Institutionelle Investoren fordern weitere Zerlegung von Siemens
„Siemens eilt von Rekordjahr zu Rekordjahr“: Mit dieser Feststellung lobte Ingo Speich von Deka Investments in der virtuellen Hauptversammlung das Management des Konzerns: „Die Aktionäre werden mit einer sehr guten Dividende und Aktienrückkäufen bedacht.“ An der siebenstündigen Hauptversammlung nahmen 3.200 Aktionäre teil, davon 64 aus dem Ausland. Alle Tagesordnungspunkte wurden mit mindestens 86% angenommen.
Institutionelle Investoren fordern weitere Zerlegung von Siemens
Vorstand erteilt dem Ansinnen eine Absage – Klage der Anleger über eine unterdurchschnittliche Entwicklung des Aktienkurses in der Hauptversammlung
mic München
Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), erklärte: „Die Zahlen sind beeindruckend.“ Sabrina Reeh von DWS Investment strich die Barmittelgenerierung heraus: „Siemens hat diesbezüglich über die vergangenen drei Jahre den Markt positiv überrascht und im Verhältnis zum Umsatz einen der höchsten Werte des europäischen Industrie-Sektors.“
Unisono kritisierten die Aktionäre jedoch die Entwicklung des Aktienkurses. Dort habe Siemens Defizite, sagte Bergdolt. „Operativ läuft alles rund bei Siemens, aber das reicht dem Kapitalmarkt nicht“, sagte auch Vera Diehl, Portfoliomanagerin von Union Investment.
Sie rechnete vor, dass die Aktie seit dem Amtsantritt des Vorstandsvorsitzenden Roland Busch im Februar 2021 eine Gesamtrendite von 33% aufweise. Trotzdem müsse man Siemens aus Kapitalmarktsicht nur eine unterdurchschnittliche Leistung bescheinigen, weil der MSCI World Industrials Index im selben Zeitraum eine Performance aus der Kursentwicklung und den Dividendenzahlungen von 42% erreicht habe.
Differenzierter Blick
Wenn man die unmittelbaren Wettbewerber wie Schneider Electric anschaue, gebe es weiterhin eine Bewertungslücke in Höhe von mehr als 30%, sagte Speich. Siemens-Finanzvorstand Ralf Thomas hielt dagegen, die Rendite habe seit 2018 mehr als 100% betragen, während der Dax um ein gutes Drittel angestiegen sei.
Die institutionellen Investoren konzentrierten ihre Kritik auf die Siemens-Struktur. Der Abschlag auf diverse Bewertungskennzahlen im Vergleich zum Wettbewerb lasse sich durch den nach wie vor bestehenden Konglomeratsabschlag erklären, sagte DWS-Fondsmanagerin Reeh: „Wir würden es daher begrüßen, wenn der vor Jahren eingeschlagene Weg der Fokussierung weiter stringent fortgeführt wird.“
"Begonnene Entflechtung muss weitergehen"
Diehl von Union Investment schlug in die gleiche Kerbe. Es müsse „die begonnene Entflechtung weitergehen, damit wir endlich einen fokussierten Technologiekonzern ohne Konglomeratsabschlag bekommen“.
Deka-Vertreter Speich forderte einen Abbau der Beteiligung an Healthineers – sie könne auf etwas über 50% reduziert werden. Diese Reduzierung von 25% würde 10 Mrd. Euro Kapital freisetzen, rechnete Reeh vor. Diehl wies darauf hin, dass die Spitzenmargen von Digital Industries und Smart Infrastructure durch die anderen Sparten verwässert würden. Mit Blick auf die Bahntechnik-Sparte Mobility wollte sie wissen: „Passt diese Sparte mit einer Marge von 8,4% noch in die Story vom fokussierten Technologiekonzern, jetzt wo Hitachi Siemens auch noch im Heimatmarkt Deutschland angreift?“ Bergdolt erklärte, ihrer Meinung nach passe Healthineers gut zu Siemens. Bei der Bahntechnik-Sparte sei sie sich dagegen nicht so sicher.
Zielbild gefordert
Mobility sei ein integraler Bestandteil von Siemens, betonte dagegen Busch. Der Bahnsektor sei ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen Klimawandel. Healthineers sei entlang der Megatrends ausgerichtet, Siemens wolle langfristiger Mehrheitseigentümer bleiben. Der Varian-Zukauf werde sich positiv auswirken. Zudem entwickle man gemeinsam Kerntechnologien. Busch verwies beispielsweise auf Cybertechnologien und die Senkung des Stromverbrauchs von Magnetresonanztomografen. Siemens habe ausreichend liquide Mittel, daher stelle sich die Frage nicht, ob Healthineers als Akquisitionswährung dienen könne.
Der Vorsitzende des Vereins „Wir von Siemens“, Olaf Bolduan, begrüßte dies: „Die technologiegetriebene Strategie muss Vorrang haben vor einer portfoliogetriebenen Strategie.“ Er plädierte für eine Amtszeitverlängerung des Aufsichtsratsvorsitzenden Jim Hagemann Snabe, die bisher im Februar 2025 endet. Dieser stehe für den Technologiefokus.
Anteil an Siemens Energy vor Reduzierung
Deka-Manager Speich forderte drei weitere Veränderungen. Erstens benötige der Konzern ein tragfähiges Zielbild und solle seine Prognosen erfüllen. Zweitens müsse das Beteiligungsmanagement verbessert werden und – drittens – solle Siemens diszipliniert bei M&A sein.
Busch kündigte an, der Anteil an Siemens Energy solle weiter reduziert werden. Mit Blick auf die Frage, ob auch ein Paketverkauf möglich sei, sagte Busch: „Wir schließen hierbei keine Option aus.“