Innogy sucht Exit aus dem England-Geschäft
cru Düsseldorf – Der britische Energiekonzern SSE verhandelt mit dem deutschen Stromnetzbetreiber Innogy über die Zusammenlegung des britischen Stromprivatkunden- und Vertriebsgeschäfts. Das kündigten die beiden Unternehmen am Dienstag in einer Pflichtmitteilung an. Anvisiert werde dabei ein neues, unabhängiges und börsennotiertes Unternehmen. Die Gespräche seien in einem fortgeschrittenen Stadium, es gebe aber noch keine finale Entscheidung. Auch gebe es noch keine Vereinbarung über die Ausgestaltung einer Zusammenarbeit. Innogy agiert in Großbritannien über die Tochter Npower, die seit Jahren mit Verlusten, Kundenschwund und Problemen mit einer Abrechnungs-Software kämpft. Im Jahr 2015 war bereits der Vorstand ausgewechselt worden.Innogy-Vorstandschef Peter Terium hatte im September gesagt, dass es keine konkreten Verkaufspläne gebe, die Tochter Npower aber auf dem Prüfstand stehe. Im ersten Halbjahr fuhr Innogy im Strom- und Gasvertrieb in Großbritannien einen operativen Verlust vor Zinsen und Steuern (bereinigtes Ebit) von 12 Mill. Euro ein. Mit 4,7 Millionen Kunden und einem Jahresumsatz von gut 8 Mrd. Euro ist Großbritannien der wichtigste Auslandsmarkt für Innogy. Allerdings spielt der Stromvertrieb insgesamt bei Innogy im Vergleich zum Stromverteilnetzgeschäft eine stark untergeordnete Rolle. Preisdeckel für Strom drohtPremierministerin Theresa May hatte Anfang Oktober angekündigt, einen Preisdeckel einzuführen. Der Markt ist hart umkämpft. Neben Innogy ist auch Eon im Strom- und Gasvertrieb vertreten. Zu den Wettbewerbern zählen die Centrica-Tochter British Gas, SSE, Iberdrolas Scottish Power und der französische Versorger EDF. Zusammen bilden sie die “großen sechs”, die 85 % des Marktes abdecken.”Im Vertrieb konnten wir die Auswirkungen des intensiven Wettbewerbs in Großbritannien durch die Kostensenkungsmaßnahmen aus unserem Restrukturierungsprogramm zumindest teilweise kompensieren”, wurde Finanzchef Bernhard Günther noch im Halbjahresbericht zitiert. “Eine Herausforderung, bei der wir langen Atem brauchen, bleibt das britische Vertriebsgeschäft”, hatte Günther im August anlässlich der Halbjahresbilanz gewarnt. Doch gebe es auch Fortschritte, hieß es damals. Zwar habe sich das bereinigte Ebit des britischen Vertriebsgeschäfts im ersten Halbjahr um fast 100 Mill. Euro verringert. Im zweiten Quartal habe die Tochter NPower das Ergebnis jedoch stabil zum Vorjahr gehalten. “Hier half vor allem, dass wir die Kosten weiter reduzieren konnten”, sagte Günther.Npower liege bei der Umsetzung des Restrukturierungsprogramms voll im Plan. Die operativen Abläufe verbesserten sich kontinuierlich. Aber Fakt sei auch, dass das geschäftliche und politische Umfeld in Großbritannien angespannt und der Wettbewerb hart bleibe. “Wir konnten Kunden teilweise nur dadurch halten, dass wir ihnen günstigere Konditionen angeboten haben”, sagte Günther. Zudem hätten sich die Beschaffungskosten erhöht. Die Anfang Februar angekündigte Preiserhöhung bei Standardtarifen habe weitere Kundenverluste im ersten Quartal zur Folge gehabt, im zweiten Quartal hätten sich die Zahlen stabilisiert. “Über all dem schwebt das Damoklesschwert weiterer regulatorischer Eingriffe durch die britische Regierung”, warnte Günther. Aktienkurs steigtIn der Diskussion seien tarifliche Schutzmaßnahmen für bestimmte Kundengruppen. Die Details zur konkreten Ausgestaltung dieser Maßnahme blieben allerdings offen. Wenig tröstlich sei, dass das schwierige unternehmerische Umfeld nicht nur Npower vor Herausforderungen stelle, sondern alle britischen Energieversorger. Jetzt wird klar, dass auch SSE nach einem Befreiungsschlag sucht.Vor diesem Hintergrund schloss Vorstandschef Peter Terium auch einen Komplettverkauf des Großbritannien-Geschäfts nicht aus. “Wir prüfen ständig alle Optionen. Aber es gibt auch keine aktuellen Pläne für einen Verkauf”, sagte Terium.Der Aktienkurs von Innogy reagierte am Dienstag mit einem Plus von zeitweise 1,6 % auf 41,47 Euro, was einer Marktkapitalisierung von 23 Mrd. Euro entspricht.