RECHT UND KAPITALMARKT

Insolvenzrecht ermöglicht ungeahnte Gestaltungen im Gesellschaftsrecht

Fall Suhrkamp lässt aufhorchen - Potenzial des ESUG genutzt

Insolvenzrecht ermöglicht ungeahnte Gestaltungen im Gesellschaftsrecht

Von Achim Frank *)Der Fall Suhrkamp hat viele Facetten: Zwei Gesellschafter, die sich entzweien. Eine Krise, die im Insolvenzverfahren mündet. Doch die Insolvenz soll nicht das Ende von Suhrkamp sein: Vielmehr zielen die handelnden Personen auf eine Neuerung des Insolvenzrechts. Über einen Insolvenzplan soll Suhrkamp nicht nur fortgeführt werden, der Verlag soll von einer Kommandit- in eine Aktiengesellschaft überführt werden – unter Beteiligung, aber nicht zwingend mit Zustimmung der beiden Gesellschafter. Das neue Insolvenzrecht (ESUG) macht es möglich. Gleichwohl wird Suhrkamp nicht als Prototyp einer neuen Insolvenzrechtskultur in die Rechtsgeschichte eingehen. Das Verfahren lässt aber aufhorchen und zeigt, was mit dem neuen Insolvenzrecht alles umgesetzt werden kann. Strikte Trennung aufgehobenFakt ist, dass der Gesetzgeber mit dem ESUG seit dem 1. März 2012 die strikte Trennung von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht aufgehoben hat. Um die Sanierungsmöglichkeiten zu optimieren, sind jetzt auch Regelungen im Insolvenzplan zugelassen, die Kapitalmaßnahmen vorsehen – insbesondere die Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile. Gläubiger stehen damit nicht mehr vor dem Alles-oder-nichts-Prinzip, wenn Anteilsinhaber Kapitalmaßnahmen blockieren. Sie haben die Chance, durch unmittelbar plangestalterisch wirkende Elemente an den Erträgen des sanierten Unternehmens zu partizipieren und dessen Aktivitäten mitzubestimmen. Die Anteilsinhaber werden so direkt in den Sanierungsprozess eingebunden und sind Planbetroffene. Das heißt: Mit dem Insolvenzplan kann in ihre Rechte eingegriffen werden. Ihre schützenswerte Rechtsposition beschränkt sich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den restlichen Vermögenswert ihres Anteils- und Mitgliedschaftsrechts: Im Regelinsolvenzverfahren wird der Rechtsträger abgewickelt. In Inhaberrechte eingreifenIm Gegenzug erhält der Anteilsinhaber aber das Recht, über den Insolvenzplan abzustimmen. Entscheidend für das Ergebnis der Abstimmung ist (vereinfacht) eine Mehrheit nach Köpfen und nach Summe der Forderungen beziehungsweise Beteiligungen. Der oder die Gesellschafter können also von den Gläubigern überstimmt werden. Ist dies der Fall, bekommt der Gesellschafter das, was er in der Regelabwicklung erhalten würde – in der Regel wenig oder nichts. Ein überstimmter Gesellschafter kann zwar Rechtsmittel einlegen. Hat er Erfolg, bekommt er jedoch auch dann nur das, was er in der Regelabwicklung erhielte.Die dafür gesellschaftsrechtlich erforderlichen Eingriffsmöglichkeiten sind in der Insolvenzordnung, kurz InsO, geregelt. Nach § 217 Satz 2 können Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen in den Insolvenzplan einbezogen werden. § 225a Abs. 1 stellt klar, dass mit einer Planregelung in Inhaberrechte eingegriffen werden kann. Die Beteiligten haben so die Möglichkeit, mit einer entsprechenden Planregelung gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmaßnahmen zu treffen. Das heißt: Alles, was (gesellschafts-)rechtlich individualvertraglich zulässig ist, kann im Insolvenzplan geregelt werden.Die Regelungsmöglichkeiten selbst sind aber ebenso ergebnisoffen formuliert wie die übrigen Gestaltungsmöglichkeiten mit dem Planverfahren. Diesen maßgeblichen Grundsatz nimmt § 225a Abs. 3 InsO auf. Dort ist festgelegt, dass die gesellschaftsrechtlichen Strukturen des schuldnerischen Unternehmens grundlegend umgestaltet und den Bedürfnissen angepasst werden können. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird die betroffene Gesellschaft von Gesetzes wegen aufgelöst. Als typische Anwendung nennt das Gesetz daher die Fortsetzung der schuldnerischen Gesellschaft. Im Insolvenzplan muss deshalb im Einzelnen aufgenommen werden, was geregelt und wie die angestrebte Maßnahme technisch umgesetzt werden soll. Im Planverfahren zur AGDiese Regelung spielt auch im Suhrkamp-Verfahren eine besondere Rolle. Außerhalb der Insolvenz wäre die Veränderung im Gesellschafterkreis aufgrund der fehlenden Zustimmung wahrscheinlich nicht umsetzbar gewesen. Im Planverfahren wurde Suhrkamp – auf Basis von § 225a Abs. 3 InsO – in eine AG umgewandelt.Für sich betrachtet bietet der Fall Suhrkamp wenig Überraschendes. Er ist, was den Gang des Insolvenzverfahrens betrifft, solide und handwerklich sauber gearbeitet – ein Praxisfall, der das Potenzial des ESUG nutzt. Die grundsätzliche Frage bleibt offen: Durften die Beteiligten im Fall Suhrkamp das Insolvenzverfahren nutzen, um gesellschaftliche Konflikte zu lösen? Die Antwort darauf hängt maßgeblich davon ab, ob die Krise – und damit der Grund für den Insolvenzantrag von Suhrkamp – allein im Gesellschafterkreis oder auch im Unternehmen zu finden war. Diese Frage wird sicherlich noch weitere Beratergenerationen beschäftigen.—-*) Achim Frank ist geschäftsführender Partner bei Schultze & Braun.