Im KI-Wettlauf abgehängt

Intel rutscht mit Abschied von CEO Gelsinger tiefer in die Krise

Intel ringt verzweifelt darum, im KI-Rennen den Anschluss zu finden. CEO Pat Gelsinger, der sich zuletzt noch persönlich gegen den Kursverfall beim Chipriesen gestemmt hatte, geht nun allerdings überraschend.

Intel rutscht mit Abschied von CEO Gelsinger tiefer in die Krise

Intel rutscht mit Abschied von CEO Gelsinger tiefer in die Krise

CFO und Produktchefin übernehmen interimsweise Führung bei Chipkonzern – Strategische Wende nach Fehlschlägen im KI-Rennen angepeilt

xaw New York

CEO Pat Gelsinger ist 2021 mit großen Zielen bei Intel angetreten. Doch für den Mann, der binnen fünf Jahren zur taiwanesischen TSMC und zur koreanischen Samsung aufschließen sowie groß in neue Fabriken investieren wollte, ist bei dem US-Chipriesen nun Schluss. Wie Intel am Montag mitteilte, ist der 63-Jährige zum 1. Dezember in den Ruhestand gegangen. Nun leiten Finanzchef David Zinsner und Produktchefin Michelle Johnston Holthaus das kriselnde Unternehmen interimistisch, bis ein Nachfolger für Gelsinger gefunden ist. Der leitende unabhängige Direktor Frank Yeary übernimmt vorübergehend den Verwaltungsratsvorsitz.

Milliardenschwere Abschreibungen

Die Kalifornier rutschen damit tiefer in eine Krise, in deren Verlauf die Aktie rund die Hälfte ihres Werts verloren hat. Allein am 2. August stürzten die Anteilscheine um 26% ab, nachdem der Konzern für den vorangegangenen Berichtszeitraum einen Verlust von 1,61 Mrd. Dollar vermeldet und eine Aussetzung der Dividende ab dem vierten Quartal sowie Massenentlassungen angekündigt hatte. Im dritten Jahresviertel folgte der schwerste Absturz in die roten Zahlen in der 56-jährigen Firmengeschichte. Der Fehlbetrag von 16,6 Mrd. Dollar überraschte die bereits auf schwere Rückschläge eingestellte Wall Street noch negativ. Zudem vermeldete der Konzern im Oktober zusätzliche Restrukturierungskosten und Abschreibungen auf Equipment und Goodwill im Volumen von 18,7 Mrd. Dollar.

Denn Intel gilt als großer Verlierer des KI-Booms, der Konkurrentin Nvidia in den vergangenen beiden Jahren gewaltige Kursexplosionen und einen Aufstieg unter die wertvollsten Unternehmen der Welt beschert hat. Die Grafikprozessoren der einst auf den Videospielmarkt fokussierten Wettbewerberin gelten als wichtigste technologische Grundlage für das Training großer Sprachmodelle, auf denen Textgeneratoren wie der populäre ChatGPT-Bot von OpenAI basieren.

Tech-Riesen investieren in eigene Chips

Zudem setzen Amerikas Technologieriesen, die Halbleiter für ihre Serverfarmen in früheren Jahren fast exklusiv von Intel und AMD bezogen, zunehmend auf eigene, in Kooperation mit spezialisierten Designern entwickelte Chips. So kündigte Alphabet im April den neuen Hochleistungsprozessor Axion an, der auf Technologie der britischen, an der Nasdaq gelisteten Arm aufsetzt und zu großen Datenanalysen fähig sein soll. Auch Amazon hat mit ihrer Tochter Web Services eigene Halbleiter entwickelt, die im Rahmen einer Kooperation mit dem Start-up Anthropic zum Einsatz kommen. 

Gelsinger räumte bereits im August ein, der KI-Boom sei „weitaus stärker akut, als ich erwartet hatte“. Der Wiederaufbau der Kultmarke Intel sei ein „gewaltiges“ Projekt, das aber „in die nächste Phase“ gehe. Der Stellenabbau um 15.000 Arbeitsplätze soll ab 2025 zu Einsparungen von 10 Mrd. Dollar beitragen. In einem herausfordernden Jahr habe er „harte, aber notwendige Entscheidungen“ getroffen, um Intel für die „aktuellen Marktdynamiken“ aufzustellen, teilte er anlässlich seines Abschieds mit.

Persönliche Mission

Für Gelsinger, betonen Wegbegleiter, sei ein Umbruch bei Intel mehr als eine unternehmerische Aufgabe gewesen – er habe es als persönliches Ziel gesehen, den Chipkonzern wieder zu altem Glanz zu führen. So stemmte er sich zuletzt auch mit privaten Mitteln gegen den Kursverfall und kaufte über Familientrusts und sein Depot tausende Aktien der Kalifornier auf. Seinen Rücktritt bezeichnete er nun als „bittersüß“. Es sei seine größte Ehre gewesen, den Konzern zu führen, dem er sein Leben gewidmet habe.

Der in Pennsylvania geborene Technologiefan schloss sich dem Unternehmen 1979 im Alter von 18 Jahren an. In der Tasche hatte er bereits einen Abschluss der Hochschule Lincoln Tech in New Jersey, nachdem er sich mit 16 Jahren für ein Früh-Stipendium qualifiziert hatte. In den 1980er Jahren machte er sich als Architekt von Hochleistungsprozessoren einen Namen und schloss ein Masterstudium des Elektroingenieurwesens und der Computerwissenschaften an der Renommier-Universität Stanford ab. Dabei galt er als Zögling des legendären CEO Andy Grove.

Gelsinger geht als Gescheiterter

Im Jahr 2001 wurde Gelsinger zum ersten Chief Technology Officer von Intel, musste 2009 jedoch nach Fehlschlägen mit einem Grafikchip-Projekt seinen Hut nehmen. Nach Stationen bei dem von Dell aufgekauften Festplatten-Entwickler EMC und als CEO bei dem von Broadcom übernommenen Cloud-Computing-Anbieter VMWare kehrte er 2021 als Vorstandschef zu Intel zurück. Nur drei Jahre später geht er als Gescheiterter.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.