge der Streichung der Privilegierung wäre deshalb eine Steigerung der Refinanzierungskosten, die letztlich die Position deutscher Bankkonzerne im internationalen Wettbewerb schwächen würde. Es besteht auch kein Anlass, die Privilegierung abzuschaffen. Der Bildung von Klumpenrisiken wird durch die nach wie vor auf Gruppenebene einzuhaltenden und zu beaufsichtigenden Großkreditgrenzen vorgebeugt. BedenkenDennoch stehen Aufseher der Nichtanrechnung von Krediten innerhalb eines Bankkonzerns auf die Großkreditobergrenzen skeptisch gegenüber. Die Bedenken rühren wohl daher, dass bei einer Privilegierung solcher Intragruppenforderungen auch Tochterinstitute ihrem Mutterinstitut Darlehen gewähren können, ohne durch die Großkreditgrenzen beschränkt zu werden. Der Liquiditätsabfluss bei den Tochterinstituten könnte im Falle eines Ausfalls des Mutterinstituts auch die Tochterinstitute in die Insolvenz ziehen. Sind Tochter- und Mutterinstitut in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ansässig, hätte der Ausfall des Mutterinstituts dann unter Umständen auch eine Belastung der nationalen Sicherungssysteme im Sitzland des Tochterinstituts zur Folge.Dieses Motiv ist bei Fehlen eines EU-weiten einheitlichen Abwicklungs- und Einlagensicherungssystems nachvollziehbar. Unberücksichtigt bleiben bei einer solchen Betrachtung allerdings positive Auswirkungen einer flexiblen Konzerninnenfinanzierung auf die Stabilität von Bankkonzernen. Missbräuchen begegnenAuch sollte dieses Motiv nicht dazu führen, die gruppeninterne Kreditvergabe per se dem Großkreditregime zu unterstellen. Auf diese Weise würden sinnvolle Finanzierungsstrukturen in Bankkonzernen unterbunden. Vielmehr sollten im Einzelfall aufsichtliche Maßnahmen (“prudential filter”) ergriffen werden, um gegen unangemessene gruppeninterne Finanzierungen einzuschreiten.Die Organkreditvorschriften mit ihren Beschlusserfordernissen sowie die Maßnahmen, die die Aufsicht im Einzelfall zur Verbesserung der Eigenmittelausstattung, der Liquidität und der Geschäftsorganisation eines Kreditinstituts treffen kann, bieten hier Ansatzpunkte, um etwaigen Missbräuchen und besonderen Gefährdungslagen zu begegnen.—-*) Dr. Klaus Lackhoff ist Counsel und Dr. Henny Müchler Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt.