RECHT UND KAPITALMARKT - IM INTERVIEW: MAXIMILIAN SCHWAB

Investitionskontrolle in Deutschland hat Schwächen

Unklarheit über Anmeldepflichten - Der Fall 50 Hertz in der Diskussion

Investitionskontrolle in Deutschland hat Schwächen

– Herr Schwab, die Bundesregierung will den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns SGCC beim Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz verhindern. Warum? Grundsätzlich gibt es in Deutschland zwei Gruppen von kontrollierten Investments, zum einen Rüstungs- und Dual-Use-Güter und zum anderen die sogenannte “kritische Infrastruktur”. Um Letztere geht es im konkreten Fall. Während bei der Wehrtechnik das Kontrollbedürfnis evident ist, stehen hinter der Kontrolle von Investments in kritische Infrastruktur der Schutz des Wirtschaftsstandorts einerseits vor “Technologieklau” und andererseits vor Übernahme strategisch wichtiger und schwer ersetzbarer Infrastruktur durch ausländische Investoren.- Auf welcher Grundlage ist eine Untersagung möglich? Im vorliegenden Fall grundsätzlich gar nicht, solange SGCC nur eine 20-prozentige Beteiligung ohne Sonderrechte anstrebt, die Aufgreifschwelle liegt bei 25 %. Die ist hier nicht erreicht. Daher wird auch die “Lösung” über den Erwerb durch Vorkaufsrechtsausübung durch Elia und den Weiterverkauf an die KfW erwogen.- Was fällt unter den Begriff der kritischen Infrastruktur? Gedanke ist, Einrichtungen zu erfassen, die von hoher Bedeutung für das Gemeinwesen sind, da ohne sie erhebliche Versorgungsengpässe oder Gefährdungen für die öffentliche Sicherheit eintreten würden. Was insgesamt zur kritischen Infrastruktur zählt, geht jedoch in der Sache deutlich weiter als das, was man umgangssprachlich darunter versteht: Energie, IT und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen. Im Falle von 50 Hertz geht es evident um Energie. In anderen Fällen ist das weniger eindeutig und oft schwer zu beantworten, so fällt die Mineralölraffinerie darunter, die Altölraffinerie aber nicht. Dies zwingt viele Investoren dazu, eine “Unbedenklichkeitsbescheinigung” beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) einzuholen, auch wenn das Unternehmen nicht klar erfasst ist. Diese ist aber schwierig in das Timing einer Transaktion einzubinden, da die Fristen erst mit Eingang “vollständiger” Unterlagen zu laufen beginnen. Das entscheidet das BMWi aber am Ende selbst. Besonders spannend ist das in einem öffentlichen Übernahmeangebot, bei dem gleichzeitig zwingende Übernahmefristen laufen.- Ist das Vorgehen der Bundesregierung eine Reaktion auf die Abschottung anderer Länder gegen ausländische Erwerber in grenzüberschreitenden Deals? Im internationalen Vergleich ist die Investitionskontrolle in Deutschland noch vergleichsweise jung. CFIUS in den USA geht bereits auf die Ölkrise in den siebziger Jahren zurück, das deutsche Investitionskontrollrecht wurde überhaupt erst 2004 und nur für Rüstungs- und Kryptounternehmen ins AWG aufgenommen. Anlass war, dass man 2002 ohne rechtliche Handhabe sehr besorgt den Merger von Northrop Grumman und der deutschen U-Boot-Werft HDW mit ansehen musste. Erst 2009 folgte dann die Erweiterung auf die kritischen Infrastrukturen, nachdem die USA und andere EU-Länder, insbesondere Frankreich, hier bereits Regelungen geschaffen hatten. Anlass war hier die verstärkte Aktivität von ausländischen Staatsfonds (insbesondere aus Nah- und Mittelost). In der Folge rückte dann mehr und mehr das Thema des Schutzes vor “Technologieklau” durch chinesische Investoren in den Vordergrund.- Reicht die Investitionskontrolle hierzulande aus? Das Regime in Deutschland ist über die Jahre deutlich verbessert worden, dennoch hat es sowohl für die Bundesregierung als auch für Investoren Schwächen: Wie der konkrete Fall zeigt, ist die starre Schwelle von 25 % im Einzelfall kein ausreichender Schutz, insbesondere bei der Sorge vor “Technologieabfluss”, der bereits früher droht. Andererseits herrscht für Investoren in Deutschland oft keine Gewissheit, ob ihr geplantes Investment anmeldepflichtig ist, da die Begriffe “kritische Infrastruktur” und “wesentliche Sicherheitsinteressen der BRD” im Einzelfall nicht klar sind. —-Dr. Maximilian Schwab ist Partner von Willkie Farr & Gallagher in Frankfurt. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.